Palliative Pflege: Wenn nichts mehr zu machen ist, gibt es noch viel zu tun
Im Dezember dieses Jahres wird die Palliativstation der Spital Zofingen AG von qualitépalliative, der Schweizerischen Gesellschaft für Palliative Care, rezertifiziert werden. Die Abteilung bietet Menschen, welche eine instabile Phase in ihrer unheilbaren Erkrankung durchlaufen, medizinische und pflegerische Unterstützung. Anhand eines Beispiels wird exemplarisch aufgezeigt, wie ein solcher Aufenthalt ablaufen kann.
Zum Team gehört auch die Seelsorge für spirituelle Themen
Die PalliativeSpitex Suhrental Plus nimmt Rücksprache mit der Leitenden Palliativärztin der Abteilung im Spital Zofingen, Gaby Fuchs, da die Schmerzen eines Patienten einfach nicht mehr in den Griff zu bekommen sind. Kurz darauf wird die Einweisung organisiert. Es ist nicht das erste Mal, dass dieser Patient auf die Palliativstation kommt. Seine Tumorerkrankung schreitet voran, Entscheidungen müssen nun getroffen und die Symptome stabilisiert werden. Auch die Angehörigen fühlen sich trotz professioneller Betreuung zu Hause überfordert.
Das Eintrittsgespräch mit dem Patienten führen der Arzt- und Pflegedienst gemeinsam. Unter anderem wird mit dem Erfassungsinstrument SENS gearbeitet, dessen vier Buchstaben für die Begriffe Symptome, Entscheidungsfindung, Netzwerk und Support stehen. Oft sind auch die nahestehenden Bezugspersonen beim Gespräch dabei.
Neben professioneller ärztlicher und pflegerischer Betreuung sind ganz verschiedene Ansätze gefragt, welche die Lebensqualität des Patienten und der Angehörigen trotz schwerer Grunderkrankung entscheidend verbessern können. Die Aromatherapie der Ergotherapeutin, das Malen als Ausdruck des Befindens mit der Kunsttherapeutin oder Biografiearbeit mit Würdigung des bisher im Leben Geleisteten können einen genauso grossen Stellenwert einnehmen wie die professionelle Pflege. Selbstverständlich gehört zum interprofessionellen Team auch die Seelsorge, welche die spirituellen Themen abdeckt.
Das Case Management berät die Familie bei Fragen rund um den Austritt nach Hause, beispielsweise Entlastungs- und Unterstützungsmöglichkeiten, und wenn nötig auch über mögliche Anschlusslösungen, wenn die Rückkehr nach Hause nicht mehr realisierbar ist. Immer wieder wird auch die Ernährungsberatung, die Logopädie oder die Psychologin beigezogen, um alle Ressourcen des Patienten auszuschöpfen. Und schliesslich die Physiotherapie, welche neben Atemtherapie die Kraft des Patienten aufrechterhält. Wenn dies nicht mehr möglich ist, kann ergänzend eine Massage für eine Linderung sorgen.
Im Verlauf der ersten Woche findet der «Runde Tisch» statt: Patient, Angehörige, Arztdienst, Pflegedienst und die involvierten Therapien sitzen zusammen und besprechen den Ist-Zustand, weitere Ziele, Wünsche und wie die Zukunft aussehen könnte. Ist eine Rückkehr nach Hause geplant, ist nach Möglichkeit auch die Spitex am «Runden Tisch» anwesend. Es werden auch Massnahmen besprochen, welche bei auftretenden Komplikationen oder Problemen zu Hause umgesetzt werden können. Wenn alle Fragen geklärt sind, wird das Austrittsdatum festgelegt. Im Durchschnitt bleiben die Patientinnen und Patienten zehn bis zwölf Tage auf der Palliativstation. Neu kann am Spital Zofingen eine ambulante Sprechstunde zur Abklärung der Bedürfnisse genutzt werden, auch unabhängig von einem Spitalaufenthalt.
Die Aufnahme der Patientinnen und Patienten auf die Palliativstation orientiert sich an den folgenden Kriterien: Komplexe Gesamtsituation, Instabilität, belastende Symptome, schwierige Entscheidungsfindung, Überlastung des Netzwerks, Support für das Umfeld, Akutspitalbedürftigkeit. Mitentscheidend ist auch die Motivation, an den Therapien teilzunehmen.
Weitere Details können Sie der Website des Spitals Zofingen entnehmen.
Claudia Zinniker
«Lieber früher als später Unterstützung anfordern»
Frau Fuchs, bei der palliativen Pflege ist auch das Umfeld wichtig, das die Patientinnen und Patienten begleitet und auch mitbetreut. Wie wird das Umfeld – Angehörige, Freunde etc. – am Spital Zofingen konkret in die Therapie miteingebunden?
In der Palliative Care werden Angehörige explizit mitbetreut, wenn sie das wünschen. Es spielt keine Rolle, ob es sich um Verwandte oder enge Freunde handelt. Es gibt beispielsweise auf unserer Abteilung keine fixen Besuchszeiten, man darf kommen und gehen, wann man möchte. Auf Wunsch ist in den Einbettzimmern auch die Übernachtung von Angehörigen möglich, Mahlzeiten können mitbestellt werden und für Gespräche nimmt sich das gesamte Team nach Möglichkeit gerne Zeit. Zudem wird der «Runde Tisch» sehr geschätzt, wo in Ruhe eine Standortbestimmung über die aktuelle Situation und die möglichen Zukunftsszenarien besprochen werden können.
Und was ist entscheidend, damit das Umfeld nicht in eine Überforderungssituation gerät?
Das variiert von Krankheitsphase zu Krankheitsphase sehr und hängt auch von den zeitlichen, physischen und psychischen Ressourcen des Umfeldes ab. Generalisierend gilt sicher: Lieber früher als später Unterstützung anfordern, fast alle Angehörigen unterschätzen die Belastung bei der palliativen Begleitung eines ihnen nahestehenden Menschen.
Ein Aspekt kann so genannte Biografiearbeit sein. Wie läuft so etwas ab – und weshalb kann sie wichtig sein?
Es geht dabei um die Beschäftigung mit der eigenen Lebensgeschichte. Die Zeit reicht natürlich nicht, um die ganze Lebensgeschichte im Detail aufzurollen, doch es hilft, die Ressourcen eines Patienten aufzuspüren, seinen Umgang mit der Krankheit zu verstehen, ihn zu stärken. Oft ist die letzte Lebensphase unserer Patienten eine ganz schwierige, die viel Kraft erfordert und manche Menschen hadern und verzweifeln lässt. Ich finde es sehr wichtig, dass jeder Mensch den Sinn seines Daseins immer wieder erkennen kann: Was wertvoll, gut war und ist, was man in seinen beruflichen und privaten Rollen alles geleistet hat. (zt)