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«Je blütter, desto…»: Peach Weber über die versexte Welt der Jugendlichen und wie sich das rächen könnte

In seiner Gastkolumne schreibt Komiker Peach Weber über ein ernsthaftes Thema. «Wir sind in einer Zeit gelandet, in der es praktisch keine Tabus mehr gibt», stellt er fest – und stellt Vergleiche zu früher an.

Sie könnten nun von einem Komiker erwarten, dass er zuerst einen Witz erzählt, und Sie liegen richtig. Der Lehrer fragt die Schüler nach den Berufen ihrer Väter. Als David an der Reihe ist, sagt er: Mein Vater ist Pornodarsteller. Der Lehrer antwortet darauf: David, ich weiss, dass das nicht stimmt, nenne bitte den richtigen Beruf. David: Mein Vater ist Politiker, aber ich habe mich geschämt, die Wahrheit zu sagen.

Denken Sie ja nicht, es käme ein billiges Politiker-Bashing, nein, es geht darum, dass es heute schon fast normal ist, wenn ein Teenager als Berufswunsch «Pornodarsteller» angibt.

In einer Zeit, da 15-jährige Influencer-Gören mit aufgespritzten Lippen und zwei Botox-Airbags in der Grösse «Wassermelone», oft von aufblasbaren Sexpuppen kaum zu unterscheiden, die höchsten Klicks und Followerzahlen haben, da gilt: Je blütter, desto Chlütter!

Natürlich finde ich es gut, dass wir uns aus der verklemmten Zeit von vor vielleicht siebzig Jahren herausgearbeitet haben. Der Aufruhr, den der erste nackte Busen auf der Titelseite eines Magazins auslöste, war genauso übertrieben, wie es heute die völlige Hemmungslosigkeit ist, welche vor allem durch das Internet beflügelt wurde.

Ich kann mich noch gut erinnern an das freudige Gefühl, wenn wir bei der Altpapiersammlung als Jungwächtler aus einem Bündel eine Seite des «Playboy» herauszupfen konnten. Das war eine perfekte Ergänzung zur Aufklärung mit Bienen und Blümchen.

Mir kommt auch ein Kinobesuch unserer Schule in den Sinn. Es lief der italienische Schwarz-Weiss-Film «Fahrraddiebe». Da fuhren zwei verliebte Teenager an den Waldrand und stellten ihre Fahrräder an einen Baum. Die Kamera schwenkte zum Himmel, noch bevor die zwei im Gebüsch verschwanden. Man sah nur die zwei Fahrräder (welche nicht mal Petting betrieben). Ein Lehrer sprang auf, forderte lauthals, der Film sei sofort zu stoppen, und der Film wurde gestoppt. Erst als dem hysterischen Mann von anderen Lehrern versprochen wurde, dass diese zwei Velos nicht doch noch auf Kopulations-Gedanken kämen, lief der Film weiter.

Unter uns gesagt, der Aufbrauser war zufällig jener Lehrer, von dem im Dorf gemunkelt wurde, dass er bei Mädchen im Turnen am Barren schon sehr intensive Hilfestellung leiste. Dies zur damaligen Doppelmoral.

Ich bin der Letzte, der sich nach dieser Zeit der Zensur zurücksehnt, aber wir Menschen haben immer die Tendenz, von einem Zustand ins komplette Gegenteil zu fallen. So nach dem Motto: Wenn das eine nicht richtig ist, ist sicher das genaue Gegenteil richtig.

So sind wir heute in einer Zeit gelandet, in der es praktisch keine Tabus mehr gibt. Es gab mal eine andere Zeit, da war es chic und progressiv, Tabus zu brechen. Der Berufsstand der Tabubrecher hat es heute schwer. Man kann heute füdliblutt im Handstand durch Zürich laufen, es wird kaum jemand gross Notiz davon nehmen.

Es stört scheinbar niemanden, dass auch ein 6-Jähriger heute problemlos auf allen Pornoseiten herumsurfen kann, er muss nur auf der ersten Seite das Feld anklicken und bestätigen, dass er über 18 ist. Eine brutal gute Kindersicherung. Den Link zu den Seiten findet er ja oft in Papis Computer unter dem Verlauf.

Vorbilder für Teenies sind heute Frauen, die auf dem Arbeitsmarkt nicht zu gebrauchen wären, aber Klick-Millionärinnen sind, weil sie schon kleinen Mädchen beibringen, wie man sich sexy schminkt, damit schon im Kindergarten die Buben rammlig werden. Diese können, dank Frühenglisch, auch die zum Teil idiotischen Texte der Rapper verstehen, und das Resthirn wird ihnen dann noch von Tiktok weggeblasen.

Das tönt jetzt alles sehr prüde, es geht mir aber nur um unsere Kinder. Erwachsene können von mir aus tun, was sie wollen, doch wir lassen Kinder ungehindert solchen Schrott konsumieren. Es wird mit ihnen etwas machen, aber die Folgen werden wir halt erst Jahre später sehen … und büssen.