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Deshalb ist Viktor Orbán plötzlich Trumps Vorbild – und Meinungsführer der konservativen Welt

Viktor Orbán spielt als Ministerpräsident des 9-Millionen-Landes Ungarn neuerdings auf der politischen Weltbühne mit. Doch für den Erfolg geht der rechte Revolutionär eine riskante Wette ein.

Was europäische Politiker machen, spielt bei den US-Wahlen normalerweise keine grosse Rolle – zu unwichtig ist der Kontinent für Amerikaner. Das sieht man auch daran, dass die demokratische Präsidentschaftskandidatin Kamala Harris erst 2021 erstmals den Kontinent besuchte. Doch bei der Präsidentschaftsdebatte zwischen Harris und Trump wurde der Name eines europäischen Politikers überraschend ins Bewusstsein der 67 Millionen amerikanischen Zuschauer katapultiert: Viktor Orbán.

Als Antwort auf die Behauptung der Demokratin, Staatsoberhäupter würden über Donald Trump lachen, bezeichnete dieser den ihm wohlgesinnten ungarischen Ministerpräsidenten als«einen der meistrespektierten Staatsführer» und als «starken und intelligenten Mann». Ähnlich wie zuvor schon Trumps Vizekandidat JD Vance, der in einem Interview sagte, die USA könnten sehr viel von Ungarn lernen.

Zufall ist das nicht. In den letzten Jahren hat sich Orbán zum wichtigsten Vordenker der konservativen Welt entwickelt. Er gehört seit 26 Jahren zu den Spitzenpolitikern seines Landes und ist damit einer der dienstältesten amtierenden Staatschefs. Seit einigen Jahren arbeitet Orbán zudem an einer konservativen Revolution, die er nicht nur in Ungarn vorantreibt, sondern in der ganzen Welt. Er trat in den letzten Jahren mehrmals an Konferenzen der Republikanischen Partei in den USA auf, um für eine geeinte Front gegen die «woke Ideologie» zu werben.

Orbán hat Europas Rechtsaussen-Parteien vereinigt

Vor drei Jahren gab er als erster europäischer Staatschef dem Fox-News-Moderator Tucker Carlsonein Interview, indem er der Weltöffentlichkeit seine Alternative zur Politik des westlichen Establishments vorstellte. Kern von Orbáns Botschaft war damals, dass sich die rechten Kräfte international zusammenschliessen und gegen die migrationsfreundliche Politik aus Brüssel und Washington wehren sollten. Der 61-Jährige forderte weiter die Rückbesinnung auf traditionelle christliche Werte und die abendländische Kultur. Seit dem Interview hat Orbán seine internationalen Bemühungen ausgebaut. Er tritt regelmässig bei Anlässen von konservativen Organisationen auf,unter anderem in Zürich bei einer Feier der «Weltwoche».

Ausserdem hat der ungarische Ministerpräsident den ersten internationalen Kongress für konservative Politiker in Europa ins Leben gerufen, ein Klassentreffen der versammelten rechten Politprominenz aus ganz Europa in Budapest. Ähnlich wie die CPAC-Konferenz in den USA, wo die Republikaner jeweils die Schwerpunkte ihrer Politik für das kommende Jahr festsetzen – nur grösser. Der Kongress in Budapest fand dieses Jahr zum dritten Mal statt und zog konservative Politiker aus aller Welt an. Zu den Rednern gehörten unter anderem schon Jordan Bardella aus Frankreich, Geert Wilders aus den Niederlanden und Roger Köppel.

Ideologie ist ihm wichtiger als Realpolitik

Seine Strategie der internationalen Vernetzung hat Orbán dieses Jahr einen ersten politischen Grosserfolg gebracht: Seit diesem Sommer haben die Rechtsaussenkräfte Europas eine neue Koalition im Europäischen Parlament, die «Patrioten für Europa». Dem derzeit drittgrössten Bündnis gehören 13 konservative Parteien an, darunter das Rassemblement National aus Frankreich und die FPÖ aus Österreich. Als starke Figur hinter den Kulissen gilt aber jener Mann, der die Gründung dieses Bündnisses schon seit Jahren vorbereitet hat: der Chef der ungarischen Fidesz-Partei.

Wie erfolgreich die Koalition wird und wie es mit der von Orbán propagierten Revolution von rechts weitergeht, hängt nun stark von den Wahlen in den USA statt. Dies hat Orbán selbst verschuldet, indem er sich undiplomatisch deutlich für Trump als nächsten US-Präsidenten ausgesprochen hat. Im Falle eines Wahlsiegs von Kamala Harris dürften auf Orbán zumindest international ziemlich schwierige Zeiten zukommen. Eine von den Demokraten gestellte Regierung wird beispielsweise kaum zu Hilfen für das wirtschaftlich stark schwächelnde Ungarn bereit sein. Ein diplomatischer Konflikt mit den USA würde ebenso Orbáns Pläne für den internationalen Kulturkampf gegen den «Wokeismus» zunichtemachen.

Zumindest zu Hause hat der Ideologe in den nächsten Jahren aber nichts zu befürchten. Die nächsten Parlamentswahlen in Ungarn stehen erst 2026 an und starke Gegner sind momentan nicht in Sicht. Das wäre Orbán vermutlich sowieso egal. Schliesslich hat er mit seinen überdeutlichen Statements zum amerikanischen Wahlkampf bereits gezeigt, dass er aus konservativer Überzeugung handelt – auch wenn das irgendwann zu seinem politischen Ende führen könnte.