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Der wundersame Aufstieg des FC Rotkreuz: Wie aus einem klassischen Dorfklub ein Cup-Viertelfinalist wurde

Vor sechs Jahren war der FC Rotkreuz noch ein klassischer Dorfklub, der noch nie höher als in der 3. Liga gespielt hatte. Seither stieg der Klub dreimal auf, ist mittlerweile Erstligist und fordert im Cup-Viertelfinal den Super-League-Zweiten Servette. Wie war so ein Aufstieg möglich?

Es ist Sommer 2017 und der FC Rotkreuz ein klassischer Dorfklub, wie es ihn in so vielen Gemeinden in der Schweiz gibt. Er spielt in der 3. Liga, ist dem Abstieg in eine noch tiefere Liga nur knapp entkommen. Dann steigt der durch Rohstoffhandel reich gewordene René von Euw als Geldgeber ein. Der Erfolg kommt rasch. Nach drei Aufstiegen in fünf Jahren ist der Zuger Klub nun Erstligist. Für Furore sorgt er im Schweizer Cup, wo er nacheinander die oberklassigen Kriens, Chiasso und Schaffhausen schlägt – und am Donnerstag Abend in den Viertelfinals auf den Super-League-Zweiten Servette trifft.

Der Kunstrasenplatz in Rotkreuz wurde durch eine Tribüne ergänzt, alles ist angerichtet für eines jener Cupspiele, die es in einem Viertelfinal kaum mehr gibt. Klein gegen Gross, David gegen Goliath. «Für den FC Rotkreuz ist es ein Jahrhundertspiel», sagt Trainer René Erlachner. «Wir freuen uns riesig.»

Der Rotkreuzer Nahuel Allou im Spiel gegen Emmenbrückens Augustin Tanushaj.
Eveline Beerkircher

Wie nachhaltig ist das Projekt?

Doch wie kommt es, dass der FC Rotkreuz, der lange nie höher als in der 3. Liga gespielt hat, plötzlich im Konzert der Grossen mitspielt? Natürlich landet man in der Beantwortung dieser Frage rasch beim Geldgeber und Teammanager René von Euw. Der 77-Jährige empfängt uns in seiner Wohnung in Rotkreuz zum Gespräch. Dort erzählt er voller Leidenschaft über sein Engagement. «Ich mache das, weil ich mitgestalten möchte», so von Euw. «Mein Anspruch ist es nicht, einfach Geld zu geben, sondern ich möchte mitprägen, das Team zusammenstellen und erfolgreich sein.» Seine Beziehung zu den Spielern beschreibt er als sehr eng, für manche sei er eine Art Vaterfigur.

Geldgeber des FC Rotkreuz: René von Euw.
Matthias Jurt

Tatsächlich gibt es gleich mehrere Spieler, die schon seit vielen Jahren unter von Euw spielen. Nach seinem Einsteigen in Rotkreuz brachte er mehrere Spieler von seinem vorherigen Klub FC Wangen bei Olten mit. Es handelte sich um gestandene 1.-Liga-Fussballer, die in der 3. Liga fast im Alleingang für den Aufstieg sorgen konnten. In jener ersten Saison kamen neben den Neuzugängen auch noch viele Rotkreuzer Junioren zum Zug, danach aber wurde das Kader fast komplett ausgetauscht. Heute besteht es zum Grossteil aus Fussballern, die auf dem Weg zum Profi waren, es aber nicht ganz geschafft haben. Von Euw stellt einige der Spieler in seiner Firma an. Sie arbeiten für ihn 70 Prozent, 30 Prozent der Zeit widmen sie dem Fussball. Das Investment in den FC Rotkreuz stösst auch auf Widerstand. Der Gönnerververein «Club 444» entschied sich, dass er die 1. Mannschaft nicht unterstützen möchte. Die negativen Stimmen seien mit zunehmendem, sportlichem Erfolg verschwunden, erzählt von Euw.

Vitor Augusto Gregorio Cappellini (am Ball) im Spiel des FC Rotkreuz gegen den FC Schaffhausen.
Stefan Kaiser

Der gebürtige Solothurner hat mit seinen Investitionen dafür gesorgt, dass sich der FC Wangen bei Olten während Jahren in der 1. Liga halten konnte. Doch irgendwann merkte er, dass die Erfolge in Wangen nicht nachhaltig seien. «Wangen ist ein kleiner Ort, der kaum Sponsoren anzieht», so von Euw. Heute ist der Klub im Abstiegskampf der 2. Liga regional.

Für von Euw sind die Voraussetzungen in Rotkreuz ganz andere. «Rund 10’000 Menschen arbeiten hier, die Wohnungen sind sehr gefragt. Viele grosse Firmen haben ihren Sitz in Rotkreuz. Aus diesen Gründen glaube ich, ist es gut möglich, hier etwas Nachhaltiges aufzubauen.» Wie viel Geld von Euw in seiner Zeit beim FC Rotkreuz investiert hat, will er nicht genau sagen. Er verweist aber darauf, dass ein durchschnittlicher Erstligist ein Budget von rund 300’000 Franken pro Saison hat. Der Klub selber zahle ähnlich viel für die 1. Mannschaft wie vor den Aufstiegen. Dass viele der talentierten Fussballer nur wegen des Geldes nach Rotkreuz kommen, weist Trainer Erlachner von sich. «Oft fädeln unsere Spieler die Transfers ein, weil sie die Neuen schon kennen. Die Teamdynamik ist sehr gut, den Spielern macht es Spass hier zu spielen.» Erlachner und von Euw kennen sich seit vielen Jahren, auch Erlachner war einst Trainer beim FC Wangen.

René Erlachner ist mit dem FC Rotkreuz auf der Erfolgsspur.
Gekodesign

Doch auch wenn es für den FC Rotkreuz steil nach oben zu gehen scheint, so gibt es immer noch Stolpersteine auf dem Weg zu einem klassischen Erstligisten. Die Infrastruktur ist ein grösseres Problem. Das Hauptfeld darf nicht benutzt werden, stattdessen spielt die 1. Mannschaft auf dem Kunstrasenplatz. Dieser wurde zwar in den letzten Jahren deutlich aufgebessert und den entsprechenden Sicherheitsauflagen angepasst, dennoch sagt Trainer Erlachner: «Das Team ist sportlich deutlich schneller gewachsen als der Klub und die Infrastruktur.» Geldgeber von Euw meint: «Wenn wir es nicht schaffen, eine bessere Infrastruktur zu bekommen, wird der Höhenflug des FC Rotkreuz nicht nachhaltig sein.» Er träumt von einem kleinen Fussball-Stadion, so etwas wie das Krienser Kleinfeld dürfte es im besten Fall sein.

Der Kunstrasen auf dem Sportpark Rotkreuz wurde modernisiert, dennoch soll in Sachen Infrastruktur noch einiges gehen.
Mathias Blattmann

Die Wiederholung einer Sensation

Der kurzfristige Traum ist aber ein anderer: eine Überraschung gegen Servette. Die Vorzeichen sind jedoch nicht sehr gut, weil gleich mehrere Leistungsträger gesperrt oder verletzt fehlen. Dazu kommt, dass mit Simon Grether der prominenteste Spieler den Klub im Winter verlassen hat. «Doch wir hoffen, dass wir eine gute Rolle spielen können. In einer Partie ist vieles möglich», sagt Erlachner.

Der erfahrene Trainer weiss, wovon er spricht. 2001 hatte er Wangen in die Viertelfinals geführt. Auf dem Weg dahin hat er Servette aus dem Wettbewerb geworfen, wenn auch nur, weil die Genfer einen Spieler zu unrecht eingesetzt hatten. Nun trifft Erlachner auf Kollege Alain Geiger, mit dem er vor über 40 Jahren im Junioren-Nationalteam zusammenspielte. «Damit schliesst sich für mich der Kreis», so Erlachner, der im Sommer abtritt. Vorher möchte aber der FC Rotkreuz für den nächsten Höhenflug sorgen.