In einem Monat steigen wieder die Oscars – interessiert das noch wen?
Nicht alle sind von der Promiwelt so angefressen wie ich, aber viele Menschen klicken am Tag danach auf die zahlreichen Artikel, um zu sehen, wer an den Oscars gewonnen hat – und viel wichtiger – was passiert ist. Denn eigentlich sind die Gewinner zweitrangig. Wir sind scharf auf Skandale, Kleider, Unterhaltung!
Darum wird Social Media schon im Voraus geflutet: Wer wurde nominiert? Wer hat es verdient zu gewinnen? Und wer nicht? Dreckwäsche aus der Vergangenheit wird ausgegraben und Menschen – und Medien – zerreissen sich das Maul darüber.
So wie aktuell bei Karla Sofía Gascón. Die Spanierin könnte die erste transsexuelle Schauspielerin werden, die einen Oscar gewinnt. Und natürlich wurde sie dafür gleich von konservativer Seite heftig angefeindet. Doch dann kamen alte Tweets ans Tageslicht, die gewaltig islamophob und rassistisch klangen. Und damit war auch die «woke» Seite in Aufruhr. Darf so jemand einen Oscar gewinnen?
Andererseits bekam Will Smith sein Goldmännchen vor drei Jahren, nachdem er Chris Rock vor den Augen der Welt eine schallende Ohrfeige verpasste. Schliesslich musste die Show ja weiter gehen. Spätestens da war klar, wie lächerlich das Ganze tatsächlich ist. Und wie unwichtig.
Doch in diesem Jahr kommt noch eine andere Diskussion hinzu: Sollte die Show überhaupt stattfinden? Schliesslich ist Los Angeles vor ein paar Wochen fast abgebrannt.
Dazu veröffentlichte der «Hollywood Reporter» bereits Mitte Januar einen Artikel mit dem Titel: «Wie die Oscars 2025 Los Angeles (und sich selbst) retten können». Darin schlägt der Autor vor, das Feuer zum Thema zu machen, aus der Show sogar eine Spendenaktion zu basteln, in der Betroffene an der Seite von Stars über den roten Teppich gehen sollen. Aber ganz ehrlich: Wer will das bitteschön sehen? Ich bin nicht herzlos, für Los Angeles war das Feuer eine Tragödie. Für den Rest der Welt, aber nur eine von vielen. Und so eine Tränendrüsen-Aktion prügelt höchstens das letzte bisschen Magie aus dem Event. Ein bisschen wie bei der Ohrfeige von Will Smith.
Trotzdem fände ich es tatsächlich immer noch schade, wenn die Show verschwinden würde.
Natürlich sind sie komplett unwichtig, aber mit den Oscars können wir die echte Welt für einen Moment vergessen. Stattdessen tauchen wir in eine Fantasie ein oder verurteilen hässliche Kleider, die mehr kosten als so manche Monatsmieten.
Es geht um die Show, das ganze Tamtam, die Emotionen! Und manchmal schleicht sich sogar ein bisschen Realität ein. Michael Moore griff in seiner Dankesrede 2003 den damaligen Präsidenten an: «Wir sind gegen diesen Krieg, Mr. Bush!» Fand ich fabelhaft!
Ke Huy Quan erzählte in seiner Dankesrede, wie er als Flüchtling in die USA kam und rief unter Tränen: «Mama, ich habe gerade einen Oscar gewonnen!» Gänsehaut pur! Das funktionierte, weil es echte Emotionen waren. Nicht geheucheltes Blabla.
Darauf sollten sich die Oscar-Veranstalter konzentrieren. Gebt uns Brot und Spiele, wie es schon im alten Rom hiess. Lenkt uns ab, statt uns noch mehr Realität in den Hals zu rammen. Davon haben wir mehr als genug. Und vielleicht könnte man die gefühlt 27 Stunden lange Show auch etwas kürzen. Genau wie Moderator Ricky Gervais es an den Golden Globes 2020 so schön sagte: «Wenn ihr gewinnt, holt euren kleinen Preis, sagt danke und haut wieder ab.»