Braucht es eine Kostenbremse für das Gesundheitswesen? Maja Bally und Thomas de Courten sind geteilter Meinung
Ohne Druck machen wir die Hausaufgaben nicht
Es ist logisch, eine Kostenbremse im Gesundheitswesen löst keine Begeisterungsstürme bei den Gesundheitsakteuren aus und von den Gegnern werden Ängste geschürt bezüglich «Aushungerung» des Gesundheitswesens. Tatsache ist aber, dass wir im Gesundheitswesen noch einige Hausaufgaben zu leisten haben, die wir ohne einen gewissen Druck nicht anpacken.
Experten schätzen, dass bis zu 6 Milliarden eingespart werden können, ohne jeglichen Qualitätsverlust. Alleine mit E-Health-Lösungen sind rund 1,3 Mrd. Kostenreduktion möglich. Zudem haben wir bezüglich Übermedikation/Mehrfachbehandlung nach wie vor zu viele Fehlanreize und die gesamte Bürokratie im System ist zu hoch. Es muss auch erwähnt sein, dass wir uns nach wie vor eine enorm hohe Spitaldichte leisten, was übrigens auch bezüglich Fachkräfteproblematik nicht ganz unproblematisch ist. Als Politikerin darf ich dies zwar nicht sagen, ohne gleich «einen Kopf kürzer» gemacht zu werden. Zudem besteht bei den Medikamentenpreisen und auch bei der Abgabe (4800 Tonnen Medikamente landen jährlich im Abfall!) eine langjährige Baustelle. Eine grosse Wirkung wird auch die einheitliche Finanzierung von ambulanten und stationären Leistungen zeigen, denn aktuell erfolgen nach wie vor zu wenige Eingriffe ambulant, weil es sich nicht lohnt. Es liegt an uns, das unsägliche Referendum des VPOD abzulehnen, sollte es zustande kommen.
Wenn alle Akteure zusammen Verantwortung übernehmen und sich auf Massnahmen bezüglich der genannten Themenkreise einigen, die Digitalisierung vorangetrieben wird und die Ambulantisierung voranschreitet, sparen wir Kosten ohne jeglichen Qualitätsabbau. Und genau dies will die Kostenbremse-Initiative, nicht mehr und nicht weniger.
Und ja, auch wir Konsumentinnen und Konsumenten müssen uns an der Nase nehmen und aufhören zu glauben, wir könnten immer mehr fordern für weniger Kosten.
Um unser übrigens hervorragendes Gesundheitswesen intakt zu behalten, braucht es mehr Effizienz und weniger Fehlanreize. Es braucht keine Prämienentlastungsinitiative, um Kosten nur umzulagern, es braucht gemeinsame Massnahmen und Anstrengungen wie mit der Kostenbremse-Initiative gefordert. Alles andere ist Vogel-Strauss-Politik.
CONTRA: «Das falsche Rezept für ein echtes Problem»
Die Kostenbremse-Initiative verlangt einen Kostendeckel für grundversicherte Leistungen der obligatorischen Krankenversicherung. Steigen die Prämien mehr als die Löhne, müssen Bund und Kantone kostensenkende Massnahmen beschliessen. Welche Massnahmen genau das sein sollen, darüber schweigen die Initianten.
Ihr Ansatz ist also: Deckel drauf, wegschauen – und warten, bis es überkocht. Dabei weiss jedes Kind, das eine Milchpfanne auf den Herd stellt, dass die «Morerei» nach dem Überkochen noch grösser als vorher ist, das Problem überhaupt nicht gelöst und das Aufräumen noch aufwendiger wird. Mit einem «Deckel drauf!» lässt sich das Problem der steigenden Kosten im Gesundheitswesen nicht lösen. Es wird im Gegenteil verschlimmert.
Medizinische Leistungen würden rationiert, das Angebot eingeschränkt, die Qualität reduziert. Nur noch diejenigen, die es sich leisten können, hätten Zugang. Eine «Zweiklassenmedizin» wäre die Folge. Der Versicherungsschutz, den wir heute für alle kennen und den wir alle auch mit unseren Prämien teuer bezahlen, würde ausgehebelt.
Wir alle ärgern uns über die stark steigenden Prämien. Das Kostenwachstum hat Gründe, die wir benennen können: Wir werden alle immer älter. Chronische Leiden und Wohlstandskrankheiten nehmen zu. Der medizinische Fortschritt gibt auch bisher Unheilbaren neue Hoffnung. Es bestehen weiterhin noch sehr viele Fehlanreize, Doppelspurigkeiten und Ineffizienzen im System. Es wird immer mehr reguliert und kontrolliert. Das volle Rundum-Sorglos-Paket ist für alle im Land verfügbar – selbst für jene, die erst seit kurzem hier leben und noch keinen Beitrag zur Finanzierung geleistet haben.
Der Handlungsbedarf ist unbestritten, die Ansatzpunkte sind benannt. Das Parlament hat deshalb einen indirekten Gegenvorschlag erarbeitet. Er tritt aber nur in Kraft, wenn die Initiative abgelehnt wird. Parallel ist das Parlament mit Kostensenkungspaketen an der Arbeit. Damit werden konkrete Fehlanreize korrigiert, Medikamentenpreise gesenkt und Leistungserbringer ebenso wie Krankenkassen in die Pflicht genommen. Wir brauchen im Gesundheitswesen umsetzbare Lösungen und mehr Wettbewerb. Damit wir alle auch in Zukunft bei Krankheit oder Unfall auf die bestmögliche Gesundheitsversorgung zählen können.