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Sex und Politik: Glarner macht sich im Frauen-Podcast breit – und die Moderatorinnen lassen ihn gewähren

Im Podcast «Die Thronfolge» reden zwei Frauen eigentlich über schlüpfrige Themen. Nun haben sie SVP-Nationalrat Andreas Glarner eingeladen und versuchten sich in der politischen Debatte. Vergebens.

Normalerweise geht es um Sex. Die beiden ehemaligen Radio-Energy-Moderatorinnen Dara Masi und Karin Baerpark nehmen in ihrem Podcast «Die Thronfolge» kein Blatt vor den Mund. Sie besprechen Dickpics, Geschlechtskrankheiten, Lästereien, solche Sachen. Am besten passt das Konzept wohl ins Genre Laberpodcasts. Subgenre: schlüpfrig.

Nun wagen sich die beiden in neue Gefilde. Das solle kein Politpodcast werden, sagen Masi und Baerpark zu Beginn der neusten Folge. «Aber heute wird’s bitzli politisch.»

Sie wollen die Schweiz «tabuloser» machen, und darum dürfen «auch mal kontroverse Personen» auf dem Thron Platz nehmen. Den Anfang macht: SVP-Nationalrat Andreas Glarner. Einer, mit Baerparks und Masis Worten, der umstrittensten Rechtsaussenpolitiker der Schweiz. Dann folgt eine Triggerwarnung.

Glarner: «Ich komme gerne nochmals»

Das Ganze dauert fast anderthalb Stunden, und dafür, dass die Folge nur «bitzli politisch» werden sollte, geht es fast ausschliesslich um Politik. Irgendwann fragen Masi und Baerpark Glarner zwar schon noch, ob er mit Ü60 ein tolles Sexleben habe («Ja, super, ja würkli, jaja») und was seine Lieblingsstellung sei (keine Antwort).

SVP-Nationalrat Andreas Glarner.
Bild: Severin Bigler

Glarner sagt seltsame Dinge, wie dass er sich für seine erwachsenen Töchter wünsche, dass sie guten Sex hätten. Oder er sagt problematische Dinge, wie dass er froh ist um «den Service» der Prostitution, weil es sonst wohl mehr Vergewaltigungen gäbe.

Der Rest der Folge besteht aus politischen Diskussionen. Wirklich ernst und tiefgründig werden die beiden Moderatorinnen aber nie. Selbst dann nicht, als Glarner Karin Baerpark mehrmals anmacht. Alles hihi und haha.

Am Schluss fragt Baerpark kumpelhaft: «Und, findest du, wir waren ausgewogen genug in diesem Gespräch?»

Andreas Glarner: «Ich habe mich unglaublich wohlgefühlt!»

Baerpark: «Sicher?! Hm, okay. Dann haben wir’s falsch gemacht.»

Glarner, belustigt: «Ja, sorry. Ich komme gerne noch mal.»

Dara Masi: «Nächstes Mal streiten wir mehr. Jetzt haben wir uns erst angenähert.»

Glarner: «Klar, wenn es euren Podcast nach dieser Folge mit mir noch gibt.»

Glarner bleibt weitgehend unwidersprochen

Glarner bleibt unbedrängt. Masi und Baerpark versuchen zwar, ihn herauszufordern. Man spürt, dass sie glauben, genau das zu tun. Aber in den eigentlichen, kritischen Punkten lassen sie seine Aussagen unwidersprochen.

Sie stellen nicht infrage, ob es stimmt, wenn Glarner insinuiert, dass «die Ausländer» an Staus und Wohlstandsschwund schuld seien, dass es etwas wie «Überbevölkerung» oder «Asylmissbrauch» gibt. Dass man «die Wahrheit» sagen muss, oder, wie er nachschiebt, immerhin «das, was man für wahr hält». Die Moderatorinnen lassen gelten, dass er von «zivilem Widerstand» spricht, als er sich als Gemeindepräsident von Oberwil-Lieli weigerte, zehn Geflüchtete aufzunehmen.

Sie stocken nicht, als er im Trump-Jargon sagt, er wolle «unsere grosse Schweiz zurückholen». Oder wenn er beteuert, es gebe hierzulande durchaus rechtere Akteure als ihn, nämlich die Junge Tat, eine Gruppe gewaltbereiter Neonazis.

Glarner stellt sich als der Missverstandene dar, den die Zeitungen absichtlich negativ abbilden. Der «aneckt», weil er sich getraue, «Klartext» entgegen dem «Mainstream» zu reden. «Einige finden, du polarisierst, seist ein Wutbürger», sagt Dara Masi an einer Stelle. «Oder würdest du sagen, du bist einfach ehrlicher als andere?»

Etwas aufschlussreicher ist es, als das Trio über Geschlechteridentitäten redet. Hier scheinen die Moderatorinnen mehr zu wissen, und entgegnen ihm energischer. Wenn auch immer noch ohne seine Argumente wirklich zu entkräften.

Moderatorinnen verfehlen ihr Ziel

Was war nun das Ziel dieser Übung?

Offenbar wurden Masi und Baerpark schon vor der Ausstrahlung kritisiert, Glarner eingeladen zu haben. «Warum sollte man einem Menschen, der öffentlich Hetze gegen AusländerInnen, Trans*-Menschen und Linke betreibt, zu Wort kommen lassen?», schreiben sie selber in der Beschreibung der Folge.

Sie sagen, sie wollten Glarner kennenlernen, um zu sehen, was in ihm «schlummert». Sie wollten «Tabus» brechen. Dabei scheint ihnen entgangen zu sein, wie sie Glarner genau das tun liessen, worauf er abzielt: seine Ansichten zu verharmlosen.

Klar, mit rhetorisch geübten Politikern zu reden, ist schwierig. Aber die Moderatorinnen haben gewusst, was – wer – auf sie zukommt. Glarner sagt nichts Neues, es sind alles bekannte Haltungen und Phrasen. Von zwei Frauen, die sich politisch auf dem linken Spektrum verordnen, journalistische Erfahrung haben und sich Feministinnen nennen, darf erwartet werden, dass sie die teils schmerzhaft offensichtlichen Schwachpunkte in seiner Argumentation offenzulegen vermögen.

Gerade auch wegen ihrer Reichweite in den sozialen Netzwerken hätten sie sich die Mühe machen müssen, zu beweisen, dass sie mit ihm umgehen können. Stattdessen haben sie ihm den Gefallen getan, sich als sympathischen Vater darzustellen, der halt ein bisschen konservativ ist.