Fitness-Betreiber in der Bredouille: Energiepreise steigen, aber die Kundschaft springt ab, wenn das Abo teurer wird
Anfang August wollte es Claude Ammann genauer wissen. Also nahm der Präsident des Schweizerischen Fitness- und Gesundheitscenter Verbands (SFGV) den Hörer in die Hand und klingelte bei 405 Mitgliedern in der Deutschschweiz, Westschweiz und im Tessin durch.
In Ammanns Gesprächen zur wirtschaftlichen Situation zeigte sich: Offenbar haben sich die Mitgliederzahlen nur bei einem verschwindend kleinen Anteil der Betriebe (3) vollständig erholt. Durchschnittlich eruierte der Präsident in seiner Umfrage einen Kundenbestand von knapp 70 Prozent im Vergleich zur Zeit vor der Pandemie.
Etwa 40 Prozent seiner Kundschaft habe er während der Pandemie verloren, sagt Acim Sinani, der in Aarau das Swiss Training betreibt.
Rund die Hälfte sei inzwischen zurückgekehrt. Nach einem heissen Sommer, den die Menschen tendenziell draussen verbringen statt in stickigen Studios, wäre nun die Zeit, um auch die anderen zurückzugewinnen. «Der Winter ist unsere Hauptgeschäftszeit», betont er, und nach drei Saisons mit coronabedingten Abstrichen hofft er, dass ihm die kommenden Monate wieder Umsätze statt Einschränkungen bringen: «Das wäre wichtig für uns.»
Branchenverband hält Preiserhöhung für gerechtfertigt
Claude Ammann beobachtet allerdings, dass die Leute beim Abonnementkauf noch zögern. Für ihn hängt das auch mit neuerlichen Diskussionen über Schutzmassnahmen zusammen, die der Herbst mit sich brachte. «Sie warten ab. Entweder, weil sie nicht mit einer Maske trainieren wollen, oder weil sie sich vor einer Ansteckung fürchten.» Es dürfe nicht vergessen gehen, dass zur Kundschaft ein stattlicher Anteil älterer Menschen gehöre, so Ammann.
Zu pandemiebedingten Unsicherheiten gesellen sich Entwicklungen, die das Werben um neue Mitglieder nicht erleichtern dürften: Die Energiepreise sind gestiegen, was auch den Betrieb eines Fitnesscenters teurer macht. Die Duschen, die Sauna, der Whirlpool oder das Solarium. All das braucht Strom.
Mehrfach hätten Verbandsmitglieder deshalb in den vergangenen Monaten mit ihm das Gespräch gesucht, sagt Ammann. Mitte September verschickte er im Namen des Verbands eine Medienmitteilung. Darin hiess es, durch Corona seien nicht nur Umsatzverluste entstanden, sondern auch Fixkosten ungedeckt geblieben. Die höheren Energiepreise würden die finanzielle Situation zusätzlich verschärfen. Deshalb vertrete man die Ansicht, «dass eine Erhöhung der Abonnementskosten um mindestens fünf Prozent gerechtfertigt ist».
Hoher Preisdruck: Wegen ein paar Franken wechseln sie das Studio
Üblicherweise werden die Preise zwecks Kundengewinnung eher gesenkt. Die Werbetrommel rühren und gleichzeitig den Abonnementspreis erhöhen, kann das funktionieren?
Patrick Iten, der in Wohlen das Spa- und Fitnessstudio Acropolis führt, konnte seinen Kundenstamm nach der Coronabaisse mit Marketing-Massnahmen wieder auf ein akzeptables Niveau steigern. Er hat von der Empfehlung des Verbandes gehört, bleibt jedoch zurückhaltend: Wenn irgendwie möglich, will er auf eine Preisanpassung verzichten.
Das hat auch mit dem Preisdruck innerhalb der Branche zu tun: In der Nähe seines Studios lockt neuerdings eine Konkurrenz mit Tiefstpreisen. «Wenn ich im Monat fünf Franken mehr verlange, würde wohl ein beachtlicher Teil der Kundschaft abspringen», befürchtet Iten. Die Dichte an alternativen Angeboten macht es möglich. Stattdessen versucht er nun, die Stromkosten zu senken. Im Wellnessbereich ist neuerdings nur noch eine von zwei Saunakabinen in Betrieb.
Ähnlich handhabt es Acim Sinani. «Wir haben keine Erhöhungen geplant», sagt er. «Man kann nicht alle Mehrkosten auf die Kundschaft abwälzen.» Er setzt auf kleinere Massnahmen, indem er etwa «Stromfresser» eliminiert. Im Wellnessbereich zieht er Anpassungen in Betracht: Es sei denkbar, die Temperatur in der Sauna leicht zu reduzieren oder die Betriebszeiten anzupassen.
Die Kundschaft im höheren Preissegment nicht verärgern
Einen anderen Weg schlägt das Gesundheitszentrum ASS Fit and Well in Rombach ein. Inhaber Peter Zavadil betreibt sein Gebäude mit Gas. 1500 Quadratmeter, die im Sommer gekühlt und im Winter beheizt werden. Das schenkt ein. «Eine Preiserhöhung wird sich nicht vermeiden lassen», sagt er. Um einen Betrag zu nennen, sei es aber noch zu früh. Zuerst will er bei seiner Kundschaft den Puls fühlen: «Es ist eine Gratwanderung.»
Der Gaspreis, der inzwischen ein Vielfaches beträgt als noch vor einem Jahr, wird für Zavadil zu einer «existenziellen Bedrohung», wie er sagt. «Ich muss diese Rechnungen irgendwie bezahlen.» Dampfbad, Whirlpool oder Sauna werden auf Wunsch weiterhin für alle Gäste persönlich angestellt. Für sechs Monate Mitgliedschaft bezahlen sie bei Peter Zavadil so viel wie anderswo für ein Jahr.
Zwölf Prozent der Mitglieder hörten auf
Gestiegene Kosten und kaum Spielraum, um sie an die Kundschaft weiterzugeben. Ist der Fitnesscenter-Markt übersättigt? «Das nicht», findet Claude Ammann, «aber es gibt zu viele, die im Günstigsegment tätig sind.» Gemeint sind insbesondere Ketten – deren Interessen werden nicht vom SFGV, sondern von der IG Fitness Schweiz vertreten.
Seit Beginn der Pandemie seien zwölf Prozent der SFGV-Mitglieder wegen Geschäftsaufgabe aus dem Verband ausgetreten. Das habe allerdings nicht zu einer Marktbereinigung, sondern zu einer Marktverschiebung geführt, weil viele Center aufgekauft worden seien.
Zur selben Zeit hat sich auf der Verbandswebsite eine neue Sparte etabliert: Es ist die Rubrik der Verkaufsinserate. Auf etwa ein Dutzend schätzt Ammann die Zahl der Betreiber, die ihr Center dort zum Verkauf angeboten haben.