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20 Jahre «Germany’s Next Topmodel»: Warum mich Heidi’s «Määädchen» an Dinosaurier erinnern
Diese Woche startete die 20. Staffel von «Germany’s Next Topmodel» – und falls Sie jetzt denken «Was?! Das gibt’s immer noch?», dann sind Sie nicht allein. Aber wie ich in dieser Kolumne schon ein paarmal erwähnt habe, hat Trash-TV die Überlebensfähigkeit von Kakerlaken in einem Atomkrieg. Und so sucht Heidi Klum wieder mal unter Tausenden «Määädchen» (und mittlerweile auch Jungs) das nächste Supermodel. Spoiler: Es wird ihr wohl auch diesmal nicht gelingen. Doch das war auch noch nie das echte Ziel, schliesslich geht es nur um Einschaltquoten.
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Bild: Keystone
Aber wer genau schaut sich das in Zeiten von Streamingdiensten und Social Media eigentlich noch an? Stolperten nicht schon genug über den Laufsteg wie – Zitat Heidi – «ein Storch im Salat?»
Gab es nicht schon genug Heulkrämpfe beim Umstyling?
Wurden nicht schon genug Taschen zum Leben erweckt, wie Modelcoach Bruce Darnell es damals verlangte?
Offenbar nicht, denn unter dem Trailer der neuen Staffel stapeln sich in den Kommentaren auf Youtube die Herzchen-Emojis. Liege ich also einfach falsch? Möglicherweise. Bin ich zu alt dafür? Kann sein.
Natürlich habe ich die Möchtegern-Modelsuche über die ersten paar Staffeln auch verfolgt. Doch die neue Staffel konnte ich mir nicht mehr antun, ich habe kaum besagten Trailer geschafft.
Dass ich jetzt trotzdem über die Sendung motze, könnte man mir natürlich zum Vorwurf machen. Aber ich glaube, ich habe nicht allzu viel verpasst. Natürlich sehen das die Macher ganz anders und werben damit, dass die angehenden Models neuerdings nach Geschlecht getrennt werden. Laut Heidi haben sich nämlich «so viele grossartige Menschen beworben, dass nicht alle diese tollen Persönlichkeiten in einen einzigen Donnerstagabend passen».
Also liege ich noch an anderer Stelle falsch: Offenbar wollen immer noch Menschen auf diesem Weg ins Modelbusiness einsteigen – oder ihr Ticket für das nächste Dschungelcamp lösen. Darunter übrigens auch sechs Schweizerinnen und Schweizer.
Immerhin in einer Hinsicht bin ich positiv überrascht: «In der neuen Staffel sind auch Plus-Size-Männer», sagt Heidi. Das ist tatsächlich mal neu – und wie ich finde, höchste Zeit. Auch drei ältere Semester machen mit, wobei sich Heidi mehr gewünscht hätte, aber es gab offenbar zu wenig Bewerbungen. Als jemand, der sich an dieser Stelle mal kurz zu diesen älteren Semestern zählt, bin ich da nicht ganz so überrascht. Denn ich kann mit Stolz sagen, dass ich mich nach zwanzig Jahren doch ein bisschen weiterentwickelt habe. Im Gegensatz zur Sendung.
Denn trotz dieser angeblich bahnbrechenden Veränderungen: Noch immer grinst und quietscht sich Heidi durch die Show. Noch immer sitzen Promi-Gäste in der Jury, wobei ich zu behaupten wage, dass Naomi Campbell dabei etwas relevanter ist als Boris Beckers Sohn Elias. Doch noch immer hat all das Tamtam herzlich wenig mit der echten Modelwelt zu tun. Die einzige offensichtliche Veränderung: Jetzt darf auch Heidis Tochter Leni mitgrinsen – äh, mitmoderieren. Schön für sie.
In zwanzig Jahren wurde «GNTM» nicht anders, nur grösser, lauter und absurder. Bestes Beispiel: das Umstyling. Dass einer Kandidatin die hüftlangen Haare abgeschoren wurden, war irgendwann der einzige Grund, weshalb die Show überhaupt noch in den Schlagzeilen landete. In der US-Version war der Tiefpunkt der Absurdität erreicht, als männlichen Kandidaten allen Ernstes Haarverlängerungen und falsche Bärte angeklebt wurden. Doch wie heisst es so schön: Schlimmer geht immer.
So gesehen erinnert mich das Ganze immer mehr an «Jurassic World». Nicht nur, weil die Sendung quasi ein Dinosaurier in der Unterhaltungsbranche ist und längst ausgestorben sein sollte. Im Film sagt die Chefin des Dinosaurierparks auch, dass «normale» Dinosaurier nicht mehr reichen, um Zuschauer anzulocken. Sie sind zu langweilig. Stattdessen werden im Labor Monster herangezüchtet. Bei «Germany’s Next Topmodel» endet es glücklicherweise weniger blutig. Dafür manchmal umso peinlicher.
Und darum hat die Show noch etwas anderes mit dem Dino-Film gemeinsam. Genau wie es Jeff Goldblum im Original «Jurassic Park» sagte: Die Macher «waren so damit beschäftigt, ob sie es tun konnten, dass sie nicht überlegten, ob sie es tun sollten».