Schneewittchen schmeisst den Prinzen raus: Hollywood und das Problem mit der Gleichberechtigung
Hat Hollywood es auf Männer abgesehen? Davon sind manche überzeugt, weil Männer in der Filmwelt nicht mehr immer die heldenhaften Supermänner sind. Mir fällt zu dieser Frage ein Zitat von Mark Wahlberg im Film «The Departed» ein, das zwar nichts mit dem Thema zu tun hat, aber trotzdem zur Situation passt: «Maybe. Maybe not. Maybe f… yourself.» Denn ganz so einfach ist es nicht.
Maybe: Ja, manchmal kommen Männer (auch) drunter
Die «Sex and the City»-Macher wollen mit «And Just Like That» den alten Serienerfolg ums Verrecken wiederholen und bastelten darum auch ein Comeback von Carries Ex-Lover Aiden in die neue Staffel. Doch vorher verdonnerten sie den Schauspieler John Corbett zu einer Diät. Das erzählte ein Produzent kürzlich in einem Podcast – und zwar erstaunlich stolz: «Wir haben ihm ein Makeover verpasst. Wir haben ihm die Haare geschnitten und gesagt, er müsse steinhart sein, wenn er zurückkommt.»
Dafür erntet der Produzent viel Lob. «Du bist einer der wenigen, die Männer dazu zwingen, ins Fitnessstudio zu gehen und ihnen ein wenig Druck zu ihrem Aussehen machen. Meistens gilt das nur für weibliche Stars», heisst es im Podcast, und zahlreiche Kommentare stimmen zu. Ich frage mich dagegen: Wie bitte?
Klar: Seit es Filme gibt, wird Schauspielerinnen gesagt, wie sie auszusehen haben. Vor allem jung und schlank. Und das ist natürlich unter aller Sau. Es ist aber auch nicht neu, dass beispielsweise Marvel-Helden sich um jeden Preis Muskeln antrainieren müssen – oder sogar zu Steroiden greifen –, um die verlangte Perfektion zu erreichen. Aber wer zur Hölle freut sich bitteschön darüber, dass Männer so behandelt werden, nur weil Frauen das schon lange ertragen müssen? Wäre es nicht wünschenswert, dass dies niemandem passiert?!
Maybe not: Ein Blickwinkel ist nicht männerfeindlich
Der «Barbie»-Film macht derzeit vor allem Schlagzeilen, weil manche Männer wie zweijährige Rotzlöffel rumheulen, wie schlecht Ken (und damit offenbar Männer per se) dargestellt wird. Es sei «feministische Propaganda», weil Ken nur die zweite Geige spielt. Oder wie Piers Morgan in der «New York Times» schreibt: «Wenn ich einen Film machen würde, der Frauen als nutzlose Dummköpfe verspottet, das Matriarchat ständig angreift und alles Feministische als giftigen Blödsinn darstellt, würde ich nicht nur abgesetzt, sondern hingerichtet werden.»
Dabei beschreibt er genau das, was Filme für lange, lange, lange Zeit gemacht haben. Hier finde ich das Argument richtig, dass Männer erst seit fünf Minuten den Blickwinkel von Frauen erleben. Es ist nur ein Einblick in eine Situation, und das ist nicht männerfeindlich.
Maybe f… yourself: Wenn der (maskuline) Vogel abgeschossen wird
Das neuste Beispiel in dieser Diskussion liefert wieder mal eine Disney-Realverfilmung. Schneewittchen soll jetzt nämlich nicht vom Prinzen gerettet werden, sondern sich stattdessen selbst verwirklichen. Und schon wieder schreien manche Menschen etwas von «feministischer Propaganda», weil Disney was gegen Romantik habe. Ernsthaft?
Was genau hatte Schneewittchen jemals mit Romantik zu tun? Ihre Stiefmutter hat sie abgemurkst, ein Prinz hat sich in ihre vermeintliche Leiche verliebt, diese geküsst und sie so quasi aus Versehen wieder zum Leben erweckt. Und ohne auch nur ein Wort hat er sie mit auf sein Schloss genommen. Happy End?
Ich habe also grundsätzlich nichts dagegen, dass Schneewittchen zum Girlboss mutiert. Ich fand sie schon als Kind eine dumme Nuss ohne Persönlichkeit. Aber muss man gleich den Prinzen wegradieren?
Wäre es nicht möglich gewesen, ihn ebenso zu modernisieren und die Beziehung etwas gesünder zu machen? Vielleicht hätten sie sogar mal miteinander geredet, bevor sie gleich heiraten! Das wäre zumindest ein gutes Vorbild für Mädchen und Jungs, die dann als Erwachsene vielleicht nicht aufeinander herumtrampeln müssen. Denn ich dachte immer, Gleichberechtigung bedeutet, dass wir alle gleich gut behandelt werden. Nicht gleich schlecht.