Schweiz mit bemerkenswertem Schritt gegen China – Peking reagiert trotz Drohung nicht
Der Entscheid ist bemerkenswert. Zum ersten Mal während des Ukrainekrieges hat der Bundesrat Sanktionen gegenüber chinesischen Unternehmen ergriffen. Dies, obschon Chinas Vertreter in jüngster Vergangenheit immer wieder vor einem solchen Schritt gewarnt hatten.
Im Rahmen des 11. Sanktionspaketes der EU gegen Russland, das der Bundesrat vergangene Woche übernommen hat, werden Organisationen sanktioniert, die Russland in seinem Angriffskrieg unterstützen. Neu sind Unternehmen dabei, die in China, Usbekistan, den Vereinigten Arabischen Emiraten, Syrien und Armenien registriert sind.
3 Unternehmen aus Hongkong betroffen
Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO konkretisiert gegenüber watson: «Das 11. Sanktionspaket enthält diverse Massnahmen, darunter ein Exportverbot von dual-use Gütern und Gütern zur militärischen und technologischen Stärkung Russlands an 87 zusätzliche Unternehmen. Dabei handelt es sich demnach um eine Handelsbeschränkung von bestimmten strategischen Gütern. Darunter befinden sich auch Unternehmen aus Drittländern, welche solche Güter nach Russland geliefert haben, davon drei Unternehmen, die in Hongkong registriert sind.»
Die betroffenen Unternehmen sind gemäss SECO: Asia Pacific Links Ltd., Tordan Industry Limited und Alpha Trading Investments Limited. Sie stehen unter anderem unter Verdacht, Bestandteile für Drohnen nach Russland zu liefern. Der Bundesrat habe sich nach einer «eingehenden aussenpolitischen, aussenwirtschaftlichen und rechtlichen Interessensabwägung» entschieden, sich dem Sanktionspaket anzuschliessen, so das SECO.
Drohungen aus Peking
Als im Mai bekannt wurde, dass die EU chinesische Unternehmen ins Visier nimmt, reagierte Peking umgehend. Die Beziehungen würden sich verschlechtern, teilte das Aussenministerium mit. China werde entschlossene Massnahmen ergreifen, um seine Interessen zu schützen.
Nun hat sich die EU trotz der Drohungen für diesen Schritt entschieden – und die Schweiz ebenso. Das Pikante daran: Im vergangenen Herbst warnte der chinesische Botschafter, Wang Shihting, den Bundesrat ausdrücklich vor Sanktionen. Chinas Vertreter in Bern sagte gegenüber der NZZ, dass die chinesisch-schweizerischen Beziehungen «leiden» würden.
Allerdings ging es damals nicht um Sanktionen gegen Russland, sondern um solche, welche die EU wegen mutmasslicher Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang ergriff.
So reagiert die Politik
Elisabeth Schneider-Schneiter begrüsst den Entscheid des Bundesrates. «Ich finde es wichtig, dass die Schweiz die EU-Sanktionen übernimmt. Ich unterstütze diesen Schritt sehr», sagt die Mitte-Nationalrätin gegenüber watson. «Es ist wichtig, dass der europäische Kontinent am gleichen Strick zieht und die Ukraine unterstützt.»
«Wenn chinesische Firmen die Russen bei diesem völkerrechtlich verwerflichem Akt unterstützen, ist es für mich klar, dass wir diese sanktionieren müssen.» Peking werde die Sanktionen verurteilen, ist sich die Mitte-Politikerin sicher. «Aber das müssen wir aushalten können.»
Ähnlich klingt es bei Tiana Angelina Moser, die wie Schneider-Schneiter Einsitz in die aussenpolitische Kommission (APK) des Nationalrates hat. «Ich bin für eine konsequente Sanktionsübernahme. Die völkerrechtliche Lage im Ukraine-Krieg ist so klar, dass dieser Schritt richtig ist.»
«Es ist möglich, dass die Sanktionen zu Irritationen mit China führen, aber das müssen wir in Kauf nehmen», sagt die GLP-Politikerin. «Die Schweiz muss für ihre Grundwerte einstehen.»
Anders sieht es der Präsident der APK, Franz Grüter. «Die Sanktionen haben bis jetzt faktisch keine Wirkung erzielt», sagt der SVP-Mann. Daran werde auch das 11. Sanktionspaket nichts ändern. «Die Schweiz belastet mit der Übernahme das Verhältnis zu China, was sie nicht tun sollte», so Grüter. «Ich bedauere diesen Schritt. So wird es für die Schweiz zunehmend schwieriger, aktiv an einem Friedensplan mitzuarbeiten.»
Für Fabian Molina von der SP zeigt der aktuelle Fall «die Absurdität der Schweizer Sanktionspolitik». Seit zwei Jahren drücke sich der Bundesrat vor einem Entscheid, ob er die Sanktionen gegen China wegen der Menschenrechtsverletzungen in der Provinz Xinjiang übernehmen solle. «Nun übernimmt man im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg alle Sanktionen, weil es gerade politisch opportun ist.»
«Dem Bundesrat geht es primär immer um die wirtschaftlichen Interessen», sagt der SP-Nationalrat. «Er will auf keinen Fall das Freihandelsabkommen und die privilegierte Position mit China in Gefahr bringen, die Johann Schneider-Ammann und Ueli Maurer aufgebaut haben.»
Die Schweiz übernehme die Sanktionspakete gegen Russland nur, weil der Druck aus dem Ausland und Inland zu gross geworden sei. Unter anderem hätten die USA den Schweizer Banken damit gedroht, den Marktzugang wegzunehmen. «Die Schweiz hatte jahrzehntelang keine Mühe, sich mit russischen Oligarchen ins Bett zu legen. Doch jetzt hat sich der Wind gedreht. Am grundsätzlichen Geschäftsmodell mit dreckigem Geld hat sich aber nichts geändert.»
Keine Reaktionen Chinas
Das 11. Sanktionspaket ist seit knapp einer Woche in Kraft. Peking hat seinen Drohungen bisher noch keine Taten folgen lassen. «Dem SECO sind keine Reaktionen vonseiten Chinas bekannt», sagt SECO-Sprecher Fabian Maienfisch gegenüber watson. Die chinesische Botschaft in Bern liess eine Medienanfrage von watson unbeantwortet.
Fabian Molina befürchtet aufgrund des Sanktionspaketes keine Verschlechterung der bilateralen Beziehungen. «Daran hat China kein Interesse. Wenn es deswegen ein Fass aufmachen würde, würde es die Schweiz noch mehr in die Arme des Westens treiben.»