Zwischen Ablehnung und Desinteresse: So blickt man ausserhalb des Westens auf die Ergebnisse des Bürgenstock-Gipfels
Der tiefe Graben zwischen dem Westen und den Russland-nahen Staaten wird besonders sichtbar, wenn man auf die Zeitungskommentare am Tag nach dem Bürgenstock-Gipfel blickt. Die staatliche chinesische Zeitung«Huanqiu Shibao»aus der Volksrepublik China schreibt in einem grossenLeitartikel, die meisten westlichen Staats- und Regierungschefs seien bloss in die Schweiz gereist, «um das Treffen zu bejubeln».
Jetzt aber die Entwicklungsländer einschliesslich China wegen ihrer Nichtteilnahme der Ablehnung des Friedensprozesses zu beschuldigen, sei in keiner Weise haltbar: «China respektiert das Recht anderer Länder, unabhängige Diplomatie zu betreiben, und hält gleichzeitig an der Autonomie fest, Friedensgespräche zu fördern.» Dazu sei aber die Einbindung Russlands unerlässlich, schreibt «Huanqiu Shibao».
Und weiter: «In diesem Friedensprozess ist die Konfrontation zwischen den beiden Kräften deutlich spürbar: Eine Kraft versucht, das Narrativ von ‹Gut gegen Böse› voranzutreiben. (…) Die andere Kraft will einen Waffenstillstand und ein Ende der Kämpfe und ist bestrebt, die gemeinsamen Anstrengungen der internationalen Gemeinschaft zu fördern, um einen echten Frieden zu erreichen.» China habe «bisher hart daran gearbeitet, die Welt vom Frieden zu überzeugen und Gespräche zu fördern», ist das chinesische Staatsmedium überzeugt.
Die in Schanghai ansässige, ebenfalls staatliche«Jiefang Ribao»bringt den Bürgenstock-Gipfelaus chinesischer Sichtauf einen einfachen Nenner: «Das Schweizer Format mit nur einer der beiden Konfliktparteien entsprach nicht der Vorstellung Pekings von einem Friedensgipfel.»
Die russische Regierungszeitung«Rossijskaja Gaseta»in Moskau lässtselbstredend kein gutes Haaram Konferenzergebnis und der Schweiz als Gastgeber: «Es ist schwer zu verstehen, womit die Schweiz gerechnet hat, indem sie als vorgeblich neutraler Staat eine Konferenz zur Ukraine veranstaltete. Der einstige Ruhepunkt Europas hat den politischen Auftrag von jenseits des Ozeans verfehlt, sie hat ihre völlige Nichteignung als Ort für ernsthafte internationale Gespräche bewiesen.»
Entsprechend bezeichnet die «Gaseta» die Konferenz als «teures Spektakel» mit «null praktischer Wirkung». Aber auch die aserbaidschanische Online-Zeitung«Müsavat»aus Baku sieht das Ergebnis kritisch: «Glauben die Organisatoren wirklich daran, ohne Russland nach Möglichkeiten suchen zu können, den Krieg in der Ukraine zu beenden? Das ist rätselhaft.» Laut Müsavat ging es am Friedensgipfel in der Schweiz nicht darum, den Krieg zu stoppen. «Sondern um sicherzustellen, dass die Ukraine nicht besiegt wird.»
Schlicht kein Thema ist die Bürgenstockkonferenz in Südafrikas grösster Zeitung«Daily Sun»- dies ganz im Gegensatz zum Gaza-Krieg, über den sehr ausführlich berichtet wird.«News24», ein anderes südafrikanisches Online-Medium, hältlediglich nüchternfest: «Es war Teil eines diplomatischen Seilziehens hinter den Kulissen, in der Schlusserklärung die Balance zwischen einer offenen Verurteilung Russlands und der Empfehlung zur breitest möglichen Unterstützung der Ukraine zu finden.»
Einen Bürgenstock-Kommentar sucht man heute auch in der führenden«Times of India»vergeblich, die stattdessen dem Gipfel-kritischen Auftritt von JSVP-Präsident Niels Fiechter bei «Russia Today» ein eigenes Video widmet.In der Berichterstattungwird betont: «Chinas Abwesenheit machte die Hoffnungen zunichte, die weltweite Isolation Russlands zu demonstrieren. Jüngste militärische Rückschläge haben zu dieser Herausforderung beigetragen.»
«The Hindu»aus Neu-Delhi weistdarauf hin,dass Indiens Distanzierung von der Schlusserklärung «ganz auf der bisherigen Regierungslinie lag, sich aller Resolutionen (in internationalen UN-Gremien) zu enthalten, die Russlands Invasion der Ukraine im Februar 2022 kritisieren».
Ähnlich wenig zum Bürgenstock-Gipfel ist schliesslich in den arabischsprachigen Medien zu lesen, die sich am Montag vorwiegend noch mit dem G7-Gipfel in Italien beschäftigten.
In einemallgemeinen Kommentarzum Ukraine-Konflikt teilt der pro-katarische«Middle East Monitor»gegen die Rolle der USA aus: «Während Putin über die Charta der Vereinten Nationen, in der die Souveränität der Staaten feierlich bekräftigt wird, die Nase rümpft, hat Washington seine eigene Abrissbirne gegen den Text eingesetzt. Es hat sich in die inneren Angelegenheiten von Staaten eingemischt und eingemischt, während es Russland genau das Gleiche vorwirft. (…) Das Grauen ist für alle sichtbar und wird wahrscheinlich nicht aufhören.»