
Mit diesen vier Problemen kämpft die SRG
Die jungen Menschen in der Schweiz konsumieren kaum noch lineares Fernsehen. Dazu kommen selbstverschuldete Fehler der SRG-Führung, die unter den Konsumenten elektronischer Medien Unmut hervorrufen. Wir listen die vier wichtigsten Schwierigkeiten auf, mit denen das öffentlich finanzierte Radio und Fernsehen kämpft:
1. Problem: Das Publikum ist überaltert
Die durchschnittliche Fernsehnutzung in der Schweiz sinkt. Im deutschsprachigen Landesteil konsumieren die Menschen pro Tag während 104 Minuten Fernsehprogramme. Innerhalb von zehn Jahren ist die TV-Nutzung um eine halbe Stunde gesunken.
Es sind vorwiegend ältere Personen, die Zeit vor dem Fernseher verbringen. Das zeigen die Zuschauerzahlen von SRF. Die Hauptausgabe der «Tagesschau» vom vergangenen 10. April wurde von 620’000 Menschen gesehen. Wie viele unter ihnen waren in einem Alter zwischen 15 und 59? Nur 151’000. Das Fernsehen entwickelt sich zum Medium der Seniorinnen und Senioren.
Die jüngeren Generationen verbringen viel Zeit mit ihren Handys und Tablets. Personen, die jünger als 30 sind, konsumieren nur noch wenig lineares Fernsehen: Programme zu festgelegten Zeiten zu schauen, ist out. Die SRG hat in Plattformen investiert, auf denen die Sendungen zeitversetzt geschaut werden können.
Ein jüngeres Publikum lässt sich vor allem mit zwei Arten von Programmen erreichen: mit Live-Events wie Sportübertragungen und mit Serien. Das Schweizer Fernsehen zeigt darum viel Sport. Und es hat die Mittel für fiktionale Eigenproduktionen aufgestockt. Die Serie «Tschugger» stiess bei jüngeren Zuschauern auf Anklang.
Daneben entwickelt SRF Formate, die nur online gezeigt werden und sich an ein junges Publikum richten. Einige Produktionen wurden schnell beendet. Viele Jüngere beachten vor allem, was auf Instagram und auf Tiktok läuft. Das Schweizer Fernsehen hat dort seine Aktivitäten zwar ausgebaut – die junge Zielgruppe wie geplant zu erreichen, stellt sich aber als schwierig heraus.
2. Problem: Radiohörer verabschieden sich
Die Radiostationen der SRG leiden an akutem Hörerschwund. Das hängt nicht damit zusammen, dass die Bevölkerung der Schweiz unzufrieden wäre mit der Qualität der Programme. Viele Menschen können gar nicht mehr hören, was gesendet wird.
Die SRG-Radios strahlen ihre Sendungen seit Anfang Jahr nicht länger auf UKW aus. Die Verbreitung ist auf DAB+ und im Internet vorgesehen. Diese Umstellung haben viele Radiokonsumenten nicht mitgemacht.

Bild: Keystone
Erhebungen des Forschungsunternehmens Mediapulse zeigen: Die deutschsprachigen Radiosender der SRG haben durchschnittlich 18 Prozent an Reichweite verloren. Noch grösser sind die Einbussen in der Westschweiz – 25 Prozent – und in der italienischsprachigen Schweiz: 29 Prozent.
Die SRG-Radios haben Hunderttausende Hörerinnen und Hörer verloren. Sie konsumieren nun Schweizer Privatradios oder ausländische Stationen. Vor allem in der Romandie und im Tessin wächst das Interesse an Sendern aus Frankreich und Italien.
Die SRG lässt nun verlauten, dass der Trend zur Digitalisierung unumkehrbar sei und die Hörerverluste mit der Zeit kleiner würden. In Frankreich ist aber erst in sieben Jahren mit einem Ende des UKW-Hörfunks zu rechnen.
Die Verantwortlichen der SRG haben einen Fehlentscheid getroffen. Ende 2026 stellen in der Schweiz alle Radiosender die UKW-Verbreitung ein. Die SRG wollte nicht so lange warten, weil sie mit der Abschaltung der UKW-Sendeanlagen 15 Millionen Franken pro Jahr einspart. Diese Summe ist klein, gemessen an der Hörereinbusse und am Imageschaden, den sich die SRG eingehandelt hat.
3. Problem: Traditionelle Unterstützer sind aufgebracht
Es wurden Petitionen mit vielen tausend Unterschriften eingereicht, und vor dem SRF-Sitz in Basel fand sogar eine Kundgebung statt: Die Proteste der Menschen richteten sich vor allem gegen die Einstellung des TV-Gesellschaftsmagazins «Gesichter und Geschichten» sowie des Radio-Wissenschaftsmagazins.

Bild: Keystone
Das Schweizer Radio und Fernsehen hatte die Aufhebung der beiden Formate Anfang Februar bekannt gegeben. Die Einschaltquote von «Gesichter und Geschichten» ist nicht besonders hoch. Und SRF will nach Angaben der Direktorin Nathalie Wappler die Kräfte im Hauptabendprogramm konzentrieren – während das Engagement am Vorabend künftig reduziert wird.
Für solche Argumente haben Kulturschaffende kein Gehör. «G & G» besuchte die Premieren von Kabarettisten und die Tourneen von Sängerinnen. Die Fernsehbeiträge machten das Publikum auf kulturelle Aktivitäten aufmerksam.
Schweizer Kulturschaffende lancierten 2018 eine Kampagne gegen die No-Billag-Initiative. Nun sagen einige: Im kommenden Jahr, wenn das Stimmvolk über die Halbierungsinitiative der SVP befindet, werde man sich zurückhalten. Denn das Schweizer Fernsehen leiste gerade im Kulturbereich nicht den Service public, den man von einem öffentlich finanzierten Sender erwarten dürfe.
Das gleiche Argument bringen Radiohörer vor, die über das Aus des Wissenschaftsmagazins enttäuscht sind: Es habe eine Informationsleistung erbracht, die einem Service-public-Medium gut anstehe. Die SRG-Chefin Susanne Wille verweist aber darauf, dass das Radiomagazin weniger Menschen erreiche als früher.
4. Problem: Journalistische Fehlleistungen
Das Schweizer Radio und Fernsehen akzeptiert einen Strafbefehl gegen zwei Journalistinnen wegen übler Nachrede. Sie hatten über einen Krypto-Unternehmer berichtet. Den Beitrag hat SRF nun gelöscht.
Auch in zwei Entscheiden der Unabhängigen Beschwerdeinstanz für Radio und Fernsehen kommt die Arbeit von SRF-Medienschaffenden nicht gut weg. In einem geht es um die unterlassene Berichterstattung über die Bewältigung der Pandemie in Deutschland. Die Beschwerdeinstanz moniert eine journalistische Unausgewogenheit und stellt eine Verletzung des «Vielfaltsgebots» fest. Ausserdem habe die «Rundschau» mit Beiträgen über eine Prügelattacke in Schaffhausen das «Sachgerechtigkeitsgebot» verletzt.
Es ist ein Gemeinplatz: Wo gearbeitet wird, geschehen Fehler. Die Rügen sind aber schlecht für SRF, weil sie keine Nebensächlichkeiten betreffen. SRF-Chefredaktor Tristan Brenn persönlich hatte den fehlenden Corona-Bericht gerechtfertigt. Er lag damit falsch, meint jetzt die Beschwerdestelle. Und die Recherche aus Schaffhausen hatte für Aufsehen gesorgt. Nun wird ihre journalistische Qualität bemängelt.

Bild: Oscar Alessio/SRF
Die SRG nimmt für sich in Anspruch, höchste journalistische Standards zu erfüllen. Die drei negativen juristischen Befunde in kurzer Zeit lassen Zweifel daran aufkommen, ob die SRG ihre Qualitätskriterien erfüllt. Das ist Wasser auf die Mühlen jener, die dem Rundfunk politische Voreingenommenheit in seiner Berichterstattung vorhalten. Und die Fehler tragen nicht dazu bei, die Beliebtheit der SRG zu erhöhen. Im «Reputation Ranking» des Instituts GFK hat die SRG 2024 acht Plätze verloren. Sie belegt noch Rang 37 unter den beliebtesten Schweizer Unternehmen.