Landwirte sind sich uneins: Sollen alte Bauernhäuser und Ställe zu Wohnungen umgebaut werden dürfen?
Das Kulturland ist den Landwirtinnen und Landwirten heilig. Schliesslich ist es dieser landwirtschaftlich nutzbare Boden, auf denen sie Lebensmittel produzieren, ihre Tiere weiden lassen und Futter anpflanzen können. Kein Wunder also, setzen sich Bauernvertreter von links bis rechts dafür ein, dem Kulturlandverlust Einhalt zu gebieten. Eine Rolle spielen dabei auch die über 600’000 Bauten ausserhalb der Bauzone. Dazu zählen etwa die Ställe, Silos und Bauernhäuser in der Landwirtschaftszone. Über den Umgang mit diesen Bauten sind sich Politikerinnen und Politikern mit bäuerlichem Hintergrund allerdings alles andere als einig.
Der Zwist offenbart sich konkret bei der Teilrevision des Raumplanungsgesetzes. Das umfangreiche Geschäft ist am Donnerstag im Nationalrat traktandiert. Einer der umstrittenen Punkte betrifft die Umnutzung von bestehenden Gebäuden ausserhalb der Bauzone. Eine Mehrheit der nationalrätlichen Umweltkommission will das Gesetz an dieser Stelle mit einem Absatz ergänzen, der es erlauben würde, ehemals landwirtschaftlich genutzte Ställe zu Wohnungen umzubauen – sofern die Ställe an ein Wohnhaus angebaut und «ausreichend» erschlossen sind.
Anstelle eines Bauernhauses mit angrenzendem Stall dürften also Ein- oder Mehrfamilienhäuser treten. Einzige Bedingung: Das neue Gebäude darf nicht mehr Volumen aufweisen als das alte Bauernhaus inklusive Stall.
Ein Stabilisierungsziel für das Nichtbaugebiet
Einer, der sich gegen die «Aufweichung des fundamentalen Grundsatzes der Trennung von Bau- und Nichtbaugebiet» wehrt, ist Nationalrat Beat Flach (GLP/AG). Er hat einen Antrag zur Streichung des entsprechenden Absatzes eingereicht. Flach befürchtet, dass der Vorschlag zu einer massiven Bautätigkeit ausserhalb der Bauzone führen würde: «Plötzlich steht dann statt eines Bauernhauses mit angebautem Stall ein Mehrfamilienhaus mit sechs Wohnungen inmitten der Landschaft.» Das laufe dem in der Revision vorgesehenen Stabilisierungsziel diametral entgegen.
Ein kürzlich erschienener Bericht des Bundesamts für Raumplanung zeigt das Ausmass der Verbauung ausserhalb der Bauzone. Gemäss den neuesten Schätzungen stehen rund 618’000 Gebäude im Nichtbaugebiet, davon sind über 200’000 bewohnt. Noch vor vier Jahren zählte der Bestand 23’000 Gebäude weniger. Die meisten Gebäude ausserhalb der Bauzone stehen im Kanton Bern und werden landwirtschaftlich genutzt. Total leben 5 Prozent der Bevölkerung im Nichtbaugebiet – am höchsten ist der Anteil in den beiden Appenzell, Obwalden und Uri.
Auch der Schweizerische Bauernverband (SBV) und dessen Präsident Markus Ritter fürchten um die «Vorrangstellung der Landwirtschaft in der Landwirtschaftszone». Würde es erlaubt, dass alte Ställe zu Wohnraum umgenutzt werden können, seien Nutzungskonflikte programmiert, teilt der Verband auf Anfrage mit. Etwa dann, wenn der Bauer am Sonntag dreschen oder heuen will oder die Kühe Glocken tragen. «Dafür werden nicht alle der neuen Nachbarn Verständnis haben», prognostiziert der SBV. Kurzfristig würden sich vielleicht einige Bauernfamilien freuen, wenn sie ihre Einkommen mit Mietwohnungen sichern könnten. Doch: «Langfristig stehen für uns die landwirtschaftliche Tätigkeit und die Lebensmittelproduktion im Vordergrund.»
Werden Bauten an neuen Standorten verhindert?
Diese Ansicht teilen allerdings längst nicht alle Landwirte im Parlament. Der ehemalige SBV-Direktor und FDP-Nationalrat Jacques Bourgeois findet es «eine gute Sache», dass ehemalige Bauernhäuser und die angebauten Ställe zu Wohnungen umgebaut werden können. Schliesslich bestünden die Gebäude ohnehin, würden aber nicht mehr landwirtschaftlich genutzt. Es sei daher sinnvoll, diese Gebäude umzunutzen. «So vermeidet man teilweise die Schaffung neuer Gebäude und bekämpft die Zersiedelung des Landes», sagt Bourgeois.
Auch der Thurgauer SVP-Nationalrat und Landwirt Manuel Strupler unterstützt den Vorschlag. Er erhalte zahlreiche Rückmeldungen von Berufskollegen, die gerne die Möglichkeit hätten, ihre angebauten Ställe und Scheunen als Wohnraum zu nutzen. Strupler betont: «Es darf nur im bestehenden und erschlossenen Gebäudevolumen umgebaut werden. Das heisst, es wird kein zusätzliches Kulturland beansprucht.» Zudem hätte die Landwirtschaft noch immer Vorrang – etwa bei Geruchsemissionen oder Lärm. Man müsse sich also die Frage stellen, ob man die nicht mehr genutzten, alten Ställe zerfallen lasse, oder ob man sie stattdessen zu Wohnungen umbauen könne. Letztere Option sei nicht nur nachhaltiger, sie könne auch dazu beitragen, die Entvölkerung in abgelegenen Regionen zu bremsen.
Landschaftsinitiative ist noch hängig
Im Nationalrat dürfte die Abstimmung über den viel diskutierten Passus knapp ausfallen. Das weiss auch Elena Strozzi. Die Geschäftsleiterin der Landschaftsinitiative sagt, dass ebendieser Absatz «die ganze Vorlage gefährdet». Zur Einordnung: Die nun im Parlament diskutierte Revision des Raumplanungsgesetzes gilt als indirekter Gegenvorschlag zur 2020 eingereichten Landschaftsinitiative. Dieser nimmt ein wichtiges Kernanliegen der Initianten auf: Sowohl die Zahl der Gebäude ausserhalb der Bauzone als auch die versiegelte Fläche sollen stabilisiert werden. Gleichzeitig sind diverse gesetzliche Anpassungen im Bereich der Bauten ausserhalb der Bauzone vorgesehen.
Noch haben die Initianten nicht entschieden, ob sie ihre Initiative zugunsten des Gegenvorschlags zurückziehen werden. Das hänge unter anderem davon ab, ob der besagte Absatz zur Umnutzung alter Ställe im Gesetz enthalten bleibt oder nicht, sagt Strozzi – und hält den Druck auf das Parlament aufrecht.