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Leonardo DiCaprios Freundin will nicht «Leonardo DiCaprios Freundin» sein – ist das jetzt feministisch oder lächerlich?

Jung, hübsch, namenlos: Leonardo DiCaprio datet Models. Auch seine aktuelle Freundin ist eines, doch sie will nicht mehr nur sein Anhängsel sein.

Vittoria Ceretti ist ein erfolgreiches Model. So erfolgreich, dass sie nicht nur auf dem Cover der aktuellen französischen Vogue zu sehen ist, sondern darin sogar noch etwas plaudern darf. Ausserdem ist sie die Freundin von Leonardo DiCaprio. Doch genau so will sie nicht genannt werden, wie sie in dem Interview erzählt. Und wie titelte daraufhin die Klatschpresse? «Leonardo DiCaprios Freundin plaudert über Beziehungsdetails!» Ups.

«Sobald du mit jemandem zusammen bist, der eine grössere Gefolgschaft hat als du, wirst du zur ‹Freundin von› oder zum ‹Freund von› – und das kann extrem nervig sein», sagt sie. «Plötzlich reden alle über dich als die Freundin von jemandem, die die Ex von soundso war.» Man bekomme einfach diesen Stempel auf die Stirn geklatscht.

Die Sache mit dem «Freundin von» gibt es auch umgekehrt. Ich wage zu behaupten, dass die allermeisten ausserhalb der USA Footballstar Tom Brady vor allem als «(Ex-)Mann von Gisele Bündchen» kennen. Schlichtweg, weil Football bei uns kein grosses Thema ist. Denn oft ist es genau wie Ceretti selbst sagt: Wer weniger berühmt ist, ist das Anhängsel.

In den USA ist Tom Brady ein Star, in Brasilien ist er vor allem «Gisele Bündchens Ex-Mann».
Bild: Keystone

Trotzdem ist es bei Frauen anders. Das Problem liegt darin, dass sie vor nicht allzu langer Zeit nichts anderes sein konnten als «Frau von». Ihre Errungenschaften – wenn sie denn überhaupt die Möglichkeit dazu hatten – wurden heruntergespielt oder schlichtweg ignoriert. Dafür gibt es viele historische Beispiele. Und wohl noch viele mehr, von denen wir nie erfahren werden.

Elizabeth Magie erfand Anfang des 20. Jahrhunderts «The Landlord’s Game», doch Charles Darrow stahl die Idee und verkaufte sie unter dem Namen «Monopoly».

In den 1950er-Jahren verkaufte Walter Keane die Bilder seiner Frau Margaret Keane unter seinem eigenen Namen und zwang sie, für ihn zu malen. Als sie ihn nach der Scheidung verklagte, mussten sie zum Beweis beide vor Gericht ein Bild malen. Margaret gewann.

James Watson und Francis Crick gelten als Entdecker der DNA-Doppelhelix. Doch aufgedeckte Dokumente belegen, dass sie Daten von Physikochemikerin Rosalind Franklin entweder gestohlen oder unerlaubt benutzt und 1962 den Nobelpreis gewonnen haben, ohne sie zu erwähnen.

Sängerin Nicole Scherzinger hatte 2010 die Idee, «X Factor»-Kandidaten Harry Styles, Louis Tomlinson, Niall Horan, Zayn Malik und Liam Payne zu einer Boygroup zusammenzustellen. Doch Musikproduzent Simon Cowell behauptete jahrelang, dass er darauf gekommen sei. 2022 bewiesen bisher unveröffentlichte Aufnahmen die Wahrheit.

Kein Wunder, reagieren Frauen auch heute empfindlich auf diesen «Titel». 2016 ging der Tweet der «Chicago Tribune» viral, weil die Zeitung schrieb: «Frau von Bears-Spieler gewinnt Bronze an den Olympischen Spielen in Rio.» Autsch! Der Shitstorm wütete, und genau wie ich es jetzt tue, kommt dieser monumentale Griff ins Klo immer wieder zur Sprache.

Vermutlich erachtete die Zeitung aus Chicago ihren lokalen Sporthelden schlichtweg als bekannter. Aus ihrem Blickwinkel wirkte es wohl logischer und war nicht böse gemeint. Aber es bleibt strunzdumm. Sie hätten zumindest ihren Namen erwähnen müssen: Corey Cogdell-Unrein.

Auch in der Promiwelt ist das gang und gäbe. Bei den Golden Globes 2015 meinte Moderatorin Tina Fey: «George Clooney hat Amal Alamuddin geheiratet. Sie ist eine Menschenrechtsanwältin, die Kofi Annan in Syrien beriet und in eine dreiköpfige UN-Kommission zur Untersuchung von Verstössen gegen das Kriegsrecht im Gaza-Streifen berufen wurde. Ihr Mann erhält heute Abend einen Preis für sein Lebenswerk.»

Das heisst nicht, dass er seinen Preis nicht verdient hat. Aber trotz ihrer Leistungen wird Amal bis heute oft als «Frau von George Clooney» bezeichnet, weil er – aus Gründen, die hier leicht den Rahmen sprengen würden – berühmter ist als sie. Wie ist das erst bei einem jungen Model, dessen Superstar-Boyfriend dafür bekannt ist, reihenweise junge Models zu daten?

Nichts gegen ihren Beruf – schliesslich hat sie sich damit eine Karriere aufgebaut. Dagegen hätte Heidi Klum für mich garantiert kein Foto. Auch, weil ich ungefähr 20 Jahre zu alt und 17 Meter zu kurz bin. Aber für uns Aussenstehende ist sie tatsächlich nicht viel mehr als «Leonardo DiCaprios Freundin». Gibt es Schlimmeres? Ja. Kann es trotzdem nerven? Absolut. Genau darum hat Vittoria Ceretti den Mund aufgemacht und das gesagt. Das kann man unwichtig und lächerlich finden, doch zumindest ich weiss jetzt, wie Leonardo DiCaprios Freundin heisst.