Peter Siegrist im zt Talk: «Wir haben eine sehr gute Ausgangslage – diese dürfen wir jetzt einfach nicht verspielen»
Seit 2018 sitzt der parteilose Gastronom Peter Siegrist im Zofinger Stadtrat. Zu Beginn der zweiten Legislatur übernahm er – überraschend – das Ressort Finanzen. Nach seinem ersten Jahr als Säckelmeister stehen alle Ampeln auf Grün: Die Stadtkasse weist einen Gewinn von 10,5 Millionen Franken aus, 8,6 Millionen mehr als budgetiert.
«Es ist sensationell. Wir können stolz sein. Es hat auch einen Beigeschmack: Es stellt sich die Frage, warum wir so viel daneben budgetiert haben», sagt Siegrist. War es kalkulierte Übervorsicht? «Nein, wir wollten realistisch budgetieren und nicht Reserven einbauen. Ein gutes Budget zeigt, was wir machen können und was nicht. Reserven einbauen bringt nichts, um eine Gemeinde weiterzubringen.» Bei den natürlichen Personen kamen hohe Nachträge aus den Vorjahren in die Kasse. «Das haben wir nicht vorausgesehen. Das waren rund 2,5 Millionen – das ist schon ein rechter Hebel.» Die juristischen Personen reichen ihre Steuererklärungen beim Kanton ein. «Hier sind wir vom Kanton abhängig.» Auch hier flossen Nachträge von 2,1 Millionen Franken. Das sei erfreulich, aber auch das habe man nicht wissen können. Erbschafts- und Grundstückgewinnsteuern seien sowieso schwierig planbar. «Hier gehen wir von Erfahrungswerten aus.» Die Zahlen könnten sich aber von Jahr zu Jahr deutlich verschieben.
Massiv tiefer als geplant fielen die Ausgaben bei der Sozialhilfe aus – ausgegeben wurde fast eine Million weniger als budgetiert. Warum ist das so? «Die Antwort ist relativ einfach: Die Arbeitslosigkeit ist so tief wie nie. Viele Leute, die aufs Sozialamt gingen, haben einen Job gefunden. Das entlastet die Sozialhilfe.» Auch im Bereich Sozialausgaben sind Rückerstattungen geflossen, die das Ergebnis verbessert haben. Das gute Ergebnis bei den Sozialausgaben könne aber nur vorübergehend sein. Mit der Inflationsbekämpfung könne die Arbeitslosigkeit wieder steigen. «Die Situation kann sich von einem aufs andere Jahr ändern. Dann sehen die Zahlen wieder ganz anders aus.»
Warum jetzt also nicht die Steuern senken? Siegrist winkt ab. «Wir investieren jetzt ins Oberstufenzentrum. Wir sehen anhand des Abstimmungsresultats, dass die Einwohnerinnen und Einwohner dieses wollen. Es ist eine Investition in die Zukunft.» Das Projekt wird über 40 Millionen Franken kosten. «Es gibt noch andere Dinge, die anstehen – beispielsweise die Sanierung des Schwimmbades, die noch einmal Millionen kosten wird.» Wenn diese Investitionen getätigt seien, könne man über Steuersenkungen diskutieren. «Aber es wäre schade, wenn wir jetzt kurzfristig mit den Steuern runtergehen würden und ein Jahr später sagen müssten, wir brauchen das Geld doch. Man darf nicht vergessen, dass man vor drei, vier Jahren wegen den hohen Investitionen ins Oberstufenzentrum noch über Steuererhöhungen gesprochen hat.» Dieses Szenario sei jetzt vom Tisch. «Wir haben eine sehr gute Ausgangslage – diese dürfen wir jetzt einfach nicht verspielen.»
Wichtig sei jetzt, diszipliniert zu bleiben. «Die Welt verändert sich unglaublich schnell, wir müssen uns sehr schnell anpassen», sagt Siegrist. «Wir hatten die Corona-Pandemie. Dann haben wir kurz nach Luft geschnappt – und schon war der Ukrainekrieg mit der Energiekrise da. Letzte Woche die Sache mit der CS. Niemand hatte diese Dinge auf dem Radar. Für uns als Verantwortliche der Stadt heisst das: Wir müssen klar definieren, welche Ziele wir erreichen wollen. Dazu müssen wir Reserven schaffen, um reagieren zu können, wenn Unvorhergesehenes passiert – damit wir die Hauptziele nicht gefährden. Das heisst, es braucht Disziplin. Und nicht einfach sagen: Jetzt haben wir Geld, jetzt geben wir es aus.»