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100’000 Franken Busse für unliebsame Krankenkassenvermittler: Hören die lästigen Anrufe auf?

Die neuen Regeln, die sich die Versicherungsbranche zum Vermitteln neuer Kunden auferlegt hat, scheinen Wirkung zu zeigen. Die Anzeigen von Kunden sind rückläufig. Doch sind es auch die Anrufe?

Die Krankenkassen werben wieder um neue Kunden, bis Ende November können die Versicherten ihre Kasse noch wechseln. Experten gehen davon aus, dass aktuell mehr Versicherte davon Gebrauch machen als zuvor. Denn die Prämien steigen 2023 im Mittel um 6,6 Prozent. Und mit einem Wechsel lassen sich schnell ein paar hundert Franken im Jahr sparen.

Nebst Werbung gehören Vermittler sowie Vergleichsdienste zu den wichtigsten Werkzeugen, um neue Kundschaft zu gewinnen. Ein besonderer Aufreger sind seit Jahren die Telefonanrufe. Ausgebildete oder weniger professionelle Vermittler wollen einem ungefragt eine neue Versicherung aufschwatzen.

Die Branche hat erkannt, dass diese Art der Kundengewinnung auch kontraproduktiv ist, sie verärgert die Leute. Doch sie scheint sehr effizient zu sein: Keine grosse Krankenkasse will darauf verzichten. Vor diesem Hintergrund haben die Versicherer eine Branchenvereinbarung entwickelt, die seit 2021 angewandt wird und Mindeststandards festlegt.

So ist beispielsweise die berüchtigte Kaltakquise untersagt: Das ist dann der Fall, wenn der Betroffene vor dem Anruf weder Interesse an einem Produkt signalisierte, noch beim Anbieter je Leistungen bezogen hat. Weiter müssen die Vermittler ausgebildet sein und bei einem Anruf offenlegen, für wen sie arbeiten und was das Ziel des Anrufs ist.

Von Aufsichtskommission überwacht

Um zu überprüfen, ob die Versicherer die Regeln einhalten, werden sie von einer Aufsichtskommission überwacht. Verstösse gegen die Regeln wurden zuletzt geahndet, wie Lucius Dürr, der Präsident der Aufsichtskommission Fairmittler, am Dienstag vor den Medien sagte.

«Unsere Tätigkeit hat Folgen: Wir sprechen Warnungen aus und verhängten Bussen über 100’000 Franken.»

2022 stellte die Kommission in vier Fällen eine Verletzung der Branchenvereinigung fest – und bestrafte die betroffene Krankenkasse.

Die Vergehen sind sehr unterschiedlich. In einem Fall hat der Vermittler bei einem Hausbesuch es unterlassen, ein Beratungsprotokoll zu erfassen. Der Versicherte glaubte, eine Offerte unterzeichnet zu haben, erhielt dann aber einen fertigen Versicherungsantrag.

In einem anderen Fall hatte eine Person an einem Wettbewerb für Tickets eines Freizeitparks teilgenommen und damit unbewusst in einen Hausbesuch eines Versicherungsvermittlers eingewilligt. In einem dritten Fall wurde ein Versicherter von einem Vermittler kontaktiert, der sich am Telefon nicht auswies. Weil es später zu einem physischen Treffen und einem Angebot des Vermittlers kam, konnte die Kaltakquise nachgewiesen werden.

Hinweise auf Vergehen sind rückläufig

In vielen Fällen ist das aber schwierig, ein Vergehen nachzuweisen, weil Name und Arbeitgeber des Anrufers häufig nicht bekannt sind. Überhaupt ist die Aufsichtskommission auf Hinweise und Mitwirken der Bevölkerung angewiesen, um ihre Tätigkeit auszuüben. Doch die Hinweise gehen zurück. Während im Jahr vor der Branchenvereinbarung (2020) etwa 300 Meldungen bei den Krankenkassenverbänden eingingen, waren es 2021 noch 110 Verstossmeldungen.

Seit Anfang Jahr sind bei der Aufsichtskommission 87 Hinweise eingegangen. Der Rückgang erklärt Dürr damit, dass die Kaltakquisen seit Einführung der Aufsicht stark abgenommen hätten. Die Selbstregulierung habe sich bewährt.

Zahlen darüber, wie viele (legale) Vermittleranrufe es nach wie vor gibt, existieren nicht. Die Aufsichtskommission will diese laut Dürr erheben. Doch es gibt einen Hinweis, dass dieses Geschäft trotz verstärkter Regulierung gut läuft. Die Abgeltung einer erfolgreichen Vermittlung darf im Bereich der Grundversicherung nicht mehr als 75 Franken kosten. Bei der Vermittlung einer Zusatzversicherung ist die maximale Abgeltung eine Jahresprämie. Den finanziellen Anreiz einzuschränken, sei wichtig, sagt Patrizia Pesenti, Vizepräsidentin der Aufsichtskommission. Denn die Gebühren werden über die Prämien finanziert.

Der Druck auf die Vermittler ist dennoch weiterhin hoch, wie Lucius Dürr weiss. Bei der Finanzmarktaufsicht seien weiterhin über 8000 Vermittler angemeldet.

Hilfe und den Kontakt für Hinweise finden Sie per Post, telefonisch oder per E-Mail bei Fairmittler.