Taylor Swift kommt an die Uni Basel – als Seminarthema
Ein besseres Jahr als sie hatte 2023 kaum jemand. Letztes Jahr wurde Taylor Swift von der Zeitschrift «Time» zur Person des Jahrs ernannt. Damit zählt sie zu einer illustren Runde, der etwa Angela Merkel oder Wolodimir Selenski angehören.
Als im Sommer der Vorverkauf für Swifts diesjährige Schweizer Konzerte losging, waren die Tickets innert kürzester Zeit ausverkauft. Swifts aktuelle «Eras Tour» gilt inzwischen als umsatzstärkste Konzerttour aller Zeiten.
Der gesellschaftliche Einfluss des Popstars ist mittlerweile so gross, dass ein Moderator des amerikanischen Senders Fox News neulich insinuierte, Swift werde vom Pentagon gesteuert, um Wählerinnen und Wähler für die Demokraten zu mobilisieren. Inzwischen beschäftigt die Musikerin auch die akademische Welt. Nicht nur an Universitäten in Texas oder Belgien, sondern selbst an Eliteunis wie Harvard gibt es Seminare über die Sängerin – und seit kurzem auch am Rheinknie.
Ein Seminar als Konzert-Warm-up
In einem Anglistikseminar an der Uni Basel können sich die Studierenden dieses Frühjahr ein Semester lang vertieft mit Swifts Songtexten auseinandersetzen. Der Kurs fängt mit dem ersten Album von 2006 an und endet mit dem Album «Midnights» von 2022.
Die Idee dazu kam dem Anglistikdozenten Andrew Shields, als er gemeinsam mit seiner Familie Tickets für das diesjährige Taylor-Swift-Konzert in Zürich ergattern konnte: «Ein literaturwissenschaftliches Seminar zu Swift schien mir die ideale Vorbereitung dafür», so Shields, der das Seminar gemeinsam mit der Literaturwissenschaftstudentin und Schriftstellerin Rachael Moorthy leitet.
Das Interesse der Studierenden am Kurs ist gross. «Momentan haben sich 64 Personen angemeldet», erklärt Shields. «Wir mussten einen grösseren Raum beantragen, der bis zu 92 Personen Platz bietet.» Wenn sich noch mehr Personen meldeten, müsse man jedoch nochmals umziehen.
Die Gestaltwandlerin Taylor Swift
Nicht alle teilen diese Begeisterung. «Als ich den Kurs auf Facebook ankündete, gab es mehrere negative Kommentare», so der Dozent. «Swifts Erfolg liege doch bloss an einem guten Marketing, schrieben einige.»
Wer die angebliche Seichtheit der Musikerin moniere, stosse in ein ähnliches Horn wie einst in den 1960ern diejenigen, die die Popularität der Beatles kritisierten. «Hätte ich ein Seminar über jene Band angekündigt, hätte es vermutlich nur positive Reaktionen gegeben», sagt der Dozent.
«Zudem», ergänzt Rachael Moorthy, «ist Swifts Marketingerfolg eng mit ihrer Fähigkeit verknüpft, sich mit jedem Album neu zu erfinden und in verschiedene Rollen zu schlüpfen – was sich auch in ihren Songs zeigt.»
Songs voller cleverer Anspielungen
Doch haben diese Songtexte auch einen literarischen Wert? Durchaus, findet Moorthy: «Wer behauptet, die Texte seien mittelmässig, hat sich noch nie detailliert damit beschäftigt», so die Autorin.
«What should be over burrowed under my skinIn heart-stopping waves of hurtI’ve come too far to watch some namedropping sleazeTell me what are my words worth»
Swifts Song «The Lakes» etwa sei eine Auseinandersetzung mit den romantischen «Lake Poets», die im 19. Jahrhundert im Nordwesten Englands aktiv waren. Der Song sei voller cleverer Wortspiele, die zum Beispiel auf den Dichter William Wordsworth anspielen würden.
«Swifts Texte waren vom ersten Album an literarisch reichhaltig», ergänzt Andrew Shields, «im Gegensatz etwa zu den frühen Beatles.» Sie sei ausserdem eine begnadete Geschichtenerzählerin. Das liege auch an ihren Wurzeln in der Countrymusik.
Ausserdem hätten viele Songtexte auch Humor, ergänzt Moorthy: «Leider wurden viele der bissigeren, witzigeren Songs ursprünglich nicht veröffentlicht. Vermutlich glaubten die Plattenlabels, sie passten nicht zu einer jungen Popsängerin.» Erst mit den Neueinspielungen von Swifts alten Alben seien diese bislang unveröffentlichten Songs jetzt ans Licht gekommen.
Der Seichtheitsvorwurf hat eine lange Tradition
Wenn über Swift geschnödet werde, hänge dies mindestens teilweise auch mit ihrem Geschlecht zusammen, glaubt die Autorin. «Die Kritik, dass Swifts Musik zu zugänglich und daher seicht sei, ähnelt der Kritik, die es Ende des 18. Jahrhunderts an der ‹Lesesucht› von Frauen gab, die angeblich triviale Romane lasen.»
Dabei habe Swifts Werk auch eine feministische Seite. In ihrem Song «Mad Woman» etwa setze Swift die Kontroversen, die es früher um sie gab, in eine Reihe mit dem Topos der «hysterischen» oder verrückten Frau. Ein Bild, das aufgrund der hiesigen Hexenprozesse – Stichwort Anna Göldin – auch in den Schweizer Literaturkanon eingegangen sei.
«And there’s nothin’ like a mad womanWhat a shame she went madNo one likes a mad womanYou made her like that»
Trotz ihres Interesses an der Musikerin betonen beide Dozierenden, keine unkritischen «Swifties» zu sein. «Wenn Studierende glauben, in unserem Seminar ginge es 14 Wochen lang nur darum, wie toll Taylor Swift ist, dürften sie enttäuscht werden.» Noch unklar sei der Leistungsnachweis. «Wir sind für vieles offen – selbst für Coverversionen», schmunzelt der Dozent.