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Protonen gegen Krebs: «Wir können sicherstellen, dass der Tumor genau getroffen wird»

Forschenden des Paul Scherrer Instituts gelingt eine Pionierleistung. Bei der Behandlung von Krebskranken haben sie eine individualisierte Therapieform eingebaut.

Jeden Tag ist unser Körper ein bisschen anders. Der Darm ist mal mehr, mal weniger gefüllt; mal grummelt darin mehr Luft, mal weniger. Gestern war die Nase noch frei – heute muss man sich öfters die Nase putzen, die Nasennebenhöhlen sind verschleimt.

Die meisten Unterschiede, die sich im Körper von einem Tag zum anderen zeigen, sind nur gering und spielen sich in Ausmassen von Millimetern ab. «Aber bei Krebskranken, die mit Protonen bestrahlt werden, können selbst solche kleinen Veränderungen erhebliche Auswirkungen auf die optimale Strahlendosis haben», sagt Francesca Albertini, Medizinphysikerin am Protonentherapiezentrum des PSI.

Forschenden in Villigen ist es in einer weltweiten Premiere nun erstmals gelungen, diese Vorgehensweise erfolgreich in den täglichen klinischen Alltag zu integrieren, wie das PSI in einer Mitteilung schreibt.

Tumor an fünf Tagen pro Woche bestrahlt

Genau wie Photonen bei der gewöhnlichen Strahlentherapie töten Protonen Krebszellen ab. Damit der Tumor möglichst vollständig bestrahlt und das umliegende Gewebe geschont wird, werden Patientinnen und Patienten vor Beginn der Protonentherapie im Computertomograf (CT) gescannt. Dabei wird berechnet, welche Körperareale genau mit dem Protonenstrahl abzurastern sind und wie energiereich der Strahl sein muss.

Während einer Protonentherapie wird der Tumor an fünf Tagen in der Woche bestrahlt, meist über zwei bis sieben Wochen. Bei dem neuen Workflow wird vor jeder Bestrahlung eine niedrigdosierte CT-Aufnahme angefertigt. Die Strahlendosis der Protonentherapie wird dann − je nach tagesaktueller Anatomie sowie Positionierung der Patientin oder des Patienten − neu berechnet. Dafür haben die PSI-Forschenden um Francesca Albertini eine Software entwickelt, die den Behandlungsplan an die aktuelle Situation anpasst.

«Ein solches Verfahren bringt nur Vorteile mit sich», sagt Albertini. «Wir können sicherstellen, dass der Tumor genau getroffen wird. Dabei verkleinert sich insgesamt die Strahlenlast, da gesundes Gewebe weniger belastet wird.»

Möglicher Nachteil: Insgesamt kann mehr Zeit pro Anwendung verstreichen. Im ungünstigsten Fall könnten pro Tag weniger Menschen behandelt werden. «Es war uns daher wichtig, vor allem die Geschwindigkeit des Ablaufs zu optimieren», betont Albertini. Mit Erfolg: Insgesamt dauerte die Bestrahlung im Schnitt lediglich vier Minuten länger als ohne das neue Verfahren.

Bald auch kommerzielle Lösungen

In einer ersten Machbarkeitsstudie, die jetzt im Journal «Physics in Medicine and «Biology» erscheint, haben PSI-Forschende um Albertini das neue Verfahren an fünf Patientinnen und Patienten umgesetzt, die gegen Tumorarten in knochenreichen Körperregionen bestrahlt wurden, etwa am Schädel und der Schädelbasis. In diesen Regionen sind weniger tägliche Veränderungen zu erwarten als im Unterleib.

Eine zusätzliche CT-Aufnahme pro Tag bedeutet zunächst eine erhöhte Strahlenbelastung. «Wir gehen aber davon aus, dass sich das Risiko für sekundäre Krebserkrankungen, durch den neuen Prozess nicht erhöht», sagt Damien Weber, Leiter und Chefarzt des Zentrums für Protonentherapie

«In einigen Jahren werden vermutlich alle Protonentherapiezentren der Welt solche täglichen Anpassungen implementieren», sagt Antony John Lomax, Gruppenleiter Klinische Medizin-Physik und Mitautor der Studie. Er vermutet, dass es bald auch kommerzielle Lösungen geben wird. «Dass wir die ersten sind, die einen solchen Workflow im klinischen Alltag bei der Protonentherapie angewendet haben, ist ein wichtiger Schritt dahin.»(az)