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«Ich verhandle meinen Vertrag selber»: Wie entscheidet sich Marc Hirschi im Millionenpoker?
Derzeit fahren Sie für das beste Team der Welt UAE Emirates, haben dort aber nur eine kleine Rolle. Ist es für Sie wichtiger, in einem Topteam zu fahren oder in einem kleineren Team Captain zu sein?
Marc Hirschi:Für mich ist es wichtig, ein Team zu finden, das zu mir und zu den weiteren Herausforderungen passt. Ich bin immer noch mit UAE Emirates in Kontakt, aber auch mit den Schweizer Teams Tudor Pro Cycling und Q36.5 und auch noch weiteren World-Tour-Teams, die interessiert sind. Momentan ist es ganz gut, dass ich in der Lage bin, dass viele Teams Interesse haben und ich entscheiden kann, was für mich am besten passt.
Sie sind zwar in einer komfortablen Situation, aber ist für Sie auch schwierig zu entscheiden, weil Sie so viele Optionen haben?
Ja, es ist eine interessante Phase, in der ich auch viel lernen kann. Sobald die Entscheidung vorbei ist, wird es für mich eine Erleichterung sein. Man kann immer abwägen, aber wie es wirklich herauskommt, weiss man nicht. Irgendwann werde ich eine Entscheidung treffen – und die werde ich dann am 1. August kommunizieren.
Sie sind bei UAE auch in diesem Jahr bei der Tour de France nicht dabei. Das bedeutet: Seit zwei Jahren sind Sie keine Grand Tour mehr gefahren. Ist das etwas, das Sie beschäftigt?
Ich war in den Entscheid involviert, dass ich an der Tour de France nicht dabei bin. Ich hätte die Möglichkeit gehabt, bei der Tour zu fahren. Aber ich wollte mich fokussieren auf die Olympischen Spiele, bei denen ich möglicherweise dabei bin, und auf die Heim-Weltmeisterschaft in Zürich. Das war von Beginn an so abgemacht.
2020 haben Sie bei der Tour de France eine Etappe gewonnen, im selben Jahr holten Sie auch Bronze im WM-Strassenrennen. Danach wechselten Sie als Shootingstar von Sunweb zu UAE Emirates. Wie schauen Sie auf diesen Wechsel zurück?
Ich hatte nach diesem Wechsel eine schwierige Zeit mit den Hüftproblemen, die ich hatte. Das Team hat mir dabei sehr viel Zeit gegeben und nie Druck ausgeübt. Es war sicher die richtige Entscheidung. Weil wir so viele gute Fahrer haben im Team, ist es auch so, dass der Druck auf einzelne Fahrer nicht so gross ist.
Streben Sie eine Rolle als Captain an, der Verantwortung übernimmt, oder sagt es Ihnen zu, nur bei einzelnen Rennen um den Sieg fahren zu können?
Es kann auch Vorteile haben, bei einem Team wie UAE zu sein. Es ist das beste Team der Welt, arbeitet sehr gut, auch in Sachen Teamatmosphäre passt es sehr. Das sind auch Dinge, die wichtig sind, schliesslich ist man 200 Tage im Jahr unterwegs. Aber auch die anderen Punkte sind wir am abwägen.
Wie sehr beschäftigt Sie diese Gedanken im Alltag?
Ich habe natürlich Kontakt mit den Teams, deshalb muss man ja auch darüber reden. Aber mental fokussiere ich mich vor allem auf die Rennen. Es ist nicht so, dass dies jetzt überwiegt. Es sprechen für beide immer gewisse Dinge. Schlussendlich muss ich einfach mit bestem Gewissen eine Entscheidung treffen. Es gibt sehr viele Optionen, die alle gut wären.
Sie erhalten bei dieser Entscheidung keine Unterstützung von Ihrem Management, da Fabian Cancellara und Raphael Meyer, die Sie bisher gemanagt haben, inzwischen die Chefs des Tudor Pro Cycling Teams sind – und deshalb schon in anderer Rolle in die Verhandlungen involviert sind. Wie schwierig ist das?
Fabian und Raphael haben mich sehr gut betreut, aber es war klar, dass wir so nicht mehr weiterarbeiten können. Den Vertrag haben wir auf Ende dieses Jahres aufgelöst. Ich komme gut mit der Situation klar, es ist so gekommen, wie es gekommen ist. Ich kann auf die Hilfe von Thomas Peter, dem CEO von Swiss Cycling, zählen. Wenn es nicht mehr gehen würde, dann würde ich mir Hilfe holen, es gäbe viele mögliche Manager. Aber für mich passt es im Moment sehr.
Wer unterstützt Sie konkret bei den Verhandlungsgesprächen?
Das mache ich selber.
Birgt das auch ein gewisses Risiko? Schliesslich geht es um Millionen.
Ich werde sicher auch Fehler machen. Aber ich bin ja in einer einfacheren Situation, da gleich mehrere Teams Interesse haben an einer Zusammenarbeit. Deshalb können sie nicht zu sehr pokern.