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Firmenchef mit 72 km/h innerorts geblitzt und gebüsst – weshalb das Bundesgericht das Urteil nun kippt

Er fuhr viel zu schnell durch ein Dorf im Bezirk Bremgarten – und wehrte sich hartnäckig gegen die Busse bis vor Bundesgericht. Der Lenker erhält dort nun recht. Die zentrale Rolle spielen das Messgerät und eine fehlende Dokumentation.

Vor mehr als drei Jahren, an einem Montag im Januar 2022, brauste ein Land Rover kurz vor Mittag, genauer um 11.44 Uhr, durch ein Dorf im Bezirk Bremgarten. Statt mit den innerorts erlaubten 50 km/h unterwegs zu sein, drückte der Lenker derart aufs Gaspedal, dass er mit 72 km/h in einer Geschwindigkeitskontrolle der Regionalpolizei geblitzt wurde.

Eingelöst war das Fahrzeug auf eine Firma, deren Geschäftsführer und mutmasslicher Lenker sich später gerichtlich gegen eine Busse von 600 Franken wehrte. Doch sowohl vor dem Bezirksgericht Bremgarten als auch dem Aargauer Obergericht kassierte er eine Abfuhr und wurde verurteilt. Zur Busse addierten sich mehrere tausend Franken Verfahrenskosten.

Der Firmenchef liess dies nicht auf sich beruhen und zog den Fall weiter vors Bundesgericht in Lausanne. Und siehe da: Seine Beschwerde wurde gutgeheissen und ans Obergericht zur neuen Beurteilung zurückgewiesen. Zudem muss der Kanton den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit 3000 Franken entschädigen,wie aus dem kürzlich publizierten Urteil hervorgeht.

Beweise müssen das Funktionieren des Geräts belegen

Im Zentrum des Urteils stehen das Messprotokoll und das Logbuch der fraglichen Tempomessung im Januar 2022. Der siegreiche Beschwerdeführer rügte, dass das einwandfreie Funktionieren des Messgeräts nicht bewiesen sei und damit die Geschwindigkeitsmessung nicht verwertbar. Aus diesem Grund hätten die Vorinstanzen bei ihren Entscheiden willkürlich gehandelt.

Das Bundesgericht hält nun fest, dass ein fehlendes Messprotokoll, wie es eigentlich vom Bundesamt für Strassen (Astra) vorgeschrieben ist, nicht automatisch zur Unverwertbarkeit einer Messung führen kann. Doch müssten dann anderweitige Beweise die korrekte Funktion zweifelsfrei belegen. Dies sei hier nicht der Fall. Es sei auch nicht ersichtlich, auf welcher Grundlage die vorherigen Gerichte die Messung dennoch als zuverlässig bewertet hätten.

Datum, Uhrzeit, Fahrzeug und Kontrollschild genügen nicht

Das Obergericht hatte in seinen Ausführungen die Ansicht des Bezirksgerichts gestützt. Dieses hatte nichts zu beanstanden gehabt, weil die Messwerterfassung mit dem geschossenen Bild bezüglich Datum, Uhrzeit, Fahrzeugart und Kontrollschild übereinstimmte – und so deren Ansicht nach eine korrekte Messung darstellte. Doch für das Bundesgericht genügt dies nicht. Es betont mit Verweis auf das gänzlich fehlende Messprotokoll in seinem Urteil: «Die Funktionstüchtigkeit des fraglichen Gerätes ist instrumentell nicht erstellt.»

Um welche Art von Messgerät es sich gehandelt hat, erschliesst sich dem Bundesgericht übrigens nicht. Ebenso wenig ist bekannt, ob eine stationäre bemannte oder unbemannte Geschwindigkeitsmessung durchgeführt worden war. Das Gericht geht aber davon aus, dass ein Lasergerät zum Einsatz gekommen ist, weil in den Akten die Rede von einem Toleranzabzug von 3 km/h ist, wie bei solchen Geräten üblich. «Weitere Informationen betreffend das zum Einsatz gebrachte Messgerät liegen nicht vor», so das Bundesgericht.

Nun wird sich das Obergericht also erneut mit dem Blitzerfall aus dem Bezirk Bremgarten befassen müssen. Die Lausanner Richter erklären abschliessend: «Die Vorinstanz verfällt in Willkür, wenn sie den Beschwerdeführer der Überschreitung der Verletzung der Verkehrsregeln durch Missachtung der signalisierten und zulässigen Höchstgeschwindigkeit schuldig spricht.»