
Grund für schwere Entzündung nach Corona bei Kindern entdeckt
Wissenschafter haben eine mögliche Erklärung für Pims gefunden, einer schweren Entzündungsreaktion bei Kindern. Das Pediatric Inflammatory Multisystem Syndrome tritt in seltenen Fällen bei Kindern mehrere Wochen nach einer Corona-Infektion auf. Der neuen Studie zufolge hängt der Entzündungsschock mit dem Wiederaufflammen eines anderen Erregers zusammen – dem Epstein-Barr-Virus (EBV).
Das Epstein-Barr-Virus ist der Erreger des Pfeifferschen Drüsenfiebers. 90 Prozent aller Erwachsenen tragen dieses Herpesvirus in sich. Man wird es nach einer überstandenen Infektion nicht los – und es kann daher reaktiviert werden, wie Studienautor Tilmann Kallinich erklärt, Kinderarzt an der Berliner Charité.
Die Studie, die im Fachmagazin «Nature» veröffentlicht wurde, zeigt, dass das Immunsystem der Kinder durch die Corona-Infektion geschwächt wird und das EBV-Virus dann nicht mehr wirksam bekämpfen kann. Bei etwa zwei Dritteln der insgesamt 145 untersuchten Kinder mit Pims fanden die Forscher Blutzellen, die mit dem EBV infiziert waren. Bei Kindern ohne Pims gab es diesen Nachweis nicht. Ausserdem entdeckten die Wissenschafter bei 80 Prozent der Kinder mit Pims EBV-spezifische Antikörper.
Pims tritt meist vier bis acht Wochen nach einer Corona-Infektion auf und äussert sich unter anderem durch hohes Fieber, Hautausschläge und Herzprobleme. Etwa die Hälfte der Betroffenen kommt auf die Intensivstation. Die meisten Kinder erholen sich vollständig.
Die meisten Kinder erholen sich vollständig
Damit wurde das Epstein-Barr-Virus erneut als Auslöser einer Krankheit identifiziert. 2022 konnte eine Studie mit 10 Millionen Armee-Angehörigen in den USA das EBV in eine starke Verbindung mit einer Multiplen-Sklerose-Erkrankung bringen. Auch wenn MS im Durchschnitt erst sieben Jahre nach der Infektion ausbricht. EBV ist nicht der einzige Grund, dass MS ausbricht, aber offenbar ein Auslöser. Ebenso kann EBV nach Jahrzehnten gewisse Krebsarten und Autoimmunkrankheiten auslösen.
Und auch bei Long-Covid stehen die EB-Viren in Verdacht, dass sie die Krankheit auslösen können. Gerade die chronische Fatigue ist nicht nur ein zentraler Bestandteil von Long Covid, sondern auch von MS und dem Pfeifferschen Drüsenfieber.
Dass das Virus unser Immunsystem durcheinander bringen kann, hat damit zu tun, dass Herpesviren einige Proteine produzieren, die unseren eigenen Proteinen ähneln und Moleküle, die es auch in menschlichen Zellen gibt. So kann es sich langfristig verstecken.
Noch keine Impfung, aber ein möglicher Hemmstoff
Eine Impfung gegen EBV gibt es bis heute nicht. In Brisbane, Australien, wurde 2023eine Studiemit einem potenziellen Impfstoff an Mäusen publiziert, der einen starken Schutz zeigte. Zwei weitere Impfstoffe werden als Phase-I-Studie bereits an wenigen Menschen getestet. Darunter einmRNA-Impfstoff von Modernaund eineNanopartikel-Impfung. Allerdings halten es viele Spezialisten für unwahrscheinlich, dass eine Impfung eine EBV-Infektion komplett verhindern kann. Man hofft vielmehr, dass EBV nach einer Impfung wenigstens weniger Krankheiten auslöst.
Ein neuer Ansatz um Folgekrankheiten zu reduzieren, verfolgen Forschende des Universitätsspitals und der Uni Basel. ImFachjournal «Science»veröffentlichten sie vor einem Jahr, was sie entdeckt hatten: Nämlich, dass das Virus Immunzellen umprogrammiert. Es bringt sogenannte B-Zellen dazu, viel mehr des Enzyms ID01 zu produzieren als üblich. Dadurch beginnen die Kraftwerke der Zellen, die Mitochondrien, wie verrückt zu arbeiten – und das Virus kann sich besser vermehren.
Die Forschenden zeigten, dass dies schon Monate vor der Diagnose einer Blutkrebsart geschieht, welche EBV auslösen kann. Das gibt einerseits die Möglichkeit, einen Biomarker zu entwickeln und andererseits könnte eine solche Überregulation der Mitochondrien mit IDO1-Inhibitoren gehemmt werden. Damit reduziert sich nicht nur die Viruslast, sondern vermutlich auch das Risiko für Folgeerkrankungen. Und die Mitochondrien weniger stark belastet. Denn erschöpfte oder dysregulierte Mitochondrien sind es vermutlich, welche die Fatigue in vielen Folgeerkrankungen auslösen.(dpa/kus)