77 Zigarettenstummel pro Spielplatz gefunden: Jetzt soll ein nationales Rauchverbot die Kinder schützen
Das Baby krabbelt im Sandkasten, nimmt einen weggeworfenen Zigarettenstummel in den Mund und verschluckt ihn schlimmstenfalls: Vor diesem Szenario fürchten sich Eltern nicht von ungefähr. Der Verein «stop2drop» hat vor zwei Jahren 42 öffentliche Kinderspielplätze in der Schweiz untersucht und dabei durchschnittlich 77 weggeworfene Zigarettenstummel zwischen Schaukel, Rutschbahn und Klettergerüst gefunden. Allein auf einer Anlage in der Stadt Zürich waren es sogar 400.
Am Dienstag lanciert «stop2drop» jetzt die zweite nationale Spielplatz-Analyse. Der Verein schrieb 380 Quartiervereine in der ganzen Schweiz an und macht in sozialen Medien Werbung für das Projekt. Das Ziel lautet, dank vielen freiwilligen Helfern bis am 17. September 200 öffentliche Spielplätze von Zigarettenstummeln zu säubern und eine weitere Bestandesaufnahme vorzulegen.
Für «stop2drop»-Geschäftsführer Markus Dick ist klar: Der blaue Dunst gehört im ganzen Land von allen Spielplätzen verbannt. Erstens seien Zigarettenstummel ein erhebliches Umweltproblem. «Zweitens kopieren Kinder, was sie sehen: wenn auf dem Spielplatz geraucht wird, erhöht sich das Risiko, dass Kinder später selbst rauchen.» Drittens sei Passivrauch für Kinder besonders schädlich. Und viertens handle es sich um kleine Giftbehälter, welche für Kinder eine besondere Gesundheitsgefahr darstellten.
Schwere Vergiftungen sind laut Tox Info Suisse, der offiziellen Informationsstelle der Schweiz für alle Fragen rund um Vergiftungen, nach sechs verschluckten Stummeln oder zwei verschluckten ganzen Zigaretten möglich. «Wenn ein Kind also weniger als zwei Zigaretten eingenommen hat und keine Symptome vorhanden sind, kann abgewartet werden», schreibt Tox Suisse. Oft führt die Einnahme von Tabak auch in geringen Mengen zu Erbrechen. Im letzten Jahr erhielt Tox Suisse 219 Anfragen von Eltern von Kindern unter sechs Jahren wegen Zigarettenunfällen. Das Kinderspital Zürich behandelt selten Kinder, die Zigaretten oder Zigarettenstummel verschluckt haben. «Das sehen wir vielleicht drei- oder viermal pro Jahr», sagt Georg Staubli, Chefarzt der Notfallstation.
In Genf drohen happige Bussen
Wie viele Gemeinden bereits ein Rauchverbot auf Spielplätzen kennen, ist nicht bekannt. Verschiedene Kantone, darunter Zürich, St. Gallen, Luzern und Aargau, fördern im Rahmen von Tabakpräventionsprogrammen rauchfreie Spielplätze. Im Kanton Genf gilt an bestimmten Orten im Freien, darunter bei Spielplätzen, ein generelles Rauchverbot. Wer sich trotzdem eine Zigarette anzündet, muss mit einer Busse von bis zu 1000 Franken rechnen. Im Kanton Bern hingegen sprach sich das Parlament vor einem Jahr gegen ein kantonsweites Rauchverbot auf Spielplätzen aus – dies ganz im Sinne der Regierung. In der Antwort auf einen entsprechenden Vorstoss hatte sie argumentiert, ein Rauchverbot sei schwierig durchzusetzen. Sie befürchtete sogar, dass noch mehr Zigarettenstummel auf Spielplätzen herumliegen, wenn Aschenbecher abmontiert würden.
Im Mai strich das St. Galler Stadtparlament ein Rauchverbot an städtischen Spielplätzen aus dem Polizeireglement. Jetzt hat ein Komitee um die Stadtparlamentarierin und Ärztin Esther Granitzer (SVP) eine Volksinitiative lanciert. Im Kanton Luzern derweil hat die Gemeinde Ruswil mit Unterstützung von Akzent Prävention und Suchttherapie Luzern rauchfreie Zonen beim Generationenspielplatz Surbrunnepark installiert. Weggis dürfte als nächste Gemeinde folgen, weitere haben Interesse signalisiert.
Rauchfreie Spielplätze sind populär.Gemäss einer Umfrage des Bundesamtes für Gesundheit aus dem Jahr 2022 sprechen sich 78 Prozent dafür aus. Nicht zuletzt vor diesem Hintergrund schwebt Markus Dick von «stop2drop» vor, ein national koordiniertes Rauchverbot auf Spielplätzen einzuführen mit einheitlicher Beschilderung. «Wir wollen nicht nur Verbote einführen, sondern vor allem einen Kulturwandel erreichen, um die Wichtigkeit von sauberen und rauchfreien Spielplätzen zu unterstreichen», sagt Dick. Voraussichtlich bis November wird «stop2drop» die Ergebnisse der zweiten nationalen Spielplatzanalyse präsentieren.