FCL-Trainer Mario Frick rechnet öffentlich mit seinen Spielern ab: Darf er das?
PRO: François Schmid-Bechtel: Bei Mario Frick wissen die Spieler wenigstens, woran sie sind
Wir hören Trainer, die sich nach einem 1:5 vor die TV-Kameras stellen und behaupten: «Ich habe viele positive Dinge gesehen.» Was sie denken, aber öffentlich nicht sagen, geht eher in die Richtung «katastrophaler Auftritt». Wir hören Trainer, die nach der fünften Niederlage in Serie auf die Frage, wie man aus der Negativspirale rauskommt, sagen: «Wir müssen weiter hart arbeiten.» Was sie sagen, wenn die TV-Kameras aus sind, geht eher in Richtung, «wir brauchen Verstärkung, mit diesem Kader kannst du nichts gewinnen».
Im Fussball hat sich diese Unart, weichgespülte und konturlose Antworten zu geben, virusartig ausgebreitet. Bloss nicht anecken. Bloss nicht sagen, was man denkt und was man fühlt. Als hätten alle eine Schnellbleiche in diplomatischer Konversation absolviert. So sind Hattrick-Helden einfach nur froh, dass sie der Mannschaft helfen konnten. Und Ersatzspieler würden gerne helfen, haben aber vollstes Verständnis, dass der Trainer gegen sie entscheidet, was sie natürlich klaglos respektieren. Alles Blödsinn. Ein Held ist ein Held und fühlt sich als Held und darf das auch so mitteilen.
Deshalb ist es wohltuend, dass es bei dieser Flut von PR-Geschwätz doch noch Ausnahmen gibt wie Luzern-Trainer Mario Frick. Klar ist es unbarmherzig, wenn er nach dem 2:4 in Sion Aussagen macht wie: «So einen peinlichen Auftritt habe ich als Trainer noch nie erlebt.» Oder: «Ich habe der Mannschaft gesagt, es sei das erste Mal, dass ich mich geschämt habe, ihr Trainer zu sein.»
Starker Tobak. Aber in der Kabine das eine und vor laufenden TV-Kameras das andere zu sagen, macht es für die Spieler auch nicht einfach. Sie fragen sich dann zu Recht, was nun tatsächlich Sache ist. Bei Frick wissen sie, woran sie sind. Und weil Luzern ja nicht allzu schlecht dasteht in der Tabelle, ist es auch ein guter Zeitpunkt, die junge Mannschaft aufzuwecken. Wenn sie hingegen am Boden liegt, braucht es eher Feingefühl.
Apropos Spieler: Viele befürchten, die heutige Generation könnte an solch harten Voten zerbrechen, und fordern deshalb einen behutsamen Umgang. Aber talentierte Fussballer lernen schon im frühen Teenageralter, dass der Fussball vor allem eines ist: unsentimental. Das mag hart klingen. Aber Spieler, die ab 12, 13 Jahren permanent um ihren Platz in den Förderkadern kämpfen müssen, lernen, mit Kritik umzugehen. Deshalb wird Fricks emotionale Eruption keine Schneise der Verwüstung im Luzerner Ensemble hinterlassen. Erst recht nicht, wenn er die Sache mit den Spielern konstruktiv aufarbeitet. Ausserdem betont er ja, dass der pitoyable Auftritt in seiner Verantwortung liege.
KONTRA: Claudio Zanini: Solche Äusserungen belasten das Verhältnis
Mario Frick zeigte am Sonntagnachmittag beispielhaft, wie Emotionen unser Denken und Handeln beeinflussen können. Ungefiltert sprudelten nach der enttäuschenden 2:4-Niederlage seines Teams raue Sätze aus ihm heraus. Noch nie habe er sich «so geschämt» für seine Mannschaft. Er sprach vom «peinlichsten Auftritt», den er je erlebt habe. «Fussballerisch unterirdisch» sei das gewesen. Und so weiter.
Frick war seinen Gefühlen ausgeliefert. Es polterte nur noch mit ihm. Man mag es teilweise verstehen. Wer von uns möchte nach einer emotional anstrengenden Leistung vor eine TV-Kamera geschoben werden, um seine Gefühlswelt in ein Mikrofon zu diktieren? Klar, niemand. Bloss: Das ist ein wesentlicher Teil von Mario Fricks Jobprofil. Nicht zielführend ist, wenn er das Fernsehinterview nach dem Spiel als Ventil für angestaute Emotionen benutzt.
Entscheidend ist letztlich, welche Folgen seine Kritik hat und welche Prozesse in den Köpfen seines Kaders ausgelöst werden. Die FCL-Spieler gehören bis auf eine Ausnahme (Ersatzgoalie Vaso Vasic) der Generation Z an. Ob sich diese Gruppe mit Zuckerbrot und Peitsche führen lässt, ist eine ideologische Frage, die er für sich selbst beantworten muss. Was man aber mit Sicherheit festhalten kann: Wenn ein Trainer in der Öffentlichkeit seine Spieler an den Pranger stellt, kann dies das Verhältnis belasten. Der Alltag lehrt uns jedenfalls, dass emotionale Ausbrüche meist kontraproduktiv sind. Wer eigene Kinder hat – und vielleicht nicht immer restlos begeistert ist über ihr Handeln –, weiss das zu genau.
Weil ein Trainer mit Menschen arbeitet, sollte er potenziell damit rechnen, dass unerklärliche Totalausfälle vorkommen. Auf den Ausfall von Sion müsste der Coach eigentlich nicht so entgeistert reagieren. Wohl wissend sprach er bereits im Vorfeld davon, dass er einen sehr aggressiven Gegner erwarten würde. Und es ist ja auch nicht so, als hätte der FCL in der jüngsten Vergangenheit die gesamte Liga in Grund und Boden gespielt. In den letzten sechs Partien gab es einen Sieg – wohlgemerkt gegen das abstiegsbedrohte GC. Frick nannte es einen «dreckigen» Sieg, bei dem vieles nicht gut war. Wer in Sion nun eine FCL-Gala erwartet hat, hat wenig Gespür für die Realität.
Und trotz allem sollten wir die Episode aus dem Unterwallis nicht unnötig dramatisieren. Nachhaltig kaputtgegangen ist am Sonntag wahrscheinlich nichts. Etwas mehr Selbstkritik des Trainers wäre dennoch angebracht gewesen.