Mit Geld gegen den Lehrermangel: Quereinsteiger sollen während der Ausbildung bezahlt werden
Es ist eine bislang wenig beachtete Idee im Kampf gegen den Lehrkräftemangel: Damit sich mehr Personen zu Lehrerinnen und Lehrern umschulen lassen, sollen Quereinsteigende während der Ausbildung Geld erhalten. Diesen Vorschlag brachte die Westschweizer Lehrergewerkschaft SER kürzlich auf, als eine von sechs Massnahmen gegen den Lehrkräftemangel.
Präsident David Rey argumentiert, eine Umschulung in den Lehrerberuf erfordere eine beträchtliche, «absolut notwendige» Ausbildungszeit. Daher brauche es Unterstützung, insbesondere durch eine bezahlte Ausbildung. So sollen sich mehr Personen diese leisten können. Es wäre ein ähnlicher Ansatz, wie er in der Pflege geplant ist.
«Quereinsteiger sind bereichernd»
Auch der Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer LCH sieht bezahlte Ausbildungen an Pädagogischen Hochschulen (PH) für Quereinsteigende als eine mögliche Massnahme zur Bekämpfung des Lehrpersonenmangels. Beat A. Schwendimann, Mitglied der Geschäftsleitung, sagt:
«Quereinsteigende haben oftmals schon Familie und können es sich daher nicht leisten, drei Jahre lang Vollzeit ohne Einkommen an einer PH zu studieren.»
Wäre die Ausbildung bezahlt, liessen sich womöglich mehr Quereinsteigende dafür gewinnen. Und diese sind durchaus erwünscht. «Aus unserer Sicht sind Quereinsteigende mit anderen Berufserfahrungen für Schulen bereichernd», sagt Schwendimann. Angesichts des Lehrpersonenmangels wären zusätzliche gut ausgebildete Personen hochwillkommen.
Zentral sei, dass mehr Personen adäquat ausgebildet werden ‒ via Erst- oder Quereinstiegsstudium, sagt er. Schnellbleichen sind dem LCH ein Dorn im Auge. Die finanzielle Unterstützung für Quereinsteigende müsste nach Ansicht von Schwendimann vor allem von den Kantonen herkommen.
Fehlender Lohn als Hindernis
Die Forderung ist bereits in der Politik angekommen: Nationalrätin Florence Brenzikofer (Grüne/BL), selbst Sekundarlehrerin, forderte im «Blick» finanzielle Beiträge für Quereinsteigende, die Beruf, Familie und Ausbildung vereinbaren. Sie will in der Herbstsession einen entsprechenden Vorstoss einreichen, wie sie auf Anfrage sagt.
Sie habe vom Berufsinformationszentrum erfahren, dass viele sich für den Quereinstieg interessieren, dann jedoch davon absehen, weil es insbesondere mit Familie wegen des Lohnausfalls schwer umzusetzen sei. «Aus meiner Sicht könnte die finanzielle Unterstützung an die Praxisarbeit gekoppelt sein, dass also diese entlöhnt wird», schlägt sie vor.
Die «Büchse der Pandora»
Doch gegen die Idee gibt es Widerstand. Ausbildungsbeiträge für Quereinsteiger seien der falsche Weg, findet Christian Wasserfallen, FDP-Nationalrat und Mitglied der Bildungskommission. Er anerkennt zwar, dass es für Quereinsteiger ein Problem sein kann, während der mehrjährigen Ausbildung nichts zu verdienen.
Aus seiner Sicht muss die Lösung aber eine andere sein: «Es braucht einen vereinfachten und schnellen Zugang zum Lehrberuf für Personen, die eine gute Ausbildung und Berufserfahrung mitbringen.» Sprich: Die Lehrerausbildung müsste für diese Personen mit einer attraktiven Passerelle stark verkürzt werden. Das schade der Qualität nicht, ist er überzeugt: «Eine möglichst lange Ausbildung hilft nicht weiter, praktische Lebenserfahrung ist ebenso wichtig.»
Wasserfallen geht es auch um Grundsätzliches: Viele Branchen haben akuten Fachkräftemangel, auch sie könnten nach dem Staat rufen. Das Modell der Ausbildungsbeiträge, wie sie nun in der Pflege angedacht sind, ist aus seiner Sicht aber falsch. «Das ist ein gefährlicher Weg. Staatliche Bedürfnisplanung von oben herab funktioniert selten.»
Schon während der Parlamentsdebatte zur Pflege-Initiative wurde gewarnt, damit werde die Büchse der Pandora geöffnet. Doch die Mehrheit im Parlament fand: Personen, die eine Pflegeausbildung an einer Fachhochschule oder höheren Fachschule absolvieren, sollen bei Bedarf finanziell unterstützt werden.
Ein generelles Problem?
Nach Ansicht des Gewerkschaftsdachverbands Travail.Suisse reicht das Problem über einzelne Branchen hinaus: «Wir sind dezidiert der Meinung, dass es bei Zweitausbildungen generell zu wenig finanzielle Unterstützung gibt», sagt Gabriel Fischer, Leiter Bildungspolitik. Die Arbeitslosenversicherung gewähre relativ wenig Ausbildungszuschüsse und das Stipendiensystem sei auf Erstausbildung ausgerichtet. Je nach Kanton gibt es heute Altersgrenzen, teils sind Zweitausbildungen ganz ausgeschlossen.
Nach Ansicht von Travail.Suisse müsste man daher das Stipendiensystem ausbauen. «Früher hat man Weiterbildungen gemacht, um beruflich weiterzukommen, erhielt dafür eine bessere Position, einen besseren Lohn», sagt Fischer. «Heute ist das nicht mehr zwingend so.» Es liege deshalb in der Verantwortung der Gesamtgesellschaft, Weiterbildungen zu fördern.