«In unser Handwerk fliessen Herzblut und Wissen»: Warum Kakteen Gautschi Kunden aus dem In- und Ausland in den Aargau lockt
Kugelig und stachelig, strauchig und haarig, knollig und schlaksig, buschig und schuppig: Fülle und Vielfalt sind faszinierend und beeindruckend gleichermassen im Glashaus von Kakteen Gautschi in Schafisheim. Über 100’000 Pflanzen reihen sich auf mehr als 2000 Quadratmetern aneinander. Kultiviert werden rund 800 Kakteen- und andere Sukkulentenarten – «vom besten Team der Welt am schönsten Arbeitsplatz der Welt», sagt Geschäftsinhaberin Regula Kieser-Gautschi mit spürbarer Begeisterung beim kurzweiligen Besuch an diesem sonnig-warmen Sommermorgen. «In unser Handwerk fliessen Herzblut, Erfahrung und Wissen.»
Viele Leute geniessen es, fährt die aufgestellte 42-Jährige fort, sich beraten zu lassen. «Wir leben tagtäglich mit den Pflanzen, kennen uns damit aus, wie und wo sie am besten gedeihen.» Auch unterstützen sie bei Problemen, seien es Standortschäden oder Schädlingen, bieten einen Umtopfservice an oder beantworten Anfragen per E-Mail. «Wir helfen gerne weiter.»
Am ersten Juli-Wochenende feiert das Familienunternehmen das fünfzigjährige Bestehen mit einem rauschenden Kakteenfest. Regula Kieser-Gautschi freut sich auf einen fröhlichen Anlass mit ausgelassener Stimmung, auf das Echo zum frischen Firmenauftritt.
Eigene Kakteen-Gärtnerei war ein Bubentraum
Ihr heute 71-jähriger Vater Max Gautschi legte den Grundstein. Es sei schon sein Bubentraum gewesen, eine eigene Kakteen-Gärtnerei zu eröffnen, blickt er mit einem Schmunzeln zurück. Kurz nach der Gärtnerlehre ergab sich die Gelegenheit, ein Stück Land am Dorfrand zu pachten und das erste Gewächshaus zu erstellen. In den Anfängen verkaufte er seine Pflanzen an verschiedenen Märkten. Ab Mitte der Siebzigerjahre konnte er den Grossverteiler Coop beliefern. Der Betrieb wuchs heran, zählte sechs Angestellte.
Nach jahrelanger Planungsphase lag 1996 die Baubewilligung für das Glashaus vor. Vor dem Beginn der Arbeiten beschloss Gautschi, einen sogenannten «Kilo-Verkauf» durchzuführen – also ein Kilo Ware für 5 Franken abzugeben, um im Neubau mit neuem Sortiment starten zu können. «Es hatte sich viel angesammelt.» Tochter Regula, damals im Teenageralter, kann sich lebhaft erinnern. «Von überall her strömten die Leute herbei mit Autos, Töffli, Bussen und Anhängern. Wir wurden komplett überrannt.»
Im Jahr 2000 kündigte Coop die Zusammenarbeit mit vielen der – kleineren – Lieferanten, unter ihnen Kakteen Gautschi. Auf einen Schlag brach die Hälfte des Umsatzes weg. Das sei zuerst ein schwieriger Moment gewesen, habe sich rückblickend aber als Glücksfall herausgestellt, sagt Max Gautschi. «Wir konzentrierten uns in der Folge hauptsächlich auf die Privatkundschaft.»
Nach dem erfolgreichen «Kilo-Verkauf» lancierte das Unternehmen ein jährliches Sommerfest, die beliebte «Kaktus-Chilbi» – bis 2019 Corona kam. Für sieben Wochen war das Geschäft geschlossen. «Zu diesem Zeitpunkt hat alles wunderbar geblüht im Gewächshaus und niemand wusste, wohin die Reise führen wird», hält Regula Kieser-Gautschi fest. «Das war eine Herausforderung.» Zum Glück habe ihr Online-Shop bereits bestanden. Mehrmals täglich hätten sie die Pakete per Post aufgegeben. Am Schluss habe Kakteen Gautschi, wie andere Gärtnereien auch, zu den Gewinnern der Krise gehört, weil die Leute in Pflanzen und Gärten investierten. Mittlerweile werde mit dem Online-Shop vor allem das Ziel verfolgt, die Leute «gluschtig» zu machen und zu einem Besuch im Glashaus anregen zu können, sagt Regula Kieser-Gautschi.
Sie hat schon als Kind im Betrieb mitgeholfen und Preisschilder zurechtgeschnitten. Aber sie habe alles andere werden wollen als Kakteen-Gärtnerin, sagt sie mit einem ansteckenden Lachen. Doch während der Zeit an der Uni in Zürich habe sie festgestellt, «dass ich hierhin gehöre». 2022 hat sie den Betrieb übernommen.
Junge zeigen Interesse an Natur und Pflanzen
Zum bevorstehenden Firmenjubiläum am 1. und 2. Juli sei die Pflanzenauswahl noch etwas grösser als sonst, liessen sich viele Neuheiten entdecken, sagt die Geschäftsinhaberin. Speziell sei das Zelt mit den Aktionen, etwa den prall gefüllten Kisten für 50 Franken. Verschiedenes ist zum halben Preis erhältlich, und an der Kasse rattert ein Rabatt-Glücksrad. Ein Anziehungspunkt sei weiter die Kaktusküche mit Gerichten aus Nopales, den mexikanischen Kaktussprossen, sagt Regula Kieser-Gautschi. Zubereitet werden ein Chili con Carne und ein Kaktussalat. Für Familien mit Kindern sind zwei Karusselle aufgestellt, beim Quiz ist das Wissen über Kakteen gefragt.
Die Besucherzahl sei sehr wetterabhängig, antwortet Senior-Chef Max Gautschi auf die entsprechende Frage. An den früheren «Kaktus-Chilbi» hätten jeweils um die tausend Autos gezählt werden können aus der ganzen Schweiz und aus dem nahen Ausland. Die Besucherinnen und Besucher sollten übrigens etwas Bargeld mitnehmen, um Wartezeiten zu vermeiden, lautet sein Tipp. Denn ein Kartenterminal stehe nur an der regulären Kasse im Glashaus zur Verfügung.
Regula Kieser-Gautschi ist gespannt auf das Wiedersehen mit den treuen Kundinnen und Kunden, aber auch auf neue Kontakte. Durch die Präsenz in den sozialen Medien, auf Facebook und Instagram, würden sie von vielen Jungen entdeckt. «Wir profitieren vom Zeitgeist, vom grossen Interesse an Natur und Pflanzen.» Geschätzt werde ebenfalls die Qualität. «Wir stellen unsere Kaktuserde selbst her, kultivieren alles im Tontopf», macht sie ein Beispiel.
Die Vielfalt sei die Stärke von Kakteen Gautschi, habe oberste Priorität, sagt sie zu den Zukunftsplänen. Ein Flugbegleiter aus der Türkei habe einmal gesagt, neben der Sukkulentensammlung in Zürich sei Kakteen Gautschi die schönste Gärtnerei in ganz Europa. «Ein solches Kompliment nehmen wir sehr gerne an.»