Parlament streitet über Gratistests – und Labore kommen an die Belastungsgrenze
Sollen Coronatests für ungeimpfte Personen gratis werden, die ein Zertifikat wollen? Ja, findet der Nationalrat. Der Bundesrat sträubt sich dagegen und hat mit der vorberatenden Ständeratskommission derart lange nach neuen Formulierungen gesucht, dass sich die Debatte zum Covid-19-Gesetz am Montag verzögert hatte.WERBUNG
Die Kommission präsentierte einen neuen Vorschlag, dem sich der Ständerat anschloss. Wer einen PCR-Test machen will, einzig um ein Zertifikat zu erlangen, muss diesen weiterhin selbst bezahlen. Das heisst, Tests für Auslandreisen oder für den Besuch in einem Club sollen kostenpflichtig bleiben. Nur PCR-Tests, die im Pool gemacht werden, sollen vom Bund übernommen werden, ebenso die Antigen-Schnelltests. Die Selbsttests für Daheim sollen kostenpflichtig bleiben, ebenso die Antikörper-Tests. Dafür sprach sich eine Mehrheit von 33 zu 13 Stimmen aus. Vertreter der FDP wehrten sich gegen die Gratistests.
Der Ständerat führte in seiner Argumentation auch finanzielle Gründe an. Würde man dem Vorschlag des Nationalrats folgen, würden die Kosten bei 1,8 Milliarden Franken liegen. Der Vorschlag des Ständerats hingegen kostet die Hälfte, also 911 Millionen Franken. «Es sind happige Kosten, aber sie sind halb so hoch wie jene beim Vorschlag des Nationalrats», sagte Paul Rechsteiner, Sprecher der Gesundheitskommission.
Auf Testresultate muss lange gewartet werden
Würde gemäss der ständerätlichen Lösung mehr oder weniger getestet? Weniger als beim nationalrätlichen Vorschlag, aber mehr als bei der aktuell geltenden Regelung. Denn die Kantone müssen gemäss beiden Parlamentskammern allen Personen ein Zertifikat ausstellen, die bei regelmässig durchgeführten Tests in Betrieben, Schulen oder Pflegeeinrichtungen negativ getestet wurden. Heute können die Kantone selbst entscheiden, ob sie das machen. Zudem wurde die Gültigkeitsdauer der Antigen-Schnelltests von 48 auf 24 Stunden reduziert. Das führt also auch zu mehr Tests.
Noch ist nicht klar, ob sich am Schluss die Lösung des National- oder Ständerates durchsetzen wird. Für die Labors wäre eine Einschränkung der Gratistests wohl die bessere Nachricht; Bundesrat Berset hatte letzte Woche im Nationalrat explizit vor Kapazitätsengpässen in den Laboren gewarnt, falls die Gratistests ausgeweitet werden. Tatsächlich ächzen die Labors schon heute unter der Arbeitslast: «Die Belastung auf die Labors und entsprechend auf die Gesundheitseinrichtungen ist hochproblematisch», sagt Philipp Walter, Präsident des Verbands für Labormedizin. Bereits jetzt können viele Proben nicht mehr innert nützlicher Frist ausgewertet werden, weil die Labors überlastet sind und personelle Engpässe herrschen.
Auch wenn die Arbeit in den Labors für die Öffentlichkeit nicht sichtbar sei, müssten die Behörden dringend hinschauen, sagt Walter. «Wir wissen nicht, wie viel es noch erträgt.» Es graust ihm vor zusätzlichem Arbeitsaufwand aufgrund der möglichen Ausweitung der Gratistests. «Der Nutzen aus der Testung nicht-symptomatischer Personen muss in einem sinnvollen Verhältnis zur Belastung der Ressourcen stehen.» Denn es gehe ja nicht nur um die Analytik, aufwendig sei auch die Abnahme, die Administration und Organisation, die Kommunikation der Resultate.
«Auch unsere Managementkapazitäten sind am Limit», so Walter. Das sei gefährlich, weil Spitäler darauf angewiesen sind, dass die Laborversorgung funktioniere. Überfordert zeigt man sich auch bei den Dr.-Risch-Laboren, die mit 670 Mitarbeitenden an 17 Standorten zu den führenden Dienstleistern der Labormedizin in der Schweiz gehören. «Aufgrund des starken Infektionsgeschehens in den letzten Wochen hat das Probenaufkommen insgesamt enorm zugenommen», sagt Lorenz Risch, Chef der Labore. Zudem müssten zahlreiche Poolproben bei den repetitiven Testungen einzeln aufgelöst und nachgetestet werden, was sehr zeitintensiv sei. «Unsere Laborkapazitäten für PCR-Testungen sind darum stark ausgelastet.»
Lange Wartezeiten auf Testresultate aufgrund überlasteter Labore? Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) relativiert: «Es ist möglich, dass einzelne Laboratorien temporär an Kapazitätsgrenzen stossen können, schweizweit ist allerdings genug Kapazität vorhanden.»