Ständeräte drücken sich vor Entscheid bei zweiter Säule: Warum das den Gegnern der AHV-Reform in die Hände spielt
Der Zeitpunkt könnte ungünstiger nicht sein. Rund zwei Wochen vor der umkämpften Abstimmung über die AHV-Reform hat die Sozialkommission des Ständerates am Donnerstag beschlossen, die Beratungen über die Reform der zweiten Säule auf die lange Bank zu schieben. Sie wolle sich «die nötige Zeit nehmen», um die Kompensation für die Übergangsgeneration «sorgfältig auszutarieren», argumentiert sie. Laut Mitteilung der Parlamentsdienste bekennt sich die Kommission jedoch «zu den geplanten substanziellen Verbesserungen für Angestellte mit tiefen Löhnen und solchen mit mehreren Arbeitgeberinnen oder Arbeitgebern».
Was harmlos klingt, birgt Zündstoff. Die Kommission riskiert mit dem Entscheid ein Scheitern der AHV-Reform. Denn die bürgerlichen Befürworter wurden in den letzten Monaten nicht müde zu betonen, dass sie die Rentensituation der Frauen in der beruflichen Vorsorge (BVG) verbessern möchten. Heute erhalten Frauen halb so hohe Renten aus der Pensionskasse als Männer. Ob die bürgerliche Seite dieses Versprechen nun wahr macht, wird sich weisen. Klar ist: Bis zur Abstimmung am 25. September bleibt die Frage ungeklärt.
Steilvorlage für Gegner
In die Hände klatschen dürften heute die Gegner aus linken und gewerkschaftlichen Kreisen. Für sie ist die Nachricht eine Steilvorlage. Sie sehen sich bestätigt. Die Gegner bekämpfen die Erhöhung des Frauenrentenalters auf 65 Jahre nämlich vor allem wegen der ungerechten Situation in der zweiten Säule.
Lange Zeit galt der Ständerat als «Chambre de Réflexion», in der parteiübergreifend an Lösungen gearbeitet und Gesetze geschmiedet wurden. In letzter Zeit ist die kleine Kammer diesen Beweis schuldig geblieben. Bei der BVG-Reform steckte von Beginn an der Wurm drin. Bereits in der Sommersession hatte die kleine Kammer die Vorlage zerknirscht an den Absender zurückgeschickt. Sie taxierte die ausgearbeitete Variante der vorberatenden Sozialkommission als untauglich.
Bitter ist das zaudernde Verhalten des Ständerates auch für den Bundesrat und die Sozialpartner. Sie hatten sich auf einen Kompromiss geeinigt. Das hat Seltenheitswert. Um die tieferen Renten abzufedern und auch um vor dem Stimmvolk zu bestehen, war ein lebenslanger, monatlicher Rentenzuschlag vorgesehen. Der Nationalrat stutzte dann die Kompensation zusammen.