«Klatschen war gestern»: Aargauer Pflegepersonal fordert 25 Millionen Franken vom Kanton
Der Grosse Rat hatte Ende August einstimmig und ohne Diskussion einen Kredit von 125 Millionen Franken gesprochen, um die Spitäler für Mehrkosten und Ertragsausfälle der Coronapandemie zu entschädigen. Eine Online-Petition verlangt nun, dass ein Teil dieses Geldes den Pflegefachpersonen zugutekommt. Konkret verlangt die Petition 25 Millionen Franken zu Gunsten der Pflegenden im Kanton Aargau.
In 90 Tagen haben 3134 Personen die Petition unterschrieben. Den Betrag von 25 Millionen Franken verlangt die Petition, weil die Spitäler nur Ertragsausfälle von insgesamt 100 Millionen Franken geltend gemacht haben. Die Petentinnen und Petenten fordern, dass der Rest des gesprochenen Geldes dem Pflegepersonal zugutekommt. Am Donnerstagnachmittag soll die Petition übergeben werden.
Aarauer IPS-Pflegerin hat Petition lanciert
Lanciert hat die Petition Eveline Hofer. Sie arbeitet auf der Intensivstation im Kantonsspital Aarau, wo sie sich um Covid-Patientinnen und Covid-Patienten kümmert. Eigentlich hatte sie der Intensivstation den Rücken gekehrt, weil es schwierig war, Beruf und Familie zu vereinbaren. Aber als im Frühling 2020 Corona kam, hat Eveline Hofer, wie viele andere Pflegefachpersonen auch, ihr Pensum von 20 auf 80 Prozent erhöht. Seither arbeitet sie wieder auf der Intensivstation.
Im Text zur Petition zeigt sie auf, welche Auswirkungen die Pandemie für die Mitarbeitenden in den Spitälern hat. Sie schreibt zum Beispiel:
Während sich die Gesellschaft über die chirurgischen Masken aufregte, die sie zum Einkaufen tragen mussten, betreuten wir in Vollmontur und mit FFP2-Masken 8,5 Stunden unsere Patientinnen und Patienten.
Und sie hält fest, dass trotz aller Bemühungen viele Patientinnen und Patienten gestorben seien. «Wir waren bei ihnen: bis zum bitteren Ende.»
Applaus finanziert keine zusätzlichen Kita-Tage
Mit ihrer Petition will Eveline Hofer aufrütteln. Für sie ist klar: «Nicht nur die Geschäftsleitungen der Spitäler sind in der Pflicht, sondern auch die Politik.» Klatschen reiche nicht. Klatschen ernähre nicht die Familien und finanziere nicht die Kinderbetreuung bei kurzfristigen Einsätzen oder die Physiotherapie, weil der Rücken kaputt ist. «Klatschen hilft uns nicht, zu verarbeiten, wenn in einer Woche drei unserer Patientinnen und Patienten unter schaurigen Covid-Bedingungen versterben», schreibt Eveline Hofer weiter.
Viele erfahrende Mitarbeitende hätten bereits gekündigt und es würden immer mehr. In den Spitälern mache sich Erschöpfung und Enttäuschung breit. Eveline Hofer sagt:
Es ist beängstigend, wenn ich mir die Konsequenzen vorstelle, die in den nächsten Jahren drohen, wenn wir so viele gut qualifizierte Fachkräfte verlieren.
Hofer sorgt sich um die Behandlungsqualität, die dadurch abnimmt. «Ich habe das Gefühl, die Politik ist sich nicht wirklich bewusst, was das bedeutet.»