Fast eine Million Tischbomben wurden 2024 im Aargau produziert – hauptsächlich für Silvester: Befüllen kann man sie auch ganz individuell
Wer die Räumlichkeiten des ProSpiel-Fachgeschäfts im Schinznacher Industriequartier betritt, wird wieder Kind. Hier findet sich nicht nur der beliebte «Dökterlikoffer», sondern auch Bagger, Eisenbahnen, Sandkästen, Kletterhäuschen, Puppen, Spiele und Bastelartikel in allen Varianten. «Es ist ein Paradies», schmunzelt auch Mathias Stocker, der zum Treffen mit der Aargauer Zeitung seinen dreijährigen Sohn Lenny mitgebracht hat.
Während dieser sich intensiv mit der Briobahn beschäftigt, führt sein Vater durch die einladend gestalteten Räume. «Wir wählen unsere Artikel und Materialien gezielt aus», erklärt der Marketingleiter der Constri AG, zu der die 1969 gegründete Marke ProSpiel gehört. Im Mittelpunkt stünden pädagogisch wertvolle Spielwaren, Lernmaterialien und Bastelartikel. «Bei uns gibt’s aber auch Möbel und Einrichtungen für Kindergärten und Schulen.» Weitere Sortimente wie Kinder-Funktionsbekleidung der Marke JAKO-O, die speziell für das Spielen und Bewegen draussen in der Natur entworfen wurden, ergänzen das rund 4000 Artikel starke Angebot im Fachgeschäft.
Kein Wunder, wird dieses nicht nur von Privatpersonen, sondern auch von Pädagoginnen und Pädagogen aus dem ganzen Kanton – und darüber hinaus besucht. «Manchmal kommen die Lehrpersonen ganzer Schulhäuser gemeinsam angereist», erzählt Mathias Stocker. Dann führt er zur schweizweit einzigen ganzjährlichen Tischbombenabfüllstation, die eine ganze Ecke des grossen Einkaufsraums ausfüllt. Sie wurde vor einem Jahr eingerichtet und erfreut sich inzwischen grosser Beliebtheit.
«Unsere Firma gleicht einem Puzzle»
Schinznach gilt international als Mekka der Tischbomben. In der 1964 gegründeten Firma wurde nicht nur der europaweit bekannte Constri-Baukasten erfunden, der zur Kindheitserinnerung von Generationen gehören dürfte. Das Unternehmen vereint zudem die Anwendung von Spritzgusstechnik und Bauhilfen für den Betonbau mit dem Vertrieb von Kinderspielsachen unter einem Dach. «Die Firma gleicht einem Puzzle», sagt Stocker schmunzelnd. «Sie besteht aus vielen verschiedenen Bereichen.»
Dieses Jahr hat die Constri AG rund 900’000 Tischbomben produziert und nebst dem Heimatmarkt Schweiz auch das nahe Ausland beliefert. Derzeit ist das Unternehmen in der Hochphase. «Die Tischbomben sind im Grunde ein One-Day-Business», lacht der Marketingleiter. «Wir leben von Silvester.» Natürlich laufe das Geschäft auch auf den 1. August hin, «aber 90 Prozent des Umsatzes machen wir mit Silvester», so Stocker. Die Produktion für die Partys zum Jahreswechsel beginnt jeweils im März, sodass das Lager ab Oktober aufgefüllt ist. Jedes Jahr entstehen neue Kreationen an Tischbomben, viele davon im Auftrag von Detailhändlern oder grösseren Unternehmen. So gibt es beispielsweise eine Kägi-fret-Tischbombe, eine mit Malbuner-Produkten und neu auch eine mit 10er-Mocken im Auftrag von Ricola.
In diesem Riesen-Business erscheint die Abfüllstation wie ein kleiner Zwerg. Und doch ist sie aus dem Schinznacher Laden nicht mehr wegzudenken. «Gerade für Geburtstagsfeiern ist sie sehr beliebt», weiss Mathias Stocker. Denn die Tischbomben kriegen hier einen individuellen Touch. Schon bei der Etikette kann man aus verschiedenen Sujets wählen. Nebst vorgefertigten Modellen, die zum Teil individuell beschriftet werden können, gibt’s auch die Carte-blanche-Version, die man vollständig selbst gestalten kann. Eine Vorlage dazu gibt’s im Internet unterwww.tischbombe.chzum Download.
«Bei einer Tischbombe zählt jedes Gramm»
Was die Füllung angeht, stehen zahlreiche Materialien bereit. «Wir haben aus rund 1000 Varianten, die sich bei uns im Lager befinden, die beliebtesten ausgewählt», sagt Mathias Stocker. «Zu den Highlights zählen nach wie vor die Klassiker – Clownnasen, Masken, Schnäuze und Tröten.» Denn zu einer richtigen Party gehöre auch etwas Lärm. Kinder mögen aber auch kleine Einhörner, Feen, Mini-Puzzles und Spiele. «Bei den selbst befüllten Tischbomben sind zudem persönliche Dinge hoch im Kurs», weiss der 37-Jährige mitunter aus eigener Erfahrung. «Das können kleine Gegenstände sein, Gutscheine oder auch Geld.» Hier seien Noten den Fünflibern allerdings vorzuziehen. «Denn bei einer Tischbombe zählt jedes Gramm.»
Auf einer Waage kann der Inhalt bei der Abfüllstation deshalb überprüft werden. Mit bis zu 255 Gramm darf man eine grosse Tischbombe befüllen. «Ist der Inhalt zu schwer, fehlt die Kraft, um die Dinge hinauszuspicken», erklärt Mathias Stocker. Wer den Behälter nach dem grossen Knall übrigens weiterverwenden will, findet im Fachgeschäft von Pro Spiel und online viele Upcycling-Ideen. Denn ein wertschätzender Umgang mit den Ressourcen ist der Firma wichtig.
Dies gilt auch fürs eigene Personal. Damit die Mitarbeitenden nach den intensiven Tagen einen Gang runterschalten, die Festtage geniessen und in Ruhe Silvester feiern können, ist die Tischbombenabfüllstation in Schinznach-Dorf noch bis und mit Dienstag, 24. Dezember, 17 Uhr, geöffnet. Danach macht die Firma bis zum 5. Januar 2025 Betriebsferien.
Auch Mathias Stocker freut sich auf die Auszeit mit seiner Familie. Und natürlich auf die Tischbombe, die bei ihm an Silvester nicht fehlen darf. Dieses Jahr ist sie «äusserst kindergerecht» befüllt, wie der Marketingleiter mit Blick zur Briobahnstation sagt. Denn am meisten auf den Knallmoment mit Überraschungseffekt freut sich der kleine Lenny.