Ernteausfälle wegen Pilzschutzmittel: Aargauer Winzer droht Chemiekonzern Bayer mit einer Klage
«Mir geht es nur um Gerechtigkeit», sagte der Küttiger Winzer Peter Wehrli am Donnerstag vor den Medien. «Die Firma Bayer muss für die Schäden, die ihr Mittel verursacht hat, aufkommen.»
Das Mittel, ein Fungizid mit dem Namen «Moon Privilege», wurde vom Chemiekonzern Bayer erstmals im Jahr 2013 verkauft. 2014 kam es grossflächig zum Einsatz. Im Folgejahr hatten Hunderte Schweizer Winzerinnen und Winzer massive Ernteausfälle zu beklagen. Die Blätter ihrer Reben waren deformiert, die Blüten verklebt, Beeren und Trauben konnten sich nicht entwickeln. Auch in Deutschland, Österreich oder im Südtirol kam es zu Schäden.
Noch bevor das Pilzschutzmittel als Ursache für die Schäden an den Reben feststand, hatte Bayer entschieden, die betroffenen Winzer «auf freiwilliger Basis» zu entschädigen. Dazu schickte der Chemiekonzern den geschädigten Winzerinnen und Winzern eine unterzeichnete Vergleichsvereinbarung mit dem berechneten Ertragsverlust und einer Annahmefrist von zehn Werktagen.
Wer das Angebot annahm, verzichtete gleichzeitig auf alle etwaigen Ansprüche gegenüber Bayer aufgrund der im Jahr 2015 aufgetretenen Ernteausfälle.
Bayer bot immer höhere Entschädigungszahlungen
Peter Wehrli sagt, ihm sei wegen des Fungizids ein Schaden von über 1 Million Franken entstanden. Bayer hat ihn mit 153’000 Franken entschädigen wollen. Er akzeptierte nicht. Der Chemiekonzern unterbreitete ihm ein zweites Angebot. 277’000 Franken. Peter Wehrli lenkte wieder nicht ein. Schliesslich habe Bayer versucht, ihn mit 361’000 Franken zufriedenzustellen. Diese Summe hat Bayer ihm auch überwiesen, ohne dass Peter Wehrli unterschrieben hat.
Er und Laurent de Coulon, Besitzer der Sissacher Buess Weinbau- und Weinhandel AG, gehören zu den wenigen Winzern, die noch immer für höhere Entschädigungen kämpfen. Notfalls wollen sie den Chemiekonzern verklagen. Das verkündeten sie am Donnerstag an einer Medienkonferenz auf dem Weingut Wehrli in Küttigen.
Eingereicht ist die Klage noch nicht. Sie dient vielmehr als Druckmittel, um Bayer doch noch einmal an den Verhandlungstisch zu bringen. Oder wie es der Anwalt der beiden Winzer, Andreas Binder, formulierte: «Ob wir Klage beim Handelsgericht des Kantons Zürich einreichen, hängt davon ab, ob Bayer anfängt, sich zu bewegen.» Passiere nichts, werde man klagen «und dann hoffen, dass es wie bei Winzern in Deutschland zu einem Vergleich kommt».
Ein Präjudiz streben sie nicht an. Es würde all jenen, die einen Vergleich mit Bayer abgeschlossen haben auch nichts mehr bringen. Und unterschrieben haben die meisten Betroffenen. Darunter auch Andreas Meier, Besitzer des Weinguts zum Sternen in Würenlingen. Zwar bezeichnete auch er die Offerten von Bayer als «lächerlich».Dennoch einigte er sich schliesslich 2017 mit dem Chemiekonzern, fügte aber an, dass er immer noch das Gefühl habe, dass er etwas zu viel habe nachgeben müssen.
Laufendes Verfahren gegen die Eidgenossenschaft
Nachgeben wollen Peter Wehrli und Laurent de Coulon nicht. Sie wollen für den tatsächlichen Schaden entschädigt werden. Wer bezahlt, spielt ihnen keine Rolle. Sie fahren mehrgleisig.
Peter Wehrli hat bereits 2016 eine Staatshaftungsklage eingereicht gegen die Schweizerische Eidgenossenschaft beziehungsweise das Bundesamt für Landwirtschaft, das das Pilzschutzmittel 2012 in der Schweiz zugelassen hat. Dieses Verfahren haben sie aber vorerst sistieren lassen, weil man mit Bayer in Verhandlungen stand. «Als wir 2021 gemerkt haben, dass wir mit Bayer nicht weiterkommen, haben wir dieses Verfahren reaktiviert», führte Anwalt Andreas Binder aus.
Es ist beim Eidgenössischen Finanzdepartement hängig, das in erster Instanz entscheiden wird. Danach steht der Rechtsweg über das Bundesverwaltungsgericht bis ans Bundesgericht offen.