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Wermuth liest Keller-Sutter die Leviten: «Positionslosigkeit gibt es nicht mehr»

In der ersten SRF-«Arena» von 2025 wurden die «heissesten Eisen» des neuen Politjahres diskutiert. Die anwesende Bundespräsidentin ging zwischen einem Gefecht von SP-Wermuth und SVP-Dettling kurz vergessen.

Einer durfte an diesem Abend ausnahmsweise aufs Handy schauen: Andri Silberschmidt. Moderator Sandro Brotz kündigte zu Beginn der Sendung an, dass der FDP-Vize in diesen Tagen Vater wird und notfalls die Sendung verlassen müsse. «Die Lage ist noch ruhig», versicherte Silberschmidt allerdings.

Dasselbe konnte man von der ersten «Arena» des Jahres nicht behaupten. Unter dem Motto «Neues Jahr, neue Herausforderungen» hatten Sandro Brotz und sein Team zur politischen Aufwärmrunde zum Jahresbeginn geladen. Mit hohem Besuch. Die frisch gewählte Bundespräsidentin traf an diesem Abend im Studio 8 in Leutschenbach auf die Spitzen der Bundesratsparteien oder ihre Vizes.

Allerlei Innen- und Aussenpolitisches stand auf der Traktandenliste: Bundesfinanzen und Schuldenbremse, die Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU, ein kriselndes Europa und die baldige Präsidentschaft Donald Trumps.

Karin Keller-Sutter, Bundespräsidentin

Marcel Dettling, Präsident SVP

Cédric Wermuth, Co-Präsident SP

Andri Silberschmidt, Vizepräsident FDP

Gerhard Pfister, Präsident Die Mitte

Eine (aus-)gelassene Bundespräsidentin

«Guten Abend, Frau Bundespräsidentin», begrüsste Brotz Keller-Sutter zum Eins-zu-Eins zu Beginn der Sendung. Brotz hatte ihr an diesem Abend seinen Stammplatz in der Mitte überlassen.

Ein Einspieler der ausgelassen zur Musik hüpfenden Karin Keller-Sutter nach ihrer Wahl zur Bundespräsidentin entlockte ihr und dem Publikum noch ein Lachen.

Danach wurde es ernst.

Verlorene Abstimmungen, der PUK-Bericht zur CS-Krise, mögliche Telefonate mit «Herr Putin» und Keller-Sutters neuer X-Account. Dieser erste Austausch war eine kleine Kostprobe davon, welche Palette an Themen sich die Sendung vorgenommen hatte.

Wie sie im bevorstehenden Jahr die Lockerheit behalten werde, wollte Brotz noch von ihr wissen. «Es braucht eine gewisse Gelassenheit.» Und: zu wissen, was wirklich wichtig sei. Den Account auf X wolle sie nach Ablauf ihrer Zeit als Bundespräsidentin übrigens wieder löschen, er erfülle rein repräsentative Zwecke.

Hellebarde statt EU

Weniger gelassen zeigte sich SVP-Präsident Marcel Dettling, als die Runde mit dem ersten Themenblock zu den Beziehungen zwischen der Schweiz und der EU startete.

Zwar hatte er die Hellebarde, mit der er Ende Dezember vor dem Bundeshaus gegen die Verhandlungen mit der EUprotestierthatte, zuhause gelassen. An verbalem Geschütz fehlte es ihm jedoch nicht, um seinen Missmut kundzutun.

FDP-Vize Andri Silberschmidt versuchte noch, Dettling mit der Zuwanderung zu beschwichtigen, die mit einer geregelten Beziehung zwischen der Schweiz und der EU besser «gemanaged» werden könnte. «Netto» könnten so auch mehr Personen in andere Länder zurückgeschickt werden. Aber auch das überzeugte Dettling nicht.

Die EU wolle nur abkassieren und die Schweiz müsse zukünftig in Brüssel für alles um Erlaubnis bitten gehen. Die Vorteile lägen im «Promillebereich».

Da wurde der SP-Co-Präsident Cédric Wermuth zum ersten Mal ungeduldig:

«Ich weiss gar nicht, was Sie für ein Problem haben.»

Für Wermuth bedeuteten die Verträge vielmehr einen Souveränitätsgewinn, weil damit im Streitfall mit der EU Rechtssicherheit gegeben sei.

Die Kritik am Bundesrat wegen zu zögerlicher Kommunikation zu den Verhandlungen wies die Bundespräsidentin zurück:

«Wir sind nicht irgendein PR-Büro.»

Zu gegebener Zeit werde der Bundesrat das Parlament und die Öffentlichkeit über die genauen Ergebnisse der Gespräche informieren. Da die Debatte ein beträchtliches Spaltungspotenzial aufweise, wovon auch diese «Arena» zeuge, müsse besonders nüchtern und sorgfältig kommuniziert werden.

Kurz versuchte Brotz noch, dem bald abtretenden Mitte-Präsidenten Gerhard Pfister ein Wort zu seinen Bundesratsambitionen abzuringen. «Könnten Sie gut mit Gerhard Pfister in der Landesregierung zusammenarbeiten?», fragte Brotz direkt an Keller-Sutter gewandt. Diese musste nicht lange überlegen: «Tiptop.» Viel mehr als ein verlegenes Lachen liess sich Pfister allerdings nicht entlocken. Wenn Mitte-Bundesrätin Viola Amherd Amtsmüdigkeitserscheinungen aufzeige, könne Brotz ihn dann nochmals fragen.

Was tun mit Trump, Musk, Kickl und Co.?

So richtig zum Glühen kamen die angekündigten «heissen Eisen» jedoch erst beim nächsten Thema. Was mit einer Diskussion über die aussenpolitischen Beziehungen zu den USA begann, endete in der Grundsatzfrage, wie die offizielle Schweiz mit rechtspopulistischen und rechtsextremen Kräften in Europa umgehen soll.

Zunächst war aber noch Donald Trump dran. Brotz’ Frage in die Runde: Ein verurteilter Straftäter als Präsident der USA – sind gute Beziehungen zu den USA dennoch höher zu gewichten?

Ein Urteil über die Wahlentscheidung der US-Amerikaner und -Amerikanerinnen wollte sich niemand anmassen. Silberschmidt und Keller-Sutter betonten jedoch, wie wichtig ein gutes Verhältnis der Schweiz zu den USA sei, insbesondere in wirtschaftlicher Hinsicht. Ob man Trump gut finde oder nicht, sei zweitrangig.

Anders klang es vonseiten des SP-Co-Präsidenten. Trump bewege sich ausserhalb des demokratischen Rahmens, wovor die offizielle Schweiz nicht die Augen verschliessen dürfe:

«Positionslosigkeit gibt es nicht mehr.»

Die Bundespräsidentin beunruhigten Trumps jüngste Aussagen zu Grönland, Kanada oder dem Panamakanal weniger. Trump habe schliesslich auch in seiner ersten Amtszeit nicht alles wahr gemacht, was er angekündigt hatte. Über die Weihnachtstage habe Keller-Sutter zur Vorbereitung ausserdem Trumps Buch gelesen:

«Man muss nicht alles für bare Münze nehmen, was Trump jetzt sagt.»

Dettling hielt Trump zugute, dass dieser während seiner ersten Präsidentschaft immerhin keinen Krieg angezettelt habe. Ausserdem setze er Hoffnungen auf Trump in Bezug auf denUkraine-Krieg.

Die Menschen hätten die Nase voll von den «falschen Versprechungen der Demokraten», sagte Dettling in Wermuths Richtung:

«Ich hüte mich davor, Trump zu bewerten.»

Der Handel mit den USA hätte unter Trumps Administration floriert.

Auch Elon Musk und seine jüngsten Einmischungen in die europäische Politik blieben nicht undiskutiert in der «Arena». Silberschmidt sorgte sich weniger um Musk als um die Beeinflussung durch eine kommunistische Partei oder einen Staat durch Algorithmen auf TikTok.

Wermuth sah das, wenig überraschend, anders:

«Mich erschreckt die Nonchalance, mit der hier über das gesprochen wird, was in den USA passiert.»

Mit seiner Einmischung in die europäische Politik habe Musk eine rote Linie überschritten.

Keller-Sutter beschrieb Musk, auf Brotz’ Frage hin, lapidar als «erfolgreichen und reichen Unternehmer»:

«Man könnte auch sagen: Er ist ein Provokateur. Und ihn ignorieren.»

Weiter ging es nach Österreich: Auch darüber, dass Herbert Kickl, dessen Partei FPÖ rechtsextreme Züge aufweist, bald Bundeskanzler in Österreich werden könnte, zeigte sich Keller-Sutter nicht besorgt:

«Wir müssen unabhängig von den Personen, die gerade an der Macht sind, ein gutes nachbarschaftliches Verhältnis pflegen.»

Wermuth schaltete sich wieder ein, um die Runde daran zu erinnern,was Kickl und seine FPÖ für Österreich planten.

Dettling zeigte sich ratlos:

«Mich würde interessieren, mit wem Herr Wermuth noch reden möchte.»

Die Frage sei doch, wieso so viele Leute Parteien wie die FPÖ oder die AfD wählten. Das müsse man ernst nehmen.

Einen kurzen Moment lang war Wermuth mit Dettling einverstanden. Dann fügte er an: «Es gibt einen Unterschied zwischen Verstehen und Legitimieren.»

Brotz, der das «verbale Gefecht zwischen den Polen» eine Weile hatte gewähren lassen, nahm die Zügel schliesslich wieder in die Hand. Er versuchte, den Fokus zurück auf die Bundespräsidentin und den letzten Block, die Bundesfinanzen, zu legen.

Nach fast 90 Minuten «Arena» erhielt die Bundespräsidentin schliesslich das Schlusswort. Sie appellierte an das gemeinsame Fundament. In der «Arena» könne man sich streiten, im Parlament gelte es jedoch, die Herausforderungen des kommenden Politjahres anzugehen:

«Wir müssen dort, wo wir handlungsfähig sind, handeln.»

Wie sich an diesem Abend zeigte, wird die Frage, wo die Schweiz handlungsfähig ist oder sein sollte, allerdings gar nicht so leicht zu beantworten sein.