Ausbildungsoffensive in der Pflege: Kostenbeteiligung des Kantons und Erlass von Studiengebühren heftig umstritten
Nach dem Ja der Stimmbevölkerung zur Pflegeinitiative sind die Kantone bei der Umsetzung gefordert. Der Aargau sieht drei Massnahmen vor, bis Ende letzter Woche lief die Vernehmlassung zur Ausbildungsoffensive. Die AZ zeigt, wie sich die Parteien zu den Vorschlägen positionieren, welche den Kanton über acht Jahre insgesamt 77 Millionen Franken kosten.
1. Ausbildungskosten übernehmen: Vollständig oder zur Hälfte?
Spitäler, stationäre Pflegeeinrichtungen und Spitex-Organisationen, die Pflegefachkräfte ausbilden, erhalten zusätzliche Unterstützung. Der Kanton soll die ungedeckten Ausbildungskosten ganz oder zur Hälfte übernehmen.
Für eine vollständige Übernahme sind SP, Grüne, EVP und Mitte. Die SP führt dies nicht weiter aus, die Grünen schreiben: «Solange genug Geld für Steuersenkungen zur Verfügung steht, sollte genug Geld vorhanden sein, um die Ausbildungen anzukurbeln.» Die Mitte gibt zu bedenken, dass sich die Beiträge des Bundes um 7 Millionen Franken verringern würden, wenn der Aargau nur 50 Prozent der Ausbildungskosten deckt. Die EVP schreibt, die Mitfinanzierung sei gerade bei Institutionen nötig, die mehr Pflegepersonal ausbilden, als sie gemäss Verpflichtung müssten.
Nur die Hälfte der ungedeckten Ausbildungskosten soll der Kanton aus Sicht von SVP, FDP, GLP und EDU zahlen. Man habe die Initiative abgelehnt, respektiere aber den Volkswillen, schreibt die SVP. Mit Blick auf drohende Defizite des Kantons ist die Volkspartei für die Minimalvariante. Die FDP will die Abgeltung der Ausbildungskosten an die Bedingung knüpfen, dass die Leistungserbringer die Gelder ausschliesslich für die Verbesserung der Rahmenbedingungen in der Pflegeausbildung einsetzen.
Die GLP argumentiert, eine Aufteilung zwischen Kanton und Gesundheitsinstitutionen binde beide Kostenträger gleich in die Ausbildungsverantwortung ein. Auch damit leiste der Kanton einen erheblichen Beitrag zur Weiterentwicklung der Ausbildung. Die EDU will auch nur 50 Prozent, fordert aber zugleich, dass die praktische Ausbildung auch für künftige Fachleute Gesundheit (FaGe) und Betreuung (FaBe) in gleichem Masse unterstützt wird.
2. Beiträge für Pflegefachpersonen in Ausbildung
Studierende an einer Höheren Fachschule oder Fachhochschule sollen Beiträge zur Sicherung des Lebensunterhalts erhalten. Der Kanton schlägt ein Modell mit rund 2500 Franken pro Monat für Personen ab 25 Jahren oder mit elterlicher Unterstützungspflicht vor. Die Begünstigten sollen ihren Wohnsitz im Aargau haben oder als Grenzgänger im Kanton arbeiten.
Als einzige Partei unterstützen die Grünen den Vorschlag des Regierungsrats kommentarlos. Die SP befürwortet die Beiträge, fordert aber, dass auch Ukraine-Flüchtlinge, vorläufig Aufgenommene und Personen mit Aufenthaltsbewilligung profitieren können. Hier gebe es ein grosses Potenzial, das mit der aktuellen Gesetzgebung brachliege, findet die SP.
Die Mitte und die EVP sind für solche Beiträge, wollen sie aber nicht auf Quer- und Späteinsteigerinnen beschränken. Aus ihrer Sicht sollten alle Studierenden profitieren, zudem solle die Alterslimite von 25 Jahren gestrichen werden. Auch die EDU (20 Jahre) und die GLP (unbestimmt) wollen eine tiefere Altersgrenze, um junge Menschen früher für den Pflegeberuf zu gewinnen.
Die SVP schreibt, mindestens müsse geprüft werden, wie nach einer finanziellen Unterstützung sichergestellt wird, dass diese Personen auch im Aargau im Gesundheitswesen arbeiten. Im Grundsatz befürwortet die FDP die Förderbeiträge an Auszubildende zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Die Kriterien und die Gruppe der Anspruchsberechtigten seien aber überkantonal abzustimmen.
Verzicht auf Studiengebühren an Höherer Fachschule?
Höhere Fachschulen oder dort Studierende sollen unterstützt werden, um die Zahl der Ausbildungsplätze zu erhöhen. Der Kanton stellt die Streichung oder Halbierung der Studiengebühren (heute 500 Franken pro Semester) zur Diskussion. Für eine vollständige Streichung sind SP, GLP, Mitte und EVP, dagegen sind SVP, EDU und überraschend die Grünen – die FDP sieht andere Prioritäten.
Für die Mitte ist der Lehrgang an der Höheren Fachschule de facto eine Grundausbildung, deshalb soll auf Studiengebühren verzichtet werden. Die EVP bewertet Studiengebühren nicht unbedingt negativ, spricht sich wegen der schwierigen Rekrutierung von Pflegenden aber dagegen aus. Die SP begründet ihr Ja zur Streichung nicht, begrüsst aber das Teilzeit-Studienmodell, das ebenfalls eingeführt werden soll. Die GLP glaubt, mit der Streichung könnten Menschen in die Ausbildung gebracht werden, für die Studiengebühren eine zu hohe finanzielle Hürde wären.
Die SVP kann sich «im Sinne eines Kompromisses» vorstellen, dass mit einer Reduktion um 50 Prozent «den Studentinnen und Studenten eine gewisse Wertschätzung entgegengebracht wird». Die EDU begründet ihre Position, die Studiengebühren nur zu halbieren, nicht näher. Die Grünen geben zu bedenken, dass ohne Gebühren «potenziell Studierende angezogen werden, die bei später auftauchenden Hürden schnell wieder aussteigen».
Die FDP findet, die Frage der Studiengebühren gehöre zu Punkt 2, davon würden nicht die Betriebe, sondern die Auszubildenden profitieren. Die Freisinnigen wollen das neue Studienmodell «Teilzeit» sowie Massnahmen zur Reduktion von Ausbildungsabbrüchen und zur Erhöhung der Abschlussquote prioritär behandeln.