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Bundespräsident macht Weg für Neuwahl in Deutschland frei

Die «Ampel»-Koalition zerbrochen, keine neue, stabile Mehrheit in Sicht, Deutschland in der Regierungskrise. Für den Bundespräsidenten gibt es nur einen Ausweg.

Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hat den Bundestag aufgelöst und so den Weg zu seiner Neuwahl freigemacht. Diese soll am 23. Februar kommenden Jahres stattfinden, wie Steinmeier in Berlin bekannt gab.

Er reagierte damit auf das Auseinanderbrechen der «Ampel»-Koalition im November und die verlorene Vertrauensfrage von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Bundestag.

Politische Stabilität sei in Deutschland ein hohes Gut, die Auflösung des Bundestages vor dem Ende der Legislaturperiode und vorgezogene Neuwahlen seien der Ausnahmefall, sagte Steinmeier im Schloss Bellevue in Berlin. «Aber gerade in schwierigen Zeiten wie jetzt braucht es für Stabilität eine handlungsfähige Regierung und verlässliche Mehrheiten im Parlament.»

«Neuwahlen jetzt der richtige Weg»

«Die jetzige Regierung verfügt ausweislich der Abstimmung über die Vertrauensfrage über keine Mehrheit mehr, aber auch für eine anders zusammengesetzte Regierung habe ich in den Gesprächen keine Mehrheiten erkennen können. Deshalb bin ich überzeugt, dass zum Wohle unseres Landes Neuwahlen jetzt der richtige Weg sind», sagte Steinmeier. Das Grundgesetz habe für diese Situation Vorkehrungen getroffen. Der Bundestag arbeite weiter bis sich ein neuer Bundestag konstituiert habe. «Unsere Demokratie funktioniert, auch in Zeiten des Übergangs.»

«Ampel»-Aus und verlorene Vertrauensfrage

Scholz hatte am 16. Dezember im Bundestag die Vertrauensfrage gestellt, nachdem im November die «Ampel»-Koalition aus SPD, Grünen und FDP nach nur knapp drei Jahren im Streit um den Haushalt entzweigebrochen war. Scholz erhielt für seinen Antrag – wie von ihm beabsichtigt – keine Mehrheit. Er bat daraufhin Steinmeier, den Bundestag aufzulösen, um den Weg für eine Neuwahl freizumachen.

Bundespräsident ist Herr des Verfahrens

Nach Artikel 68 Grundgesetz kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen, wenn dieser die Vertrauensfrage verliert. Artikel 39 schreibt vor, dass die Neuwahl dann innerhalb von 60 Tagen stattfinden muss. Das nationale Parlament kann sich in Deutschland nicht selbst auflösen.

Steinmeier liess sich mit seiner Entscheidung nur 11 Tage Zeit. Er führte aber nach der Entscheidung des Bundestages über die Vertrauensfrage zunächst Gespräche mit den Vorsitzenden der Fraktionen und Gruppen. So wollte er herausfinden, ob es nicht doch noch einen Weg für eine stabile politische Mehrheit im Bundestag gibt.

Vorzeitige Auflösung des Bundestages ist Ausnahme

Dass der Bundestag vorzeitig aufgelöst wird, ist der absolute Ausnahmefall in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Vertrauensfrage von Scholz war erst die sechste seit 1949. In drei Fällen endete anschliessend die Wahlperiode vorzeitig. Dies betraf die Kanzler Willy Brandt (SPD) 1972, Helmut Kohl (CDU) 1982 und Gerhard Schröder (SPD) 2005.

Schröder hatte auch schon 2001 die Vertrauensfrage gestellt, aber nicht, um sie zu verlieren. Vielmehr wollte er so seine in Teilen widerspenstige rot-grüne Koalition für die Beteiligung der Bundeswehr am Anti-Terror-Kampf in Afghanistan hinter sich bringen.

Ähnlich disziplinierend war die Vertrauensfrage von Helmut Schmidt (SPD) 1982 angelegt, der damit die Zustimmung der SPD/FDP-Koalition zu seiner Sicherheits- sowie Arbeitsmarktpolitik erzwingen wollte. Beide SPD-Kanzler gewannen die Vertrauensfrage, der Bundestag wurde nicht aufgelöst.

Parteien vor intensivem Winterwahlkampf

Die Parteien bereiten sich bereits intensiv auf die Neuwahl vor. Freie Wochenenden wird es für die Wahlkämpfer bis zum Wahltag kaum noch geben. So wollen etwa SPD und AfD am Wochenende 11./12. Januar endgültig ihre Kanzlerkandidaten bestimmen und die Wahlprogramme verabschieden. Am 26. Januar halten die Grünen ihren Parteitag ab, am 3. Februar die CDU, am 8. Februar die CSU und am 9. Februar die FDP.

An diesem 9. Februar wird es abends in ARD und ZDF auch das erste Fernsehduell von SPD-Kanzler Scholz und seinem CDU-Herausforderer Friedrich Merz geben. Eine Woche später hat RTL die beiden Kontrahenten ins Fernsehstudio eingeladen. Zur Wahlkampfschlacht dürfte auch die voraussichtlich letzte Sitzung des Bundestages vor der Wahl werden – am 11. Februar trifft man sich zur Generaldebatte.

Klagen gegen Bundestagsauflösung eher unwahrscheinlich

Bislang deutet nichts darauf hin, dass Abgeordnete gegen die Auflösung des Bundestages vor das Bundesverfassungsgericht ziehen werden. Nach der Parlamentsauflösung 1982 und 2005 machten dies einzelne Politiker, die sich in ihren Abgeordnetenrechten verletzt sahen. Sie blieben allerdings erfolglos. Kohl und Schröder hatten jeweils eine Mehrheit im Bundestag und wollten mit ihrer fingierten und daher hochumstrittenen Vertrauensfrage nur Neuwahlen erzwingen. Das wollte zwar auch Scholz – ihm war allerdings mit dem Bruch der Koalition tatsächlich die Mehrheit abhandengekommen.

Neuer Bundestag wird erheblich kleiner

Unabhängig davon, wie die Wahl ausgehen wird, steht fest: Der neue Bundestag wird in Deutschland ganz anders zusammengesetzt sein als der bisherige. Vor allem wird er viel kleiner. Denn nach der nun greifenden Wahlrechtsreform der «Ampel»-Koalition wird die Zahl der Mandate auf 630 begrenzt. Erreicht wird dies vor allem durch das Wegfallen von sogenannten Überhang- und Ausgleichsmandaten. Zum Vergleich: 2021 waren über das komplizierte deutsche Wahlsystem noch 735 Abgeordnete in den Bundestag gewählt worden.(dpa)