Regierungsrat erhöht Normkosten für Pflege – Aargau bleibt trotzdem das Schlusslicht
Wegen der steigenden Personal- und Sachkosten hat der Regierungsrat beschlossen, die sogenannten Pflegenormkosten zu erhöhen. Aargauer Pflegeheime können nächstes Jahr pro Pflegestunde 70.20 Franken anstatt 68.50 Franken verrechnen. Den Gemeinden entstehe dadurch ein finanzieller Mehraufwand von 7,3 Millionen Franken, teilt der Regierungsrat mit.
Mitte-Grossrat Andre Rotzetter ist Spartenpräsident Pflegeinstitutionen beim Aargauer Gesundheitsverband (Vaka). Auf die Frage, ob die Erhöhung mehr sei als ein Tropfen auf den heissen Stein, sagt er diplomatisch: «Wir sind froh, dass es überhaupt einen Tropfen auf den heissen Stein gab.» Denn eigentlich wäre die Tarifordnung noch bis Ende 2023 eingefroren. Es hätte sich also bis Ende nächstes Jahr gar nichts verändert. «Insofern war uns klar, dass kein grosser Schritt möglich sein wird», sagt Rotzetter.
Nach Gesprächen zwischen dem Departement Gesundheit und Soziales, der Gemeindeammännervereinigung und dem Gesundheitsverband habe der Regierungsrat aber immerhin eine Tariferhöhung um rund 2,5 Prozent beschlossen. «Das hilft uns, zumindest die Teuerung abzufedern», sagt Rotzetter.
Gesundheitsverband kämpft für höhere Normkosten
Längerfristig sei für den Gesundheitsverband aber klar, dass die Pflegenormkosten auf rund 80 Franken pro Pflegestunde erhöht werden müssen. «Sonst sind die Pflegeheime im Aargau nicht mehr konkurrenzfähig und können irgendwann Investitionen in die Infrastruktur nicht mehr selber tragen», sagt Rotzetter.
Im Sommer hat er zusammen mit seiner Parteikollegin und Vaka-Präsidentin Edith Saner im Grossen Rat eine Interpellation zur stationären Langzeitpflege eingereicht. Die beiden wollten wissen, wo der Aargau im Vergleich mit anderen Kantonen steht. Die Antwort der Regierung vom Freitag zeigt, was Rotzetter eigentlich schon wusste: «Der Aargau ist mit Abstand das Schlusslicht – auch mit dem höheren Stundensatz von 70.20 Franken im nächsten Jahr.»
In Baselland lag der Stundenansatz im Jahr 2022 bei 74.85 Franken, in Solothurn bei 70.46 Franken, in Zürich sogar bei 95.98 Franken. Einzig im Kanton Bern lag der Ansatz 2022 mit 66.30 Franken unter jenem im Aargau. Rotzetter sagt aber, die Kantone Aargau, Solothurn und Bern liessen sich nicht 1:1 vergleichen, weil zum Beispiel Bern zusätzlich noch Pauschalen bezahle und Solothurn kein linearer Anstieg der Normkosten pro Pflegestufe habe.
Eine Versorgungslücke bahnt sich an
Rotzetter und Saner stellten der Regierung auch Fragen zu den durchschnittlichen Lohnkosten pro Stelle. Die Zahlen zeigen, dass im Jahr 2020 die durchschnittlichen Jahreslöhne des Pflegefachpersonals im Aargau bis zu 10’000 unter jenen in anderen Kantonen lagen.
Im Aargau kommt eine Pflegefachperson im Schnitt auf knapp 75’500 Franken pro Jahr. In Baselland verdient sie fast 87’000, in Solothurn knapp 80’200. Weniger verdienten nur Pflegefachpersonen im Kanton Bern (74’500 Franken).
Mit diesen Löhnen sei der Kanton Aargau nicht konkurrenzfähig, sagt Rotzetter. Der Fachkräftemangel verschärfe sich. «Wenn wir nicht in eine Versorgungslücke laufen wollen, müssen wir jetzt handeln.»
Auch der Regierungsrat hält in der Antwort auf den Vorstoss fest, dass das Lohnniveau beim Pflegefachpersonal unterdurchschnittlich sei. Ausgerechnet in jener Berufsgruppe, wo ein sehr hoher Personalmangel besteht.