
Generation arbeitsunfähig? Mir reichts! Viel mehr als Opfer einer verweichlichten Erziehung bin ich das Kind ausgebrannter Eltern
«Generation arbeitsunfähig» ist ein super Buchtitel, das muss man Generationenforscher Rüdiger Maas lassen. Der Titel hat mich geärgert, ganz wie von Maas beabsichtigt. Die Jungen sollen sich provoziert fühlen, die Älteren bestätigt. Hauptsache Aufreger.
In einem Interview mit CH Media zu ebendiesem Buch prognostizierte Maas, die Wirtschaft werde stagnieren und schliesslich schrumpfen. Die Verantwortlichen sind schnell gefunden: Einerseits die Jungen, denen Arbeit nicht mehr wichtig ist. Andererseits ihre Eltern, die sie viel zu nett erzogen haben. Immerhin ist die Generation Z, zu der auch ich gehöre, nicht alleine an allem Schuld. Wir sind zwar überheblich, verweichlicht und verzogen, so lautet Maas‘ Narrativ. Aber es seien die Älteren, die uns dazu gemacht haben.
Kann man so sehen. Dass wir anders ticken als unsere Vorgängergenerationen, würde ich nie in Abrede stellen. Ebenso wenig, dass die elterliche Erziehung uns beeinflusst. Aber was soll das eigentlich mit dem stetigen Fingerzeig, den Schuldzuweisungen?
Regelmässig erscheinen Schlagzeilen, die meiner Generation Faulheit, Antriebslosigkeit und Illoyalität gegenüber dem Arbeitgeber unterstellen. Schlechte Arbeitsmoral und so weiter. Wir gefährden den Wohlstand, schlafen zu viel, beschäftigen uns zu sehr mit unserem Äusseren und bringen, o Schreck, ganze Demokratien ins Wanken. Und jetzt werden auch noch unsere Eltern mit reingezogen? Mir reicht’s.

Bild: Klaus Vedfelt/Getty
Das Thema macht zuverlässig Klicks. Und spült Rüdiger Maas zuverlässig Geld in die Tasche. Denn das Thema ist vor allem eins: ein Geschäft. Maas hat das Institut für Generationenforschung gegründet und leitet es nun. Dahinter steht keine Hochschule, sondern Maas‘ eigene Beratungsfirma. Er verkauft Vorträge und Kurse an Unternehmen, die sich für die ach so komplizierte Generation Z wappnen wollen.
Fraglich ist auch, inwiefern die pauschale Betrachtung einer Generation mit einer Altersspanne von 15 bis 30 Jahren überhaupt Sinn macht. Die ältesten dieser Menschen kriegen selbst Kinder, während die jüngsten noch nicht einmal Bier kaufen dürfen.
Wie dem auch sei. Ist es denn so schwer zu verstehen, was «die Jungen» wollen? Arbeit soll nicht mehr krank machen. Es ist kaum vorstellbar, dass irgendeine Generation vor uns gerne bis zum Umfallen geschuftet hat. Wie wäre es mal mit dieser Perspektive: Vielleicht ist ein System, in dem sich Burnout-Fälle wie ein Virus vermehren, einfach kein gutes System?
Viel mehr als Opfer einer verweichlichten Erziehung bin ich nämlich das Kind ausgebrannter Eltern. Ich kann Ihnen versichern: Es tut in der Seele weh, wenn man die ausgelaugten, weinenden Eltern beim Frühstück in den Arm nimmt. Wenn sie sich im Bad erbrechen, bevor sie sich (trotzdem!) auf den Weg zur Arbeit machen. Und wenn sie dann tagelang nichts anderes tun können, als mit leeren Gesichtern auf dem Sofa zu liegen.
Junge Leute versuchen alles unter einen Hut zu bringen
Vollzeitstellen stammen aus einer Zeit, in der der Mann das Geld nach Hause brachte und die Frau ihm den Rücken freihielt mit Haushalt, Kindererziehung und täglich frisch gekochtem Essen. Dass diese Zeiten vorbei sind, kann niemanden erstaunen.
Junge Leute wie ich versuchen, alles unter einen Hut zu bringen: Arbeit, Freunde, Beziehung, Sport, Einkaufen, Putzen, Kochen, Hobbys, ehrenamtliches Engagement, genügend Schlaf, mentale Gesundheit und irgendwann Kinder. Und was mich betrifft, bin ich eher besorgt, wie ich den Berufseinstieg schaffe und bald finanziell unabhängig werde, als dass ich immer rechtzeitig Feierabend machen kann.