Raserrennen mit Kindern auf dem Rücksitz – zwei Brüder liefern sich ausserorts mit mehr als 170 km/h eine Verfolgungsjagd
Es war der 23. Januar 2022, nachmittags um 14.27, als der 27-jährige Mirko und sein Bruder Sascha (Namen geändert) mit ihren Autos im Seetal unterwegs waren. Beide hatten ihre Kinder dabei: Im einen Auto sass ein 13-jähriger Bub, im anderen Fahrzeug befanden sein ein neunjähriger Bub und ein dreijähriges Mädchen. Doch es war kein harmloser Familienausflug, sondern eine Raserfahrt, die vor Gericht enden sollte.
Auf der Aarauerstrasse zwischen Seon und Schafisheim überholte Sascha einen Personenwagen und beschleunigte seinen BMW M3 massiv. Der weiter hinten fahrende Mirko folgte seinem Bruder, überholte den unbeteiligten Personenwagen und überfuhr dabei eine Sperrfläche sowie die Einspurstrecke für Linksabbieger.
Während und nach dem Überholmanöver beschleunigte er sein Fahrzeug, einen BMW M4, auf 174 km/h. Erlaubt sind an dieser Stelle 80 km/h. Im Verlauf der Verfolgungsjagd kamen den Brüdern zwei weitere Personenwagen entgegen – zu einem Unfall kam es glücklicherweise nicht.
Vater hat das Leben seiner Kinder riskiert
Doch für Mirko endete das Raserrennen mit einer Anklage, die am Donnerstag vor dem Bezirksgericht Lenzburg verhandelt wurde. Das Verhalten des Beschuldigten könne zurecht als «waghalsig» bezeichnet werden, sagte die Staatsanwältin Regula Dössegger. Mit der Verfolgungsjagd habe er nicht nur das Leben von unbeteiligten Verkehrsteilnehmern riskiert, sondern auch das seiner beiden Kinder.
Mirko erschien nicht zur Verhandlung, sein Anwalt bestritt die Raserfahrt nicht. Doch seinem Mandanten sei nichts anderes übrig geblieben, als seinem Bruder zu folgen. Als Ortsunkundiger hätte er diesen sonst aus den Augen verloren, argumentierte der Anwalt. Zudem handle es sich beim geleasten BMW M4 um ein Luxusauto, in dem Beschleunigungsgeräusche kaum wahrzunehmen sein. Und der Fahrer habe mit seinen Kindern Musik gehört und deshalb nicht realisiert, wie schnell er gefahren sei.
Zwar könne es sein, dass man in einem solchen Auto nicht unbedingt merke, ob man 80 oder 85 km/h fahre, sagte die Staatsanwältin. «Aber man merkt durchaus, ob man 80 oder 179 km/h fährt.» Zudem habe der Beschuldigte die Leistung seines Autos gekannt, der Vorsatz sei damit gegeben, so Dössegger.
Schlagring im Auto des Rasers gefunden
Neben der groben Verletzung der Verkehrsregeln wurde Mirko auch ein Verstoss gegen das Waffengesetz vorgeworfen. Im Handschuhfach des Rasers wurde ein Schlagring gefunden, sein Anwalt bestritt, dass Mirko davon gewusst habe. Sein Mandant gehe davon aus, dass die Waffe ohne sein Wissen ins Auto gelangt sei.
An der Autobahnraststätte Würenlos, beim sogenannten Fressbalken, hätten 10 bis 15 Personen sein Auto von innen besichtigt. Wahrscheinlich sei der Schlagring dabei jemandem aus der Tasche gefallen und im Fussraum des BWM gelandet. Seine Frau habe darauf den Schlagring ohne sein Wissen in das Handschuhfach gelegt, damit ihre Kinder ihn nicht sehen, so der Anwalt.
Staatsanwältin Dössegger konterte, bei der früheren Einvernahme habe der Beschuldigte gesagt, er wisse von dem Schlagring. Seine Frau habe ihm diesen gezeigt und er habe darauf gesagt, sie solle ihn in das Handschuhfach legen. Zudem gehe es beim Verstoss gegen das Waffengesetz um das Tragen oder Transportieren einer Waffe. Die Besitzfrage sei dabei irrelevant, sagte die Staatsanwältin.
Raser muss die Schweiz für drei Jahre verlassen
Dössegger beantragte für den Raser mit dem Schlagring im Auto eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten, eine bedingte Geldstrafe von 4200 Franken (60 Tagessätze zu 70 Franken), eine Busse von 6000 Franken sowie einen Landesverweis von fünf Jahre. Der Verteidiger von Mirko forderte eine bedingte Freiheitsstrafe von zwölf Monaten und den Verzicht auf eine Landesverweisung.
Das Bezirksgericht schloss sich im Grossen und Ganzen der Argumentation der Staatsanwältin an. Der Raser wurde in allen Anklagepunkten schuldig gesprochen und erhielt eine bedingte Freiheitsstrafe von 22 Monaten, eine bedingte Geldstrafe von 4200 Franken sowie eine Busse vom 3000 Franken. Zudem wird Mirko für drei Jahre des Landes verwiesen.
Ausgereist ist der junge Vater bereits, er lebt mittlerweile von seiner Frau getrennt mit seinen Kindern wieder in Österreich. Auch seine restliche Familie befinde sich dort. Deshalb sei ein Landesverweis gerechtfertigt, so Gerichtspräsidentin Eva Lüscher. Über die Vergehen des Bruders wird in einer separaten Verhandlung geurteilt.