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Schwedens Mister Corona wechselt in die Schweiz zur Weltgesundheitsorganisation

Anders Tegnell tritt in Schweden ab – und geht zur WHO nach Genf. Die Bilanz seines Pandemie-Managements fällt gemischt aus.

Anders Tegnell, schwedischer Staatsepidemiologe und das polarisierende Gesicht der lockeren Corona-Strategie, hört auf. Aber nicht wegen zunehmender Kritik, sondern er wird Experte bei der Weltgesundheitsorganisation in Genf.

Der Mann mit der runden Brille wurde im ersten Pandemie-Jahr weltbekannt, als Architekt der schwedischen Corona-Strategie. Tegnell wurde dafür geliebt und gehasst, denn seine auf Empfehlungen statt harten Restriktionen basierende Anti-Lockdown-Strategie fand im In- und Ausland freiheitsliebende Bewunderer, aber auch kopfschüttelnde Kritiker. Während im 2020 überall Lockdown herrschte, war in Schweden vieles offen und möglich. Seine Fans trugen Tegnell-T-Shirts, während er wegen Drohungen Polizeischutz benötigte.

Jetzt tritt der 65-Jährige ab, allerdings nicht in den Ruhestand, sondern er wird Experte der Weltgesundheitsorganisation WHO in Genf. Dort soll er unter anderem die globale Verteilung von Corona-Impfstoffen, insbesondere an arme Länder, besser koordinieren. Er sehe das als grosse Chance, erklärte Tegnell am Dienstag, habe er sich doch 30 Jahren lang mit Impfungen und internationalen Gesundheitsfragen beschäftigt.

Tegnell fürchtete die Kollateralschäden von Corona-Massnahmen

Der Infektiologe arbeitete früher in Afrika, wo wegen der Ansteckungsgefahr von Ebola der Spitalbetrieb stark eingeschränkt wurde, weshalb viele Leute starben. In Schweden warnte er vor den Lockdowns der anderen Länder: Epidemie-Massnahmen müssten moderat sein und von der Bevölkerungen mitgetragen werden; harte Restriktionen wie Schulschliessungen schafften grosse andere Probleme.

Doch das offene Schweden bezahlte insbesondere in der zweiten Welle einen hohen Preis mit vielen Ansteckungen und Corona-Toten. Danach führte es langfristige Beschränkungen von Treffen in Innenräumen ein. Über die ganze Pandemie gesehen liegt das Land nun bei der Anzahl Toten im Mittelfeld, bei der Übersterblichkeit im unteren Drittel (leicht tiefer als etwa die Schweiz).

Kritik an Tegnell hält an

Eine schwedische Untersuchungskommission, bestehend aus nordischen Experten, kritisierte kürzlich die Corona-Strategie heftig. Zwar sei das Prinzip Empfehlungen statt Verbote grundsätzlich richtig, doch habe Schweden oft zu spät und zu wenig reagiert. Zudem habe die Regierung zu sehr auf die Leitung der Gesundheitsbehörde gehört, statt wie in anderen Ländern das Heft selber in die Hand zu nehmen. Dadurch erhielt Tegnells Strategie ihre volle Entfaltung.