Die Stimme des EHC Olten: Warum Mige Stalder seit über zehn Jahren Stadionspeaker ist
Wenn Mige Stalder im Stadion Kleinholz ankommt, sich auf den Weg macht zu seinem Platz als Stadionspeaker wenige Zentimeter vom Eis entfernt und hinter sich die Türe des Kabäuschens schliesst, dann taucht der 42-Jährige ein in seine eigene Welt. «Es macht einfach grossen Spass. Da kann ich alles um mich herum vergessen. Dann bin ich in meinem Element», sagt er.
Seine langgezogenen «Hooopp Oooute»-Ausrufe zu passenden –oft brenzligen – Spielphasen sind derart legendär, dass diese das Kleinholz mit der Unterstützung der Fans für einen Moment lang zum Beben bringen. So mancher EHCO-Fan will an den Spieltagen mit Mige Stalder am Mikrofon eine besonders aktive Stimmung im Stadion ausmachen.
Ja, Stadionspeaker Mige Stalder ist gar über den EHC Olten hinaus ein Begriff. Jüngst reagierte Neo-Import Guillaume Asselin fast ein wenig pikiert darauf, als Eliot Antonietti ihm Mige Stalder mit den Worten vorstellte: «Er ist unser Speaker.» Jaja, das wisse er natürlich. Stalder zeigte sich erstaunt, genauso wie damals, als ihm ein Neuzugang sagte, dass er sich vor allem auch auf ihn gefreut habe, nach Olten zu wechseln. «Das ist einfach eine grosse Freude. Man ist so nahe dran, als Speaker ist man ein Teil des Klubs. Für mich ist es eine Ehre und ein Stolz, die Stimme des EHC Olten sein zu dürfen», sagt Mige Stalder.
Speakern sei für ihn eine aufregende Sache. «Ich sauge in diesen drei Stunden alles auf. Ich gehe voll mit und ich tue mich jeweils nach einem intensiven Abend auch schwer damit, einzuschlafen», gesteht Mige Stalder. Das Adrenalin spüre er dann jeweils bis weit nach Spielschluss.
Trashtalk mit den Ex-Oltnern
Speakern sei für ihn auch viel mehr als bloss die Aufstellungen der beiden Teams zu verkünden. «Man erlebt immer sehr viele spannende Sachen und lernt drumherum viele Leute kennen.» So besteht etwa ein Whatsapp-Gruppenchat mit allen Speakern der National League und Swiss League – man kennt sich und trifft sich ein Mal jährlich. Während sowie vor und nach den Spielen pflegt Stalder auch mit den Schiedsrichtern einen regen Austausch.
Und hin und wieder lässt er es sich nicht nehmen, die Türe des Kabäuschens zu öffnen und mit den gegnerischen Spielern, die eine Strafe absitzen, gar in den Trashtalk zu gehen. «Natürlich nur mit jenen Spielern, die eine Olten-Vergangenheit haben und ich gut kenne», erzählt Stalder und fügt in seiner lockeren Art ironisch hinzu: «Da tauscht man dann natürlich besonders nette Worte aus.»
Als etwa Stefan Mäder, mittlerweile bei Visp unter Vertrag, vergangene Saison im Kleinholz wiederholt auf der Strafbank Platz nehmen musste, da meinte Stalder kurzerhand zu ihm: «Du bist ja auch ziemlich unfair geworden.» Mäder sandte den Giftpfeil zurück. «Die Ex-Oltner wissen ja, wie ich ticke. Man versucht sie in diesen Momenten ein bisschen aus der Rolle zu bringen», sagt Stalder, der immer mal wieder für einen guten Spruch zu haben ist.
Mige Stalder – der Vereinsmensch
Mige Stalder ist mit zwei jüngeren Schwestern in Hägendorf aufgewachsen, «unterhalb des Bahnhofs, fast in Kappel», wie er präzisiert. «Ich hatte eine schöne Kindheit und wuchs mit vielen gleichaltrigen Kindern auf. Wir hatten eine super Truppe», erinnert er sich. Weit getrieben hat es ihn nicht, noch heute wohnt Stalder im Dorf, mittendrin im Dorfzentrum. «Ich hatte nie das Verlangen, wegzuziehen – weder nach Olten, noch sonst wohin. Es gefällt mir hier. Hier bin ich verwurzelt und auch in den Vereinen stark verbunden.»
Wie bereits sein Vater, der in Oberbuchsiten ein Vereinsmensch war und gleichzeitig Präsident des Männerchors wie auch der Schützen war, fühlt sich Mige Stalder in den Vereinen wohl. «Ich finde es wichtig, dass man sich im Dorf einbringt. Ich bin gerne unter den Leuten und trage aktiv etwas bei», sagt er. Seine Vereinszeit begann als kleiner Bub mit dem Fussballclub, in dem er später über lange Zeit das Amt des Sportchefs innehielt.
Nach einem Abstecher in die Jugi habe er begonnen, Trompete zu spielen. Damit kam die Musik auf, die Mitgliedschaft in der Musikgesellschaft Hägendorf-Rickenbach war selbstverständlich. Auch die Teilnahme an der Fasnacht entwickelte sich zur grossen Freude von Mige Stalder. «Ich durfte Obernarr sein, der sogenannte Root, mittlerweile bin ich Zunftmeister der Höckeler-Zunft, Ich geniesse das Gesellschaftliche sehr», sagt er. Auch in der Musik trägt er nicht zuletzt als Leiter des regionalen Musiklagers Kisi viel zum Vereinsleben bei, unlängst ist er gar Lagerleiter.
Vom Verkauf über den EHCO zum Radio
Beruflich sei bei ihm so vieles nach dem Prinzip Zufall passiert und vieles sei auch aufgrund seiner Leidenschaft als Vereinsmensch geschehen, erzählt Mige Stalder. Die Lehre als Sportartikelverkäufer im Coop City in Olten hatte er bereits im Sack, als ihm der Arbeitgeber wenige Wochen vor seinem Start bekannt gab, dass die Sportabteilung geschlossen werde. Mige Stalder wurde in die Haushalt/Elektrogeräte-Abteilung versetzt. «Das war dann lange auch mein Weg», meint er. Nach einem kurzweiligen internen Ausflug in das Lebensmittelgeschäft zog es ihn zurück in die Haushaltsbranche, verwirklichte sich im Media Markt in Oftringen als Abteilungsleiter.
Eines Tages an einem Dorffest in Hägendorf wurde er von Pesche Rötheli darauf aufmerksam gemacht, dass er als Geschäftsführer auf der Geschäftsstelle des EHC Olten zur Unterstützung noch jemanden suche. Hilfe im Verkauf? Warum nicht, dachte sich Mige Stalder und stieg beim EHC Olten ein. Doch bloss beim Verkauf blieb es nicht, auf allen Ebenen habe er sich betätigt: Flüge gebucht, Wohnungen eingerichtet, Aufenthaltsbewilligungen geregelt, Saisonabos verkauft, ja gar seine handwerklichen Fähigkeiten waren gefragt, als mal wieder etwas defekt war im Stadion Kleinholz. «Wir haben einfach alles gemacht. Wir haben zwischen Scherben, Tisch und Stühle gearbeitet», erinnert sich Stalder. «Aufregend» seien die acht Jahre gewesen, in denen der Klub stetig gewachsen sei. Irgendwann zügelte der EHCO an die Rötzmatt. «Plötzlich waren wir zu dritt, zu viert. Es war eine spannende Erfahrung.»
Doch dann schlug eines Tages wieder der Zufall zu, als Radiogründer David Kaufmann sich wegen eines Saisonabo-Problems bei Stalder erkundigte und nebenbei erwähnte, dass er beim Radio Inside jemanden suche. Stalder brachte sich selbst ins Spiel und verblieb dort wiederum acht Jahre. «Damit ging ein Bubentraum in Erfüllung.»
Doch vor einem Jahr schloss inmitten der Medienkrise das Radio der ZT Medien AG, worauf sich Mige Stalder selbstständig machte. Jüngst gründete er sein eigenes Unternehmen, die Pastell Digital GmbH, mit welcher er das Erstellen von Webseiten, Video- und Audioproduktionen anbietet oder auch Social-Media-Auftritte von Firmen pflegt. Per Zufall kam seine Selbstständigkeit in Zusammenarbeit mit der Firma Saldia in Burgdorf zustande, welche E-Commerce-Dienstleistungen wie Onlineshop-Lösungen anbietet und mit Christian Stucki, Stefan und Matthias Sempach bekannte Schwinger-Persönlichkeiten als Inhaber hält.
Der positive Redner im EHCO-Umfeld
Nun geht Mige Stalder beim EHC Olten in eine weitere Saison als Stadionspeaker sowie Moderator einzelner Klubanlässe. Die wievielte Spielzeit er zählt, weiss er nicht. «Ganz bestimmt mehr als zehn Jahre», sagt er und erinnert sich vage daran, dass sein allererstes Speakerspiel ausgerechnet ein Derby gegen Langenthal war, das der EHC Olten deutlich gewann.
Seither hat sich vieles geändert im Klub, geblieben sind die Emotionen, das fordernde Umfeld. Immer wieder wird er danach gefragt, wie er die Situation einschätze. «Wenn ich samstags nach einem verlorenen Freitagabend-Heimspiel zum Einkaufen in die Stadt nach Olten gehe, dann wird der Einkauf zum Spiessrutenlauf», sagt er und lacht. Er nehme dann jeweils die Position des positiven Redners ein. «Kommt Kritik auf, ist einer meiner Lieblingssprüche: Du bist ja bei der Arbeit auch nicht jeden Tag gleich gut aufgelegt.»
Er werde aus dem Umfeld oft gefragt, wie er die Entwicklungen des Vereins sehe, insbesondere mit der jüngst eingegangenen Partnerschaft mit Biel. «Es liegt nicht an mir, die Strategie des Vereins zu beurteilen. Ich stehe voll und ganz hinter dem Verein.»
Nur etwas wünschte er sich so sehr: Den Meistertitel. «Ich will mal erleben, wie ein Meistertitel in Olten gefeiert würde. Ich will sehen, ob die Stadt auch so sehr brennt wie anderswo.» Ganz nah seien sie dran gewesen, so nah, dass das grünweisse Herz noch immer blutet, wenn er beginnt, in den Erinnerungen zu schwelgen. Damals, im Frühling 2015, als der EHC Olten in Spiel sechs gegen die SCL Tigers die grosse Chance hatte, vor eigenem Publikum den Sack zuzumachen. «Irgendwo liegen bestimmt noch diese vorproduzierten Meistershirts herum. Alles war vorbereitet. Der Terminplan war im Minutentakt geregelt: Wann der Car die Spieler runter in die Stadt fährt, wann sie irgendwo beim Mägli-Uhren auf den Balkon gehen – wer was ins Mikrofon sagt, das vorgängig installiert war.» Mige Stalder verwirft seine Hände. Es kam bekanntlich anders.
Doch schlussendlich seien es eben diese Emotionen, der gesellschaftliche Austausch, die Freude am Vereinsleben, gemeinsam etwas anzupacken, was Mige Stalder antreibt. Und ihn schliesslich immer wieder ins Kleinholz in sein Kabäuschen treibt, um in seine eigene Welt einzutauchen. «Das ist es doch, was es ausmacht.»