Lehre aus Corona: Nationalrat möchte krisenfest werden
Auf dem Höhepunkt der ersten Coronawelle strich das Parlament die Segel, brach die Frühjahrssession ab und schickte sich selbst in Quarantäne. Eingeschränkt wurde auch die Kommissionstätigkeit. Die Pandemie erwischte National- und Ständerat auf dem falschen Fuss. Ganz verdaut haben dies die Ratsmitglieder noch nicht, wie die Debatte am Montag im Nationalrat zeigte.
«Es wäre unsere Verantwortung gewesen, unsere parlamentarische Arbeit nicht auszusetzen», haderte Céline Widmer (SP/ZH). Am Ende habe der Bundesrat das Parlament bitten müssen, die Arbeit wieder aufzunehmen. Auch Tiana Moser (GLP/ZH) bemerkte, das Parlament habe ein paar Wochen gebraucht, «um wieder Tritt zu fassen».
Barbara Steinemann (SVP/ZH) kritisierte, dem Bundesrat das Feld weitgehend «unkritisch» überlassen zu haben. Was den Sessionsabbruch betrifft, war Kurt Fluri (FDP/SO) anderer Auffassung. Dem Parlament hätten gar keine Anträge und Geschäfte zu Covid vorgelegen. Er halte die Ansicht für verfehlt, wonach die Räte die letzte Sessionswoche fahrlässig abgebrochen hätten. Balthasar Glättli (Grüne/ZH) konstatierte, das Parlament habe sich nach dem Abbruch der Session «etwas zu wichtig genommen».
Stolperstein sind auch die Ressourcen
Einig war sich der Nationalrat darin, dass das Parlament für künftige Krisen besser gewappnet sein muss. Zu diesem Zweck hat die staatspolitische Kommission eine Gesetzesänderung vorbereitet. Die Reform war am Montag im Nationalrat kaum bestritten. Das Parlament soll auch in Krisensituationen handlungsfähig bleiben und seine Notrechtskompetenzen wahrnehmen können.
Zwar könnte es bereits heute das Heft in die Hand nehmen, erklärte Gregor Rutz (SVP/ZH) im Namen der Kommission. Im Weg stünden ihm jedoch der fehlende politische Wille, träge Strukturen und ungenügende Ressourcen. Den letzten Punkte betonte auch Moser. Die bescheidenen Ressourcen würden selbst in normalen Zeiten die Handlungsfähigkeit beschränken.
Ein Viertel kann Session einberufen
Die Reform sieht einen Strauss an Massnahmen vor. So möchte der Nationalrat etwa die rechtlichen Grundlagen für virtuelle Sessionen schaffen. Allerdings soll das die letzte Ausweichmöglichkeit bleiben. Bei regionalen Ereignissen könnte es sinnvoll sein, einzelne Ratsmitglieder mit technischen Hilfsmitteln zur Session zuzuschalten.
Damit das Parlament in Krisenzeiten rasch zusammentreten kann, sollen ausserordentliche Sessionen unter bestimmten Bedingungen unverzüglich einberufen werden können. Voraussetzung wäre, dass dies ein Viertel der Mitglieder eines Rates oder der Bundesrat verlangt. Abgelehnt hat es der Nationalrat, das Quorum für die Einberufung von Kommissionssitzungen zu senken. Dafür soll eine Mehrheit notwendig sein.
Kürzere Fristen für Motionen
Der Nationalrat möchte auch bei den parlamentarischen Instrumenten ansetzen. Diese sollen so ausgestaltet werden, dass sie in Krisenzeiten rasch genutzt werden können. Verkürzt werden sollen die Fristen für die Traktandierung von Kommissionsmotionen und die Umsetzung angenommener Motionen, die sich auf Notverordnungen des Bundesrates stützen.
Auf organisatorischer Ebene soll die Verwaltungsdelegation durch eine auf vier Jahre fest gewählte Verwaltungskommission ersetzt werden. Nach Ansicht des Nationalrates entsteht dadurch eine grössere personelle Kontinuität in der Leitung der Parlamentsverwaltung. Corina Gredig (GLP/ZH) äusserte auch die Hoffnung, dass die neue Kommission das Ressourcenproblem des Parlaments anpacken werde.
Zur gewünschten Stärkung des Parlaments gehört auch, dass der Bundesrat Entwürfe für Notverordnungen künftig immer den parlamentarischen Kommissionen zur Konsultation vorlegen muss. Auf eine juristische Kontrolle von Notverordnungen durch ein Gericht möchte der Nationalrat jedoch verzichten. Diese soll weiterhin dem Parlament obliegen.
Nun geht das Geschäft an den Ständerat.