
Wie Gesundheitskosten sinken sollen – darum ist eine Aargauerin im Bevölkerungsrat gegen eine Zuckersteuer
Wie lassen sich die steigenden Gesundheitskosten am ehesten drosseln? Der Bevölkerungsrat packte das Problem an der Wurzel: Er stellte die Prävention in den Mittelpunkt seiner Arbeit. Das Gremium aus 100 zufällig ausgelosten Einwohnerinnen und Einwohnern hat sich in den letzten Monaten regelmässig getroffen, Reformvorschläge aus der Politik diskutiert und an neuen Ideen gefeilt.
Mit dem Projekt erforschen die beiden Universitäten Zürich und Genf, was ein solcher Rat zur Debatte und Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen beitragen kann – insbesondere eben in einem festgefahrenen Dossier wie der Gesundheitspolitik. Am vergangenen Wochenende nun stimmte der Bevölkerungsrat über seine besten Vorschläge ab. Die Kulisse: der Nationalratssaal.
Diskussionen in der Pause fortgeführt

Bild: Valentin Hehli
«Fast wie im richtigen Parlament» sei es zu- und hergegangen, erzählt Beatrice Adler, eine Teilnehmerin aus dem Aargau, am Montag am Telefon. Selbst in den Pausen, draussen in der Wandelhalle, hätten einige noch versucht, ihre Gspändli umzustimmen. Die AZ hatte die 53-Jährige aus Schwaderloch am Auftaktanlass im November begleitet.
Zehn Reformvorschläge haben es in die Schlussabstimmung geschafft. Dabei seien einzelne noch kurz vor Schluss angepasst worden, sagt die Fricktalerin. Etwa jener zum Zucker. Der Bevölkerungsrat stimmte letztlich über die Einführung einer Lenkungssteuer ab. Zwischenzeitlich stand auch zur Debatte, die Subventionen für den Zuckerrübenanbau zu streichen.
Adler lehnt beide Möglichkeiten für eine Regulierung ab, auch, weil sie davon als Abteilungsleiterin in einer Süsswarenfabrik direkt betroffen wäre: «Das würde alle unsere Produkte verteuern», sagt sie. So sei ihre Firma heute dazu verpflichtet, Schweizer Zucker zu kaufen, dank der Subventionen sei dieser etwa gleich teuer wie der aus Deutschland.
Rat wünscht sich Gesundheitszentrum
Prävention bedeutet für sie vor allem mehr Eigenverantwortung – eine Haltung, die sie bereits im November betonte und bis heute beibehält. Allerdings sei ihr Fachwissen dank des Projektes extrem gewachsen, insbesondere die Argumente der Gegenseite kenne sie viel besser als früher. «Die haben mich zwar letztlich nicht überzeugt, aber man muss sie trotzdem berücksichtigen», sagt sie.

Bild: zvg/Caroline Krajcir
Adler setzte sich besonders für drei Reformvorschläge ein, die darauf abzielen, das Gesundheitswissen in der Bevölkerung zu stärken. Unter anderem spricht sich der Bevölkerungsrat für ein nationales Gesundheitszentrum aus, das Angebote koordiniert. «Wenn ich für meine Firma einen Vortrag zu gesunder Ernährung organisieren will, melde ich mich bei dieser Stelle», skizziert Adler die Idee. Auch die Einführung eines Gesundheitsgesetzes, das die Zuständigkeiten regelt, befürwortete der Rat. Details zu den Vorschlägen und Abstimmungsergebnissen werden allerdings erst noch veröffentlicht.
Maja Riniker will «Politvirus» weitergeben
Mit dabei war am Samstag die neue Nationalratspräsidentin aus dem Aargau, Maja Riniker. Viel Zeit blieb ihr jedoch nicht – nach einem kurzen Austausch beim Kaffee und der offiziellen Begrüssung im Saal musste sie bereits weiter zum nächsten Termin. Sie unterstütze solche Projekte, die eine Plattform böten, um sich «mit dem Politvirus zu infizieren», sagt Riniker am Telefon.

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Sie hofft, dass der eine oder die andere nun motiviert ist, sich für den Einwohnerrat oder ein anderes Amt zur Verfügung zu stellen. Inwiefern die Reformvorschläge in die nationale Gesundheitspolitik einfliessen, werde sich zeigen, sagt die FDP-Politikerin. Die Auswirkungen dürften aber überschaubar bleiben. «Wir haben unsere etablierten Instrumente.»
Beatrice Adler ist infiziert. «Als ich am Sonntag im Zug heimfuhr, habe ich die Motivation gespürt, etwas zu machen», erzählt sie. Zwar will sie sich nicht für ein politisches Amt bewerben, aber lokal ein Projekt zur Gesundheitsförderung aufzugleisen, kann sie sich gut vorstellen. «An der Gemeindeversammlung sind wir jeweils 30 bis 35 Leute, da kannst du schnell etwas bewegen», sagt sie.