Irren ist menschlich: Richard David Precht rudert bei seinen Ukraine-Tipps zurück
«Ich weiss, dass ich nichts weiss», soll der griechische Strassenphilosoph Sokrates als Motto seines Nachdenkens und seiner Gespräche vor 2500 Jahren gesagt haben. Damit beginnt humanes Denken. Heutige Fernsehphilosophen vom Schlage eines Richard David Precht kennen das Bonmot. Aber mit solcherlei Selbstzweifeln wird man natürlich in keine Talkshow eingeladen. Deshalb hat Precht die Figur des öffentlichen Philosophen neu erfunden. Leider erfolgreich. Denn seine aufdringliche Rechthaberei und sein forsches Universalratgebertum geht vielen seit langem auf den Wecker – nun muss er kleinlaut zurückrudern.
Die Schadenfreude wird ihm gewiss zuteil. Wer von der Digitalisierung bis zum bedingungslosen Grundeinkommen, vom derzeitigen Schulsystem über Flüchtlingspolitik, CO2-Ausstoss und der Globalisierung bis hin zum Krieg in der Ukraine ständig mit flotten Lösungen und Tipps an die Regierenden und die Weltgemeinschaft hausiert, der tappt gelegentlich in das Fettnäpfchen der Hauruck-Denker. Im Frühling noch riet er zusammen mit Dutzenden weiteren deutschen Intellektuellen der Ukraine zum Verhandlungsfrieden mit Russland – was wohl einer Kapitulation gleichgekommen wäre.
Aber nun streut Precht Asche aufs Haupt. «Erkenne Dich selbst» – so lautet ein weiteres, sehr altes philosophisches Motto. Daran scheint er sich erinnert zu haben, als er diese Woche auf einem Düsseldorfer Podium bekannte, er sei einer Fehleinschätzung aufgesessen: «Die Ukraine in eine Position der Stärke zu bringen, ist viel besser geglückt, als nahezu alle Beobachter, auch ich, zu hoffen gewagt haben.» Aber er hätte hinzufügen sollen: Ein Fernsehphilosoph macht sich als Nachplapperer von Expertenprognosen überflüssig. Weit weg vom Geschehen, ohne Kenntnisse, aber mit ethischen Grundüberlegungen konkrete politische Ratschläge zu geben, gleicht halt oft mehr Astrologie als Philosophie.
Noch Ende Juni forderten zusammen mit Precht auch die Schriftstellerin Juli Zeh, der Soziologe Harald Welzer, der Filmemacher Alexander Kluge und einige andere einen Waffenstillstand und von den westlichen Regierungen ein Überdenken der Waffenlieferungen an die Ukraine. Skurril daran war vor allem das paternalistische Gebaren. Denn eingekleidet von der Sorge um Menschenleben blieb in den offenen Briefen an die «Weltgemeinschaft» mit keinem Wort berücksichtigt, was die ukrainische Bevölkerung will, also die direkt Betroffenen. Auf eitles, frei schwadronierendes Geschwafel kann man gerne verzichten. Wenn Philosophen wie Politiker reden, sagen sich bald auch die TV-Zuschauer: verzichtbar.