«Polizeiarbeit ist nicht bloss Blaulicht und Action»: Bernhard Graser hat sein Stage im Aussendienst erfolgreich absolviert
Er ist ein bekanntes Gesicht im Aargau: Bernhard Graser, Mediensprecher der Kantonspolizei Aargau. Seit 28 Jahren arbeitet er bei der Polizei. Seine Laufbahn begann in Zofingen im Aussendienst und führte danach über die Mobile Polizei zur Kommunikationsabteilung der Kantonspolizei Aargau. Dort ist er nun seit fast 19 Jahren tätig.
Schon lange hegte er den Wunsch, zurück an die Front zu gehen – zumindest für eine kurze Zeit.Vor drei Monaten war es dann so weit:Bernhard Graser trat ein Stage im Aussendienst im Gebiet Lenzburg an.
Er sei ein gutes Beispiel dafür, wie viele Funktionen und Tätigkeiten der Polizeiberuf vereine. Daher sei es umso wichtiger, dass er wieder Erfahrungen aus erster Hand mache, damit seine Aussagen als Mediensprecher auch authentisch rüberkommen, wie er im Video, welches die Kantonspolizei Aargau auf ihren Social-Media-Kanälen publiziert hat, sagt.
Selbststudium, Schulung und Kurse
Doch wie bereitet man sich darauf vor, zurück an die Front zu treten? «In meiner Funktion als Mediensprecher bin ich stets auf dem Laufenden, was die aktuellen Fälle betrifft. Auch rücke ich immer wieder an Ereignisse aus und weiss daher, wie sich Polizeieinsätze anfühlen», sagt Bernhard Graser. Doch obwohl er die vorgeschriebenen Schiess- und Taktikkurse stets besucht habe, lassen sich fast 19 Jahre Abwesenheit vom Aussendienst nicht verleugnen.
Aus diesem Grund hat Graser durch viel Selbststudium sein Wissen aufgefrischt, aber auch ein Schulungsmodul der Polizeischule besucht, in dem er die praktische Anwendung der wichtigsten IT-Arbeitsmittel erlernen durfte. «Der Lehrgang umfasste auch eine Auffrischung der Grundlagen des Straf- und Strafprozessrechts», so der erfahrene Polizist weiter.
Ungewohnte Abläufe und kein Bonus
Die Arbeit habe sich im Laufe der Jahre kaum verändert. Doch: «Erwartungsgemäss erwiesen sich die ersten Tage am neuen Arbeitsort bei aller Motivation und Hilfsbereitschaft des Teams als Herausforderung.» Die neuen Gesichter, das veränderte Umfeld, die ungewohnten Abläufe, die technischen Systeme, die sich verändert haben, und nicht zuletzt das verwinkelte Gebäude des Stützpunktes haben Graser anfangs ziemlich vereinnahmt. «Alles, womit ich konfrontiert wurde, war mit Fragezeichen behaftet.»
Zur Last wollte er seinen Kolleginnen und Kollegen möglichst wenig fallen. Deshalb setzte er sich zum Ziel, dem schnellen Takt des Polizeialltags von Anfang an folgen zu können. «Man darf nicht vergessen, dass ich keinen Bonus beanspruchen konnte», betont Graser. Auf Patrouille und im Einsatz musste sich das Team jederzeit auf ihn verlassen können. «Es wäre also gelogen, wenn ich sagte, dass ich in dieser ersten Phase stets entspannt in Richtung Lenzburg gefahren wäre.» Doch schnell fühlte er sich sicherer, wodurch sein Unbehagen wich.
Im Wissen darum, dass sich diese Gelegenheit nicht so rasch wieder bieten würde, genoss Bernhard Graser sein Stage in vollen Zügen. Daraus schöpfte er auch die Motivation, wenn etwa am Ende einer langen Schicht ein mühsamer Einsatz noch für Überzeit sorgte. «Polizeiarbeit ist eben nicht bloss Blaulicht und Action.»
Immer noch der Traumberuf
Eine Frage stellte sich der Autorin von Anfang an: Wie oft wurde der Mediensprecher auf der Strasse erkannt? Ziemlich oft, wie Graser freudig erzählt, was ihn positiv überraschte. «Selbst bei nächtlichen Verkehrskontrollen, wo unter der Mütze nur wenig vom Gesicht zu sehen war, erkannten mich die Leute.» Für Graser zeige das, welche Wirkung er und seine Kollegen durch ihre Arbeit in der Kommunikation erzielt haben.
«In diesen drei Monaten erlebte ich so viel wie wohl in mehreren Jahren zusammen nicht», erzählt Bernhard Graser. Auf Patrouille wisse man nie, was die nächste Minute bringt. Vermeintliche Beschaulichkeit könne von einem Augenblick auf den nächsten in Hektik umschlagen. Wie etwa, als Graser und seine Kollegen aus der Pause gerissen wurden und bei strömendem Regen mit Blaulicht zu einem Einbruchsort eilten und den Einbrecher dann aber knapp verfehlten. «Tragisch war der Fall eines Kleinkindes, das in einem älteren Wohnblock durch eine Lücke im Treppengeländer meterweit in die Tiefe fiel», erzählt er.
Er sei zufrieden mit seinem Stage, und seine Erwartungen seien vollumfänglich erfüllt worden. Und was ihm neben all den polizeilichen Erfahrungen am meisten wert sei, sei, dass er ein Teil des Teams wurde. «Ungeachtet des erheblichen Altersunterschiedes nahmen mich die Kolleginnen und Kollegen voll auf und wollten mich schliesslich kaum mehr gehen lassen», erzählt er. «Was gibt es für ein grösseres Lob?»
Ein geselliger Abend und viele herzliche Umarmungen bildeten Ende März den Abschluss dieser Stage. Er werde fast etwas sentimental, wenn er daran denke. «Dies nennt sich Polizeifamilie.»
Trotz aller Erfahrungen und Erkenntnisse, die er dazugewinnen durfte, ist Graser froh, zurück in seiner angestammten Funktion zu sein. Es gebe ihm ein gutes Gefühl, fachlich und praktisch wieder à jour zu sein und jederzeit wieder im Aussendienst tätig sein zu können. «Noch grösser geworden ist mein Respekt meinen Kolleginnen und Kollegen gegenüber, welche diesen anspruchsvollen Job Tag und Nacht ausüben.»
Eine Erkenntnis sticht besonders hervor: Bernhard Graser würde auch nach fast drei Jahrzehnten bei der Polizei den Beruf jedes Mal wieder wählen würde. «Es ist der spannendste Beruf, den es gibt.»