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Sie wird sogar zum Dessert gegessen: Wieso die Zwiebel das Trendgemüse der Stunde ist

Man kennt die Zwiebel als Geschmacksveredlerin. Doch das vielseitige Gemüse hat mehr Beachtung verdient.

«Es isch es choge Züg mit dene cheibe Bölle.» Ist es tatsächlich. Zwar stammt dieser Satz aus dem Film «Die Schweizermacher». Dort ging es darum, dass er von den Einbürgerungswilligen so lange aufgesagt werden musste, bis der Lehrer damit zufrieden war. Aber auch in der Küche ist es nicht immer einfach mit den Zwiebeln. Den einen tränen die Augen, den anderen gefällt der Geschmack nicht. Und dann erst die Finger, die nachher stundenlang danach riechen! Einfach «es chöge Züg».

Dabei zählen Zwiebeln zu den mit Abstand ältesten Gemüsesorten. Bereits seit 5000 Jahren werden sie von Menschen genutzt. In unsere Breitengrade gelangte die Knolle allerdings erst im Mittelalter. Was sie vor allem auszeichnet, ist der hohe Kalium- und Vitamin-C-Gehalt. Sie belegen direkt hinter Tomaten und Rüebli den dritten Platz der meist konsumierten Schweizer Gemüsesorten.

Und nun scheint die Zwiebel sogar zum neuen Trendgemüse zu avancieren. Nicht einfach nur als Zugabe und Geschmacksveredlerin für Saucen, Suppen, Fonds oder Marinaden. Sondern in der Hauptrolle. Tatsächlich kann die Zwiebel viel mehr bieten, wenn man ihr den nötigen Raum gibt. Sie lässt sich bestens schmoren, frittieren, backen – und sogar als Dessert verarbeiten.

Elif Oskan, die Zürcher Köchin mit türkischen Wurzeln vom Restaurant Gül, ist ein absoluter Zwiebel-Fan. Wäre sie ein Gemüse, dann am liebsten eine Zwiebel: «Sie ist robust, vielschichtig, grosszügig, für alle da und spricht verschiedene Sprachen.» Und die Zwiebel werde manchmal unterschätzt.

«Hat man sie jedoch nicht zur Hand, vermisst man sie.»

In der türkischen Küche, so Oskan, habe die Zwiebel einen Stellenwert wie Milch in der Schweiz, sprich: unersetzlich.

Für jedes Gericht eine andere Zwiebel

Ihre Leidenschaft für das Gemüse zeigt Oskan mit einem wunderbaren Gericht, das noch dazu ganz einfach ist: der Zwiebelblume. Das Rezept findet man in ihrem neu erschienenen Kochbuch Cüisine. Dazu braucht es – neben der Zwiebel – Olivenöl, Salz, Granatapfel­dicksaft und etwas Sumach, dem typisch türkischen Gewürz, das aus den roten Steinfrüchten des immergrünen Färberbaumes gewonnen wird. Sie passt perfekt zu Pilaw-Gerichten oder als eigenständiges Gericht mit Brot.



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Je nach Gericht kommt es aber darauf an, welche Zwiebelsorte man verwendet. Rote Zwiebeln oder Schalotten nimmt Elif Oskan zum Backen, Frühlingszwiebeln für den Salat oder als Beilage. Gelbe Zwiebeln für Eintöpfe, Silberzwiebeln zum Grillieren und weisse, süsse Zwiebeln zum Rohessen.

Wer noch mehr Süsse mag, wählt die Tropea-Zwiebel, di Cipolla di Tropea. Diese längliche Zwiebel aus Kalabrien hat einen lieblichen Geschmack und eine gut verträgliche Schärfe. Kochbuch-autor Claudio Del Principe verwendet sie so oft wie möglich. Sogar als Marmelade. Und diese isst er am liebsten zu Fleischgerichten, Gegrilltem oder als würzig-süsse Unterlage in einem Sandwich.



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Stefan Jäckel wiederum, Küchenchef im «Storchen» in Zürich, gart die Zwiebel im Ofen, füllt sie mit Risotto und gibt eine Zwiebelcreme dazu.

Nützliche Tipps gegen unnötige Tränen

Wer nun, anders als die besagten Köche, die Zwiebel trotzdem nicht gleich in den Mittelpunkt stellen möchte, sollte ihr wenigstens beim Anbraten mehr Zuwendung schenken. Bei Asma Khan scheint dies so etwas wie die Königsdisziplin zu sein. «Es gibt keine Abkürzung beim Anbraten von Zwiebeln», findet die britische Spitzenköchin mit indischen Wurzeln. In ihrem Kochbuch «Asmas Indische Küche» beschreibt sie jeden Schritt so sorgfältig und mit derart viel Fingerspitzengefühl, dass man sich fragt, wie gleichgültig man bisher doch Zwiebeln angebraten hat.


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Apropos Fingerspitzen: Der zu Beginn besagte lästige Zwiebelgeruch lässt sich ganz einfach beseitigen, wenn man den Trick von Kulinarikexperte Patrick Zbinden befolgt: Man reibt die nassen Finger für kurze Zeit an der Wand der Chromstahl-Spüle oder an einem Metalllöffel.

Es existieren auch ein paar Kniffs, um die unangenehmen Tränen zu vermeiden. Das Wichtigste dabei ist ein scharfes Messer. So zerdrückt man die Zellen nicht zu sehr und die Zwiebel dünstet weniger aus. Manche Köchinnen oder Köche benetzen sie mit Wasser oder schälen sie im Wasserbad. Oder man schneidet sie unter laufender Dunstabzugshaube.

Übrigens ist der Augen-Reizstoff Thiopropanal-S-oxid der Zwiebel nicht dazu da, die Menschen zu ärgern, sondern ein wirksamer Schutz gegen hungrige Nager wie Ratten oder Wühlmäuse. Dieses Wissen sorgt doch gleich für ein bisschen mehr Harmonie in der Küche. Die hat sich die Zwiebel auch redlich verdient.