Ein Crash liess Fabian Rechers Medaillenträume platzen
In der Spitzengruppe mit dem amtierenden Handbike-Weltmeister Jonas Van de Steene, dem Ironman-Weltrekordhalter Thomas Frühwirth und dem Holländer Jetze Plat, der diese Woche bereits im Paratriathon und im Handbike-Zeitfahren die Goldmedaille holte, wechselten sich die Spitzenfahrer in der Führungsarbeit ab und fuhren mit Geschwindigkeiten von bis zu 70 km/h einen Vorsprung von mehreren Minuten auf ihre Verfolger heraus.
Der Belgier Van de Steene musste als erster von der vierer Spitzengruppe abreissen lassen. Recher konnte noch rund zehn Minuten länger mithalten. Nach Rennhälfte wurde aber auch ihm das Tempo zu hoch, und er liess sich zum Belgier zurückfallen. Alles sah danach aus, dass Recher und Van de Steene die Bronzemedaille unter sich ausmachen, denn die Verfolger hinter den beiden hatten fast fünf Minuten Rückstand.
Doch dann passierte das Missgeschick. Die Gabel von Fabian Rechers Handbike verhakte sich in einer Kurve mit der Stossstange des Belgiers. Dieser konnte deshalb sein Handbike nicht mehr steuern und stürzte in die Absperrung. Recher schaffte es im letzten Moment, sein Bike herumzureissen, so dass er nicht in den Belgier und die Abschrankung stürzte. Der Crash hat aber die Medaillenhoffnungen von beiden und das Bike des Belgiers zerstört.
«Es passiert in Rennen öfter, dass sich Handbikes verkeilen. Dass es hier solche Folgen hatte, ist brutal. Wir haben im Ziel miteinander gesprochen und uns gegenseitig entschuldigt», sagte Recher nach dem Rennen. Auch Van de Steene war sehr enttäuscht: «Physisch habe ich nur kleine Blessuren, aber mein neues Handbike, in das ich 25’000 Euro investiert habe, ist kaputt. Material, das in Wettkämpfen gefahren wird, ist leider nicht versichert. Deshalb weiss ich aktuell nicht, ob ich an der WM in Zürich starten kann.»
Durch den Crash war auch Rechers Feststellbremse verschoben. «Bis zur Zieldurchfahrt, wo meine Bremse gerichtet werden konnte, verlor ich ca. dreieinhalb Minuten.» So war der Vorsprung nach der Reparatur auf wenige Sekunden geschmolzen, und der Pole Raffal Wilk und der Amerikaner Travis Gaertner konnten ihn einholen.
Der 25-jährige Spiezer machte diese Saison einen Leistungssprung und etablierte sich im Frühling fast unbemerkt in der Weltspitze. Mit dem Sieg beim Weltcup im belgischen Ostende und Podestplätzen bei den Weltcup-Rennen in Adelaide (AUS) und Maniago (IT) klassierte er sich im Gesamtweltcup als Zweiter – punktgleich mit dem Erst- und Drittplatzierten.
Die Schwierigkeit diese Saison mit den Weltcup-Rennen im Frühling und den Paralympics und der Heim-WM in Zürich im September ist, das Training so abzustimmen, dass die Form für alle Saisonhöhepunkte stimmt. Dafür arbeitet Fabian Recher eng mit dem ehemaligen Veloprofi Marcel Wyss zusammen und tüftelte mit seinem Velomechaniker an einem neuen Carbon-Handbike.
Teil der Vorbereitung war im Juli ein dreiwöchiges Höhentrainingslager im Engadin, wo er dieselben optimalen Bedingungen nutzen konnte wie die Strassen- und MTB-Nationalmannschaft. Trainiert wurde auf dem Berninapass und rund um St.Moritz. Beeindruckend war, wie locker er auch im Schlussanstieg zum Albulapass noch aussah, wo er auf der 30 km langen Steigung so manchen ambitionierten Velofahrer abhängte und nach über 100 km und 2400 Höhenmetern über den Julier- und Albulapass noch entspannt wirkte.
Fabian Recher ist nicht nur im Handbike oft vorneweg. Er war vor drei Jahren der erste Rollstuhlfahrer, der die Spitzensport-RS absolviert hat und so den Weg ebnete für andere Paraathleten. «Ich wollte eigentlich die RS schon früher machen, aber lange galt ich als doppelt UT (untauglich). Damit zeigte er damit auch der Schweizer Armee, dass Paraathleten in der RS durchaus mithalten können.
Einer der Ausbildner sagte damals, dass die Motivation bei allen Rekruten höher war, als Fabian dabei war. Vor allem bei den langen Märschen, wo er über Stock und Stein mitgefahren ist. Die Unterstützung der Armee ermöglicht es ihm nun auch nach der RS professioneller zu trainieren, weil Wettkampf- und Trainingslagertage angerechnet werden und er die Trainingscenters in Magglingen und Tenero nutzen kann.
Pionier Energie wurde Fabian Recher schon in die Wiege oder die Gene gelegt. Er war vor 25 Jahren das erste europäische Baby und das siebte weltweit mit Spina Bifida – einem offenen Rücken –, das im Mutterleib operiert wurde. Da diese Operationen damals noch nicht möglich waren in Europa, sind seine Eltern dafür nach Philadelphia in den USA gereist. Sie wurden von Professor Dr. Martin Meuli begleitet, der später die Fetalchirurgie auch in der Schweiz eingeführt hat. Die Operation im Mutterleib kann Einschränkungen, die Spina Bifida mit sich bringt, reduzieren.
So konnte Fabian seine Kindheit mehrheitlich als Fussgänger erleben. «Ich war schon immer sehr aktiv und habe viele Sportarten ausprobiert. Unter anderem auch Fussball, Basketball und Badminton. Fürs Handbike habe ich mich entschieden, weil ich den Speed liebe, es sehr selbstständig machen kann und ich so die Schweiz und die Welt auf eigene Faust erkunden kann.»