«Gewalt und Drohungen auf Rekordhoch»: Grossrätinnen wollen Polizeikräfte besser schützen
«Linksextreme stellen eine junge Polizistin an den Pranger – weil sie in der Freizeit Musik in alternativen Lokalen macht», titelte die NZZ im November. Die linksextreme Internetplattform www.barrikade.info hatte die Kontaktdaten einer Kantonspolizistin aus Solothurn öffentlich gemacht und dazu aufgerufen, diese auf dem Mobiltelefon oder via E-Mail zu kontaktieren.
«Wenn du dieser Polizistin sagen möchtest, wie sehr du sie nicht auf deinen Partys treffen möchtest, sind ihre Kontakte im Internet öffentlich zugänglich», heisst es auf der Seite. Dies, weil die Polizistin in einer Band spielt, die unter anderem auch in der Berner Reitschule aufgetreten ist. «Eine Band, in der eine Polizistin spielt, hat auf unseren Partys nichts zu suchen!», so die Argumentation der Verfasser.
Dies nahmen nun die Grossrätinnen Barbara Borer-Mathys (SVP) und Karin Faes (FDP) zum Anlass, dem Regierungsrat ein Postulat zu überweisen. «Seit Jahren steigt die Gewalt gegen Polizeikräfte, auch im Aargau», schreiben sie zur Begründung. «Das bestätigen die Zahlen der aktuellen Kriminalstatistik: Diese zeigt, dass 2021 schweizweit 3557 Fälle von ‹Gewalt und Drohungen gegen Behörden und Beamte› registriert wurden – ein Rekordhoch.»
Die Zahl der Bewerbungen nimmt seit Jahren ab
Es sei offensichtlich, dass Polizistinnen und Polizisten besonders exponiert seien und die Hemmschwelle für Pöbeleien bis hin zur Gewalt sinken würde. Dies mache die Arbeit anspruchsvoller. «Vor diesem Hintergrund erstaunt es nicht, dass der Polizeiberuf zunehmend an Attraktivität einbüsst und die Rekrutierung schwierig ist», schreiben die Grossrätinnen und verweisen auf einen entsprechenden Artikel in der AZ.
«Die Zahl der Bewerbungen hat in den vergangenen zehn Jahren deutlich abgenommen», bestätigte damals Daniel Saridis, Ausbildungskoordinator der Kantonspolizei Aargau. 2012 gingen pro Polizeischullehrgang – jährlich starten zwei – zwischen 150 und 200 Dossiers ein. Heute sind es noch etwa 60 bis 80.
Mehr Sicherheit macht den Beruf attraktiver
Das Postulat fordert vom Regierungsrat, «ergebnisoffen aufzuzeigen, ob und welche rechtlichen Anpassungen respektive welche Massnahmen notwendig sind, damit der Kanton sein Polizeikorps vor gewaltsamen Übergriffen effizient schützen, das Ansehen des Polizeiberufes stärken und damit den Beruf für die Rekrutierung attraktiver machen kann».
Die verfassungsrechtliche Zuständigkeit für die innere Sicherheit und damit auch die Polizeihoheit sei Sache des Kantons. «Sicherheit und Ansehen der aargauischen Polizeibeamten sind untrennbar mit der Attraktivität des Berufs verbunden.» Diese wiederum sei massgeblich für eine erfolgreiche Rekrutierung künftiger Polizeibeamtinnen und Polizeibeamten.
Im Oktober konnten 20 Plätze besetzt werden
Auch in anderen Kantonen hat die Polizei Mühe, genügend Nachwuchs zu finden. Mit welchen Mitteln die Sicherheit und Attraktivität des Berufs gesteigert werden könnte, lässt das Postulat völlig offen.
Für den Lehrgang der Kantonspolizei Aargau, der in diesem Oktober startete, hatten sich 76 Personen beworben. 23 von ihnen erfüllten die Grundvoraussetzungen nicht: Dies beispielsweise wegen des Leumunds oder weil sie weder Matur noch Fähigkeitszeugnis vorweisen konnten. Die andern 53 durften am Leistungstest antreten, bei dem neben der körperlichen Fitness auch kognitive Fähigkeiten geprüft wurden.
Weitere Schritte in der Bewerbungsprozedur: psychologische und gesundheitliche Eignungstests sowie ein Vorstellungsgespräch. Die 20 Ausbildungsplätze konnten schliesslich alle besetzt werden.