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Kylie Jenners Brüste und die Frage: Wie viel Wahrheit darf’s denn sein?

Kylie Jenners Brüste beschäftigen mich. Das ist ein Satz, von dem ich nie dachte, dass ich ihn mal auf die Tastatur hämmere. Aber mich beschäftigt nicht nur, ob Promis ihre Schönheits-OPs öffentlich machen müssen, sondern auch, dass ich in diesem Fall persönlich nachvollziehen kann, warum Kylie es nicht tat.

Kylie Jenner ist das jüngste Mitglied unter den Kardashian-Schwestern. Mit 16 hat sie sich die Lippen aufgespritzt und ewig lange erzählt, dass sie nur voller wirken, weil sie fett den Lippenstift drüberschmiert. Praktischerweise hat sie auch gleich ihre eigene Make-up-Marke gegründet, damit andere sich auch dicke Lippen schminken können. Obwohl das natürlich nicht funktionierte, hat sie sich eine goldene Nase damit verdient.

Jetzt hat sie in der familieneigenen Realityshow auch erzählt, dass sie sich mit 19 Jahren die Brüste hat machen lassen. Das überrascht zwar niemanden, denn jeder mit Augen im Kopf konnte sehen, dass da plötzlich mehr Kurven waren. Und doch waren die Klatschspalten voll mit ihrem «Geständnis». Vor allem, weil sie es jahrelang abgestritten hat.

Das wirft die ewige Frage auf: Müssen Promis es öffentlich machen, wenn nicht mehr alles an ihnen natürlich ist? Ich finde: Es kommt darauf an. Genau wie wir haben Promis ein Recht auf Privatsphäre. Aber es gibt eine Ausnahme: Wenn die Veränderung offensichtlich ist und jemand plötzlich komplett anders aussieht.

Genau wie wenn sie ihre eigenen Fotos bearbeiten und nicht dazu stehen, wecken Promis ab einem gewissen Punkt falsche Erwartungen. Ausserdem tragen sie dazu bei, dass Schönheits-OPs immer noch als etwas gelten, wofür man sich schämen muss. Und irgendwann verlieren sie jegliche Glaubwürdigkeit und werden zum Witz. Kylies Schwester Khloé ist der traurige Beweis dafür.

Khloé Kardashian ist mittlerweile fast berüchtigt für ihren Enthusiasmus in Sachen Photoshop.
Bild: Twitter

In Kylies Fall kommt noch ein Punkt dazu: Sie schlug aus ihrer Lüge Profit. Genau wie mit ihrem Lippenstift hat sie zuerst alles abgestritten. Ein «Victoria’s Secret»-BH sei «schuld». Dann ihre Periode. Und dann eine Creme, die sie gleich selbst verkaufte.

So bescheuert das auch war, kann ich nachvollziehen, warum sie ihre OP damals nicht öffentlich zugegeben hat. Denn ich habe mir ebenfalls mit 19 Jahren die Brüste operieren lassen. Ohne zu sehr ins Detail zu gehen: Ich war nicht glücklich, ich hatte die Gelegenheit, es zu ändern, und habe es getan. Erzählt habe ich das damals aber nicht mal einer Handvoll von Menschen. Ich habe mich nicht geschämt, aber es war mir trotzdem unangenehm. Als junge Frau wollte ich nicht, dass etwas so Intimes öffentlich wird. Heute, fast 20 Jahre später, ist mir die Meinung anderer allerdings ziemlich wurst. Mein Geld, mein Körper, meine Entscheidung.

Aber in Kylie Jenners Fall war es eben vielleicht nicht ausschliesslich ihre Entscheidung. Und das macht das Ganze fast tragisch. Als 2007 die erste Folge von «Keeping Up With The Kardashians» über die TV-Bildschirme flimmerte, wurde Kylie mit 9 Jahren ins Rampenlicht und in eine Welt geworfen, die wenig mit Realität, Natürlichkeit oder einem gesunden Selbstbild zu tun hatte. Während alle anderen Familienmitglieder erwachsen waren und dieser Show zugestimmt hatten, waren sie und ihre Schwester Kendall Kinder, die vom ersten Moment an von Fremden beurteilt und sexualisiert wurden.

Kylie und Kendall in der ersten Staffel von «Keeping Up With The Kardashians».
Bild: Screenshot

Beide hatten keine Chance, dem unmöglichen Schönheitsideal ihrer Familie zu entkommen. Während Kendall mit 14 Jahren dank Mamas Kontakten eine Karriere als Model startete, wurde Kylie von eben derselben Mama vor laufender Kamera ausgelacht, als sie ihrer Schwester auf den Catwalk folgen wollte.

Arme, arme Kylie? Nicht ganz. Ich tröte hier nicht lauthals die «Mitleidstrompete» für sie. Sie und ihre Familie finanzieren sich mit ihrem auf Hochglanz polierten Teufelskreis ein Luxusleben, indem sie ihre eigenen Unsicherheiten wegoperieren und fröhlich ihren Fans weiterreichen. Und vermutlich auch an ihre eigenen Kinder.

Apropos: Hier überrascht mich Kylie doch noch mit ihrem «OP-Geständnis». Sie bereut ihre Eingriffe, und sie hofft, dass ihre Tochter Stormi nicht denselben Weg geht: «Es würde mir das Herz brechen, wenn sie das mit 19 machen liesse.» Denn: «Ich wünschte, ich könnte sie sein und noch mal ganz von vorne anfangen. Dann würde ich nichts ändern.»

Bleibt zu hoffen, dass Stormi in ein paar Jahren nicht dasselbe über sich erzählt, sondern wirklich ihre eigene, wohldurchdachte Entscheidung fällen kann, falls sie irgendwann etwas an sich ändern lassen will. Andernfalls werden wir es garantiert erfahren. Leider.