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Pub-Wirt Gary McArthur drückt Schottland die Daumen – «wenn sie gegen die Schweiz verlieren, ist das aber okay»

In Lenzburg führt der 35-Jährige das einzige schottische Pub weit und breit. 2010 in die Schweiz gekommen, hat Gary McArthur im Aargau seine zweite Heimat gefunden. Arbeit, Freunde, Kinder – sein Leben könnte nicht besser sein, sagt er.

Die Menschen in Schottland sind üblicherweise ziemlich offen und locker eingestellt. Man kann dort problemlos alleine in ein Pub gehen, mit wildfremden Personen ins Gespräch kommen und schliesslich den ganzen Abend mit ihnen verbringen. Was sich halt so ergibt.

So beschreibt der Schotte Gary McArthur den einen, aber feinen Unterschied zwischen den Menschen in seinem ursprünglichen Heimatland und denjenigen in seiner neuen Heimat, der Schweiz. 2009 kam der heute 35-Jährige nach Aarau. Ein Jahr später eröffnete er mit seinem Bruder Tony dasMcArthurs Pubin der Lenzburger Altstadt. Es istdas einzige schottische Pub weit und breit.

Dieses wurde mit den Jahren zunehmend beliebter. Das Lokal konnte er schrittweise erweitern: Wo die alte Küche stand zum Beispiel, gibt es seit letztem Sommer neue Tische und gepolsterte Sitzbänke. Es entstand auch ein Nebenraum mit Dartwänden, einem Tischfussball- und Billardtisch.

Beim letzten grossen Umbau 2017 erhielten die Wände einen charakteristischen grünen Anstrich. Das keltische Kleeblatt-Symbol findet man überall, darunter auch im Logo des Pubs. Wenn man kurz darüber nachdenkt, ist es eindeutig: Gary McArthur, ursprünglich aus Glasgow, muss ein Celtic-Fan sein und eben nicht einer vom Fussball-Erzrivalen, den Rangers.

Das Logo des «McArthurs» deutet es an: Hier wirtet ein Fan von Celtic Glasgow.
Bild: Andrea Zahler

Die Vermutung bestätigt er. Celtic Glasgow hat für Gary McArthur auch einen viel höheren emotionalen Stellenwert als die schottische Nationalmannschaft. So ergehe es vielen anderen Fussballfans in Schottland; jedenfalls in den Städten, wie er sagt.

Dies könnte auch damit zusammenhängen, dass die schottische Nati nicht besonders erfolgreich ist. Während Celtic oder Rangers bereits europäische Turniere gewannen und es auch in den letzten Jahren immerhin ins Europa-League-Final geschafft haben – etwas, was Schweizer Klubmannschaften noch nicht gelungen ist.

Er tippt auf ein 2:1 für die Schweiz

Mit dieser langen Einleitung erklärt Gary McArthur, warum das EM-Spiel von heute Mittwochabend für ihn nicht so unglaublich wichtig ist. Auch wenn ausgerechnet die Nationalteams von Schottland und der Schweiz aufeinandertreffen. Er sei nicht patriotisch, die schottische Mannschaft zu schlecht und seine Erwartungen an einen Erfolg tief, nach dem 1:5 beim Startspiel gegen Deutschland erst recht.

Die letzte WM-Teilnahme der Schotten liegt lange zurück: 1998 spielten sie in Frankreich mit. An der letzten EM 2021 waren sie zwar dabei, dies aber zum ersten Mal seit 1996. Damals standen sie ebenfalls in der Gruppe mit der Schweiz. Schottland gewann das Duell 1:0. Beide Mannschaften schieden aber in der Gruppenphase aus.

Sehr viele Jahre später kommt jetzt die Schweizer Revanche. «Klar, im Fussball ist nie etwas sicher. Aber wenn ich tippen müsste, würde ich auf ein 2:1 für die Schweiz setzen», sagt er. Es sei klar das stärkere Team. Die Daumen drücken werde er seinem Ursprung entsprechend aber für die Schotten. «Das wird immer so sein.»

Es ist für ihn die eine Ausnahme. Wenn die Schweiz gegen andere Mannschaften spiele, sei er sonst immer für die Schweiz. Wenn die Schotten spielen und verlieren, sei ihm dies meistens egal. «Und wenn sie gegen die Schweiz verlieren, ist das sowieso okay.»

Gary McArthur hat in Lenzburg eine neue Heimat gefunden. Sein Pub in der Altstadt ist sehr beliebt.
Bild: Andrea Zahler

In Schottland würde ein Sieg ausgiebig gefeiert

Gary McArthur hat zwei kleine Töchter. Sie sind hier geboren und haben eine Schweizer Mutter. Für wen fiebern sie? «Beim Fussball treten Kinder eher in die Fussstapfen des Vaters», habe er den Eindruck. Die Jüngere habe zwar zuletzt ständig das Schweizer Trikot getragen. Die Ältere könne aber bestimmt auch ein Stück weit geniessen, die einzige Schottin unter ihren Freundinnen zu sein.

Für heute Abend hat Gary McArthur eigens geschaut, dass genügend Personen im Pub arbeiten, damit er sich auf das Spiel konzentrieren kann. Sollten die Schotten tatsächlich gewinnen, werde er wohl auch ein, zwei Biere mehr trinken. Oder sich einen Schluck Macallan gönnen, sein Lieblingswhisky.

Nebst schottischem Whisky gibt es im «McArthurs» vor allem irisches Bier.
Bild: Andrea Zahler

Neckische Kommentare von seinen Schweizer Freunden habe es bis jetzt überraschenderweise kaum gehört. Vielleicht gehen die Schweizer sowieso davon aus, dass sie gewinnen werden. Oder es liege an der doch etwas anderen Mentalität.

Sollten die Schweizer siegen, würden die Gäste wahrscheinlich auch gleich nach dem Spiel nach Hause gehen, denn es ist ja doch Mittwoch. «Wenn Schottland hingegen einen Match gewinnt, sehen die Pubs dort danach ganz anders aus: Es wird ausgiebig gefeiert», versichert er.

Der einzige Raum mit einer anderen Wandfarbe – hier violett – ist der Spielraum, den Gary McArthur 2019 eröffnen konnte.
Bild: Andrea Zahler

In der Schweiz ist Gary McArthur ansonsten sehr glücklich, wie er sagt. «Hier ist jetzt mein Zuhause. Solange mich die Schweiz will, werde ich sie nie verlassen.» Das eigene Pub, die Arbeit, seine Kinder und Freunde – sein Leben könne nicht besser sein.

Nach Schottland reise er noch ein bis zweimal im Jahr, um seine Eltern und Freunde zu besuchen. Sein Bruder Tony derweilhat 2014 in Thun ebenfalls einen McArthurs Pub eröffnet, gleich dekoriert wie das ursprüngliche in Lenzburg und auch mit derselben Speisekarte.

Super Rückmeldungen erhalten sie für ihre vielen Burger, darunter einen mit schottischem Haggis. Die Biere hingegen sind vorwiegend irisch. Wer das Spiel heute mit Gary im Lenzburger «McArthurs» schauen möchte, meldet sich besser bald per Telefon: Ein Grossteil der Tische ist bereits reserviert.

Kino-Betreiber Rolf Portmann will Schottland-Fans in seinen Biergarten beim Schlössli in Aarau locken: Wer im Kilt komme, erhalte ein Bier und eine Wurst geschenkt. Auch Dudelsackmusiker seien «absolut willkommen»,wirbt er auf den sozialen Medien.(dvi)