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«Ein Schock für die EU», «totales Fiasko»: Jubelstimmung in Russland nach der Abstimmung in Moldawien

Der Kreml meldet laute Zweifel am Abstimmungsergebnis über das EU-Referendum in der Republik Moldau an. Westliche Stimmen warnen bereits vor Moskaus nächstem Ziel.

Aus Sicht von Wladimir Putin läuft es an der diplomatischen Front gerade wie geschmiert: Als Gastgeber der Brics-Staaten am Gipfel in Kasan kann Russlands Präsident seine internationale Stellung weiter festigen. Und der knappe Abstimmungs- und Wahlausgang in der Republik Moldau liefert jede Menge Munition für die Fortsetzung seiner antiwestlichen Destabilisierungskampagne.

Entsprechend fallen die Kommentare in der russischen Presse am Dienstag aus: «Das EU-Referendum hat die Führung in Moldau in einen Schock versetzt», schreibt die Tageszeitung «Nesawissimaja Gaseta» mit lesbarer Genugtuung. Der Unterschied von bloss einem Prozent zwischen den Befürwortern und den Gegnern des EU-Kurses sei «nicht das Ergebnis, das Präsidentin Maia Sandu und die EU-Staatschefs (…) wollten.»

Besonders hebt die Moskauer Zeitung die negativen Abstimmungsergebnisse in den Grenzregionen hervor, die traditionell als prorumänisch gelten würden, «die EU aber auch nicht unterstützen».

Für die überregionale russische Wirtschaftszeitung «Kommersant» ist das EU-Referendum sogar unerwartet «zu einem totalen Fiasko für die Behörden» in Moldau geworden. Im Detail wird beschrieben, wie bei der Auszählung trotz der anfänglichen Ablehnung die EU-Befürworter «plötzlich mit symbolischen Zehntelprozenten die Führung» übernommen hätten. «Kommersant» zieht darum das Fazit: «Moldau erlebt eine europäische Desintegration.»

Auch von offizieller russischer Seite wird das Abstimmungsergebnis in Zweifel gezogen. Schon am Montag warf Kremlsprecher Peskow der Regierung von Präsidentin Sandu einen unfreien Wahlkampf vor, weil die prorussische Opposition behindert und mehrere russischsprachige Medien blockiert worden seien.

Umstrittenes Schlussresultat: eine Moldawierin am Sonntag bei der Stimmabgabe.
Bild: Dumitru Doru/EPA

Trotz «dieser Verbote und Verfolgungen» hat sich laut dem Kreml aber gezeigt, dass viele Moldauer Sandus Politik nicht unterstützen würden. Für den von Sandu in Richtung Moskau geäusserten Vorwurf von beispielloser Wahlmanipulation forderte Peskow «Beweise». Viel Beachtung fand am Dienstag in Moskau zudem die Ankündigung des prorussischen Oppositionsblocks «Victory», die Endergebnisse gerichtlich anfechten zu wollen.

Alle Augen auf die Wahlen in Georgien und Bulgarien

Obschon die knappe Zustimmung zum EU-Verfassungsreferendum von der polnischen Tageszeitung «Gazeta Wyborcza» trotz allem als «schmerzliche Niederlage für Russland» gewertet wird, sind sich viele westliche Kommentatoren einig: Ermuntert vom Wahlausgang in Moldau wird der Kreml seine manipulative Einmischung in die anstehenden Wahlkämpfe mit neuem Schwung fortsetzen.

«Die Einmischung Russlands in Moldau ist Vorbote einer weiteren, ebenso gefährlichen Einmischung bei den Parlamentswahlen in Georgien am Samstag, wo die proeuropäische Opposition dem regierenden ‹Georgischen Traum› gegenübersteht», ist sich die spanische «El Mundo» am Dienstag sicher. Die Einmischung in Moldau habe lediglich «ein weiteres Kapitel in Putins globalem Plan eröffnet, den Westen zu destabilisieren».

Ebenfalls ein neues Parlament gewählt wird in Bulgarien. Dort könnte die Kreml-nahe Partei «Wiedergeburt» an diesem Sonntag auf den zweiten Rang hinter der konservativen GERB kommen.

«Le Monde» in Paris ist sich sicher und warnt: «Der Kampf in diesen Grauzonen Europas erweist sich als immer erbitterter. Moskau wird nicht lockerlassen.» Die europäische Unterstützung dagegen sei «weder sichtbar noch wirksam genug, um dem Ausmass der russischen Operationen entgegenzuwirken».

Gleichzeitig sagt die liberale tschechische Tageszeitung «Hospodarske noviny» voraus, dass jetzt der Druck «auf weitere schwache Demokratien in der ehemaligen sowjetischen Einfluss-Sphäre» zunehmen werde. Diese wolle Wladimir Putins Russland seit langem auf seine Seite ziehen: «Ja, wir reden zum Beispiel von der Slowakei, von Ungarn und von Tschechien. Dort überall treffen prorussische Kräfte auf starke politische Zustimmung.»

«Göteborgs-Posten» aus Schweden erweitert diese Liste sogar: «Auch Serbien, (…) gehört zu den Ländern, die der Kreml versucht zu infiltrieren und zu seinen Gunsten zu beeinflussen. Wer auf eine Landkarte guckt, sieht, dass das EU- und Nato-Land Rumänien genau zwischen Moldau und Serbien liegt und dass das potenziell eine zukünftige Konfliktregion werden könnte, falls Russland vorstossen und die Ukraine (…) in die Knie zwingen sollte.»

EU sieht Wahl-Einmischung Russlands als erwiesen an

Die EU sieht massive russische Angriffe gegen die Demokratie im Beitrittskandidatenland Moldau als erwiesen an. «Die Europäische Union verurteilt die beispiellose böswillige Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahlen und das Verfassungsreferendum in Moldau», hiess es in einer vom EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell im Namen der Mitgliedstaaten veröffentlichten Erklärung.

Demnach gab es eine gross angelegte Kampagne Russlands und seiner Stellvertreter, die darauf abzielte, die demokratischen Abstimmungsprozesse in dem zwischen Rumänien und der Ukraine gelegenen Land zu untergraben.

Die Bürger der Ex-Sowjetrepublik Moldau waren am Sonntag zu einem Verfassungsreferendum und zur Präsidentenwahl aufgerufen gewesen. Dabei gab es eine hauchdünne Mehrheit für die Verankerung des EU-Kurses in der Verfassung sowie einen Sieg der amtierenden prowestlichen Staatschefin Maia Sandu. Letztere verfehlte allerdings die absolute Mehrheit und muss deshalb in knapp zwei Wochen in eine Stichwahl gehen.(dpa)