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Die Bombe Bührle tickt überall – Künstler auf der ganzen Welt fordern wegen umstrittener Politik ihre Werke zurück

Künstler wollen ihre Werke aus unrühmlichen Museen abhängen. Doch wie? Zurückkaufen, zu einem Trick greifen oder kriminell werden?

Üblicherweise ist die Basler Künstlerin Miriam Cahn kein ungeduldiger Mensch. Doch nun setzt sie ein starkes Zeichen: Die Malerin fordert vom Kunsthaus Zürich ihre Werke zurück. Sie, als Jüdin, protestiere gegen die Haltung des Museums, das sich weigere, die dunkle Vergangenheit der Sammlung Emil Bührle – internationalen Massstäben entsprechend – anzuerkennen. Die Künstlerin und ihre Galerien versuchen, Cahns Bilder aus dem Dunstkreis Bührle zu holen und zurückzukaufen.

Mit diesem Schritt in die Öffentlichkeit ist Miriam Cahn nicht allein. Weltweit beschuldigen immer mehr Künstlerinnen und Künstler grosse Museen, in zunehmende Abhängigkeit von privaten Sponsoren zu geraten.

Artwashing wäscht Waffengeschäfte blütenrein

Denn diese Gelder sind oft moralisch nicht einwandfrei. Und eine verbindliche Übereinkunft, wo «schmutziges Geld» beginnt, gibt es nicht. Hinlänglich bekannt ist allerdings: Ein Gutteil der Finanzströme, die den internationalen Kunstmarkt erst zu dem machen, was er (auch) ist – ein Anlagemarkt –, stammt aus Öl- und aus Waffengeschäften. «Artwashing» heisst das Phänomen.

Das Kunsthaus Zürich zum Beispiel: Es ist ein Haus von Weltruf vor allem dank der Sammlung des Waffenhändlers Bührle. In den USA wiederum wird das Whitney Museum in New York von einem Vorstandsmitglied unterstützt, das sein Geld mit der Herstellung des Tränengases verdient, das an der mexikanischen Grenze gegen Migranten eingesetzt wird. Der italienische Rüstungskonzern Leonardo sodann finanziert Ausstellungen im Londoner Design Museum. Die Liste zweifelhafter Kunst-Investoren lässt sich beliebig verlängern.

Am heftigsten ist wohl der Fall der US-amerikanischen Unternehmer-Familie Sackler. Ihre enormen Gewinne, die sie abrahmt (auch) aus dem Verkauf von süchtig machenden Schmerzmitteln, ist eine unverzichtbare Finanzstütze für mehrere grosse Museen. Mit etlichen Millionen Dollar unterstützen Sackler in New York das Metropolitan Museum und das Guggenheim. In Europa profitieren insbesondere die Tate Modern im London und der Louvre in Paris.

Mäzene mit vielen Feinden: Gegen die Firmen der Familie Sackler wird in den USA vielerorts protestiert.

Die Grosskünstler Ai Wei-Wei und ­Richard Serra, Nan Goldin an vorderster Front – die Fotografin war selbst abhängig von einem Sackler-Opiat – schreiben Protestbriefe: Die Bombe tickt, Bührle ist überall.

Was Kunst und Kriminalität verbindet

Briefe schreiben ist ein Versuch, Druck auf die Museen auszuüben. Denn wer ein Werk verkauft, verliert auch das Recht daran. Es zurückzukaufen, wie Cahn es versucht, ist der legale Weg. Aus Protest sein Kunstwerk im Museum eigenhändig abzuhängen, geht jedenfalls selten so leicht, wie es David Niven in «The Pink Panther» Glauben macht. Und darf kriminell werden, wer andere als kriminell outet?

Zur Tat jedenfalls schritt der afrikanische Aktivist Mwazulu Diyabanza. Er nahm das Thema Restitution von in der Kolonialzeit geraubtem Kulturgut in die eigene Hand. Am 12. Juni 2020 kaufte er sich eine Eintrittskarte für das Pariser Musée Quai Branly, behändigte aus der Ausstellung einen afrikanischen Begräbnispfosten aus dem 19. Jahrhundert – und schlenderte damit zum Ausgang.

Mwazulu Diyabanza Aktivist

Die Begründung war schlank und verständlich: «Der Umstand, dass ich mein Geld dafür bezahlen musste, etwas zu sehen, das gewaltsam dort weggenommen wurde und dahin zurück gehört, wo ich herkomme, hat aus einer Entscheidung eine Tat werden lassen.» Die Tat brachte ihn ins Gefängnis.

Auch die Brit-Art-Ikone Tracy Emin hat kürzlich ein Werk zurückgefordert, ein eigenes. Emin sagte, sie finde es beschämend, dass Boris Johnson mit seinen Garten-Partys während des Lockdowns seinen Landsleuten eine lange Nase zog.

Die Künstlerin fordert ihr Kunstwerk «More Passion» aus der Downing Street 10 zurück, das sie einst David Cameron geschenkt hatte. Nicht «more passion», sondern «conpas­sion» fehle der aktuellen Regierung, meinte sie. Womöglich trifft man sich nächstens zum Tee.

Tracey Emin: LED-Installation «More passion», die in der Downing Street 10 hängt.

Donald Trump hat’s erfunden: Fake Art

Gewitzter war demgegenüber der New Yorker Richard Prince. Der Maler und Fotograf wurde weltbekannt durch die Serie «Cowboys», die aus Ausschnitten von Marlboro-Anzeigen besteht. Um seinem Ärger über die Regierung von Donald Trump Luft zu verschaffen, entzog Prince einem Werk, das er zuvor dem Sammlerpaar Ivanka Trump und Jared Kushner verkauft hatte, die Autorenschaft. Ganz Ehrenmann, erstattete er den Kaufpreis zurück.

Der Clou: Prince teilte der Trump Family den Entzug der Autorenschaft via Twitter mit – und zwar im Stile des alten Meisters: «This is not my work. I did not make it. I deny. I denounce. This fake art.»